Fussball

WFV nimmt Gnadengesuch an: Balinger U18 steigt trotz ungültiger Wertung auf

18.08.2020

Von Marcel Schlegel

WFV nimmt Gnadengesuch an: Balinger U18 steigt trotz ungültiger Wertung auf

© Moschkon

Balingens U 18 spielt künftig doch in der Landesstaffel.

Erbarmen für die Kreisstädter: Die U 18 der TSG Balingen darf nun doch in die Landesstaffel aufsteigen. Der Württembergische Fußballverband (WFV) nahm das schriftliche Gnadengesuch der Balinger an.

Nun ist klar: Die von Bernd Bauer trainierte TSG Balingen 2 folgt Zollerns Bezirksstaffel-Meister SGM Nusplingen in die neu geschaffene Landesstaffel Süd der A-Junioren und damit auf Verbandsebene.

Der Grund dafür ist jedoch kein genuin sportlicher: Wie Bezirksreferent Steffen Horler auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte, gab der WFV einem schriftlichen Gnadengesuch statt, in dem die TSG-Verantwortlichen um den nachträglichen Aufstieg baten. Dies bestätigte auch Arne Bauer, der für die Öffentlichkeitsarbeit beim WFV zuständig ist, in einer schriftlichen Antwort.

Wertung fiel ohne Urteil und war nicht rechtens

Aus diesem Grund: Nach dem coronabedingten Saisonabbruch und nach Anwendung der Quotientenregel waren die Balinger in der A-Jugend-Bezirksstaffel nur Dritte gewesen, weil ihnen in ihrer Bilanz eine Nachholpartie fehlte. Staffelleiter Richard Türk wertete das – offiziell verlegte – Balinger Spiel gegen die SGM Pfeffingen-Onstmettingen daraufhin nachträglich zugunsten der Kreisstädter.

Nach diesem 3:0 an Türks „Grünem Tisch“ war die Bauer-Elf zwischenzeitlich quotientengleich mit der SGM Nusplingen gewesen: Diese Wertung also veränderte kurzzeitig den Tabellenstand und hievte die TSG zunächst ganz offiziell zum Aufstieg, der formell vom zuständigen WFV-Mitarbeiter Horst Dürr auch schon eingeleitet worden war.

Nur hätte Türk diese Wertung eigenmächtig, ohne Prüfung des Bezirkssportgerichts und durch dessen „Weisung durch ein Urteil“ niemals vornehmen dürfen, wie Arne Bauer mitteilte. Das Urteil: unwirksam. Der Aufstieg der Balinger A-Jugend: eigentlich dahin. Das bemerkte man im Anschluss und auf Nachfrage unserer Zeitung denn auch beim Bezirk um dessen Bezirksjugendleiter Jürgen Ratzke.

Lesen Sie hier die ausführliche Vorgeschichte.

Die Balinger wurden Ende Juli über ihren zwischenzeitlichen Nicht-Aufstieg informiert, die Wertung wurde zurückgenommen – mit dem Verweis des Bezirks, dass die Vorgänge nochmals nachgeprüft werden würden, um dann zu einer Entscheidung darüber gelangen zu wollen, ob die Wertung und damit ebenso der Balinger Aufstieg rechtens war und weiter ist – oder nicht.

WFV-Geschäftsführer lässt Balingen hoch

Dem ist der WFV nun zuvorgekommen. Der Verband, von dessen Geschäftsführer Frank Thumm das Balinger Gesuch laut Horler angenommen wurde, bestätigte, dass die undurchsichtige Wertung nicht rechtmäßig war. Im entsprechenden Antwortschreiben von Thumm an die TSG, das Horler vorliegt und aus dem Zollerns Bezirkssprecher gegenüber dem Zollern-Alb-Kurier zitierte, nennt der Verband die Wertung ein „Verwaltungsversehen“ oder auch einen „Verwaltungsfehler“, der dazu geführt hat, dass die Balinger Punkte abgeben mussten, womit eigentlich ihr „Aufstiegsrecht entfällt“.

Arne Bauer erklärte: „Zusammengefasst kann man wohl von einer Verkettung unglücklicher Umstände sprechen. Um das Missgeschick nicht auf dem Rücken des Vereins und der betroffenen Spieler auszutragen, wurde ein Gnadenantrag des Vereins angenommen.“

Verband spricht von „plausibler Darstellung“

Die Stuttgarter Funktionäre gaben der Balinger Argumentation, einer „plausiblen Darstellung“ nach, wonach die TSG – nach dem zunächst positiven Bescheid durch den Bezirk – bereits mit dem Landesstaffel-Aufstieg geplant, entsprechende Personalanstrengungen vorangetrieben hätte und diese nun nicht plötzlich rückgängig machen könne, weil der Bezirk noch plötzlicher einen Rückzieher machte und die Wertung zurücknahm – dies, zumal ohne Verschulden der TSG.

„Die Richtigstellung und offizielle Information über den Nicht-Aufstieg erfolgte zudem erst nach dem Abmeldestichtag am 15. Juli, was im Falle einer Ablehnung des Gnadengesuchs zu besonderen Härten für den Verein sowie die betroffenen Spieler geführt hatte“, schreibt Arne Bauer vom WFV.

Hier nachzulesen: die Stellungnahme von Bezirksjugendleiter Ratzke.

Auch der Bezirk Zollern räumte den eigenen Fehler ein. Dessen Sprecher Horler teilte stellvertretend für Bezirksjugendleiter Ratzke schriftlich mit, dass es jedoch nicht die Absicht des Bezirks gewesen sei, den Kreisstädtern „durch ein Sportgerichtsurteil den Aufstieg zu ermöglichen“ und damit neben der Nusplinger SGM ein zweites Zollern-Team auf Verbandsebene zu hieven. Dies in einer Staffel, die ohne die Corona-Regelung eigentlich nur einen Aufsteiger gehabt hätte. Stattdessen handele es sich, so Horler mit Ratzke, um eine „Fehlbewertung der sportrechtlichen Lage“.

Junginger stellt richtig: „Sportgericht war nicht involviert“

Horlers respektive Ratzkes Formulierung, die schriftlich vorliegt und suggeriert, die Wertung sei durch ein Sportgerichtsurteil zustande gekommen, hat im Nachgang wiederum nun Hans Junginger moniert, der Zollerns Bezirkssportgericht vorsitzt. Schließlich hatte die Wertung wohl Staffelleiter Türk – unrechtmäßig, aber vor allem eigenmächtig – vorgenommen und das Sportgericht erst gar nicht in den Fall miteinbezogen. Genau dieses Vorgehen hatte die Causa schließlich erst ins Rollen gebracht. Junginger wies, letztlich zurecht, darauf hin, dass es zwar eine Fehlbewertung gewesen ist, aber keine, die sein Sportgericht (be-)traf. „Wir wurden zu keinem Zeitpunkt in den Fall involviert. Insofern kann es kein falsches Sportgerichtsurteil gewesen sein, weil wir nie ein Urteil gefällt haben und nicht einmal dazu angerufen wurden, eine Entscheidung zu treffen.“

Den Verdacht, zwei statt einem Team aus Zollern den Einzug auf die Verbandsebene zu ermöglichen, hatten die Bezirksfunktionäre durch ihr Handeln selbst geschürt. Sie schwiegen lange, erklärten sich erst spät. Ratzke hatte sich dann in einem schriftlichen Statement, das an unsere Zeitung gerichtet war, gegen diesen Vorwurf gewehrt.

Klar dürfte sein: Die Fehler, die gemacht wurden, dürften zwar tatsächlich ohne widriges Motiv begangen worden sein, hätten bei einer besseren internen, aber auch externen Kommunikation jedoch verhindert werden können. Damit ein solcher Fehler den, wohlgemerkt ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht noch einmal passiert, hat der Bezirk angekündigt, allen Jugendstaffelleiter in den kommenden Wochen eine Schulung zu ermöglichen.

Albstadts Antrag wurde abgelehnt

Übrigens: Einen ähnlichen Härtefallantrag wie die Balinger nun stellte Anfang Juni übrigens auch der FC 07 Albstadt aus dem Bezirk Zollern. Die Blau-Weißen waren in der Landesliga-Staffel 4 punkt- und quotientengleich mit dem VfB Friedrichshafen nur Tabellenzweite gewesen, durften jedoch weder aufsteigen noch in die Relegation. Hier hatte ein wegen schlechten Wetters nicht ausgetragenes Nachholspiel wohl mit den Ausschlag gegeben. Den Albstädtern versagte der WFV jedoch den Härtefallantrag. Das machte die Ebinger und Tailfinger zum faktisch größten Verlierer der Quotientenregel im Verbandsgebiet.

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 20. August um 11 Uhr aktualisiert und um die Aussagen von Herrn Junginger erweitert.

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