Vortrag über das „Standgericht zu Meßstetten am 21. April 1945“ stößt auf großes Interesse

Von Wilfried Groh

Auf großes Interesse stieß der Vortrag von Manuel Werner von der Gedenkinitiative Nürtingen über das sogenannte „Standgericht zu Meßstetten am 21. April 1945“.

Vortrag über das „Standgericht zu Meßstetten am 21. April 1945“ stößt auf großes Interesse

Der Referent Manuel Werner (Mitte) zusammen mit Karl Ast (links) und Heinz Roth, dem Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Meßstetten.

Eingeladen hatte der Heimat- und Geschichtsverein Meßstetten. Unterstützt wurde Manuel Werner von Karl Ast.

Der 21. April 1945 in Meßstetten

Was geschah da am 21. April 1945 in Meßstetten? Am Vormittag verließ das deutsche Militär das Dorf. Um die Mittagszeit suchte der Meßstetter Nazi-Bürgermeister Willi Abel mit dem Balinger Kreisleiter Oskar Uhland fluchtartig das Weite. Um 14 Uhr kam ein französischer Panzerspähwagen aus Richtung Hossingen, bog aber sofort nach Hartheim ab. Auch französische Panzer drangen, aus Unterdigisheim kommend, in Meßstetten ein, um auch gleich nach Hartheim in Richtung Donautal abzudrehen, denn ihr Ziel war das Vichy-Regime in Sigmaringen.

Weiße Fahnen gehisst

Für die Dorfbewohner war das aber das Signal, weiße Fahnen zu hissen. Davon erfuhr auch Oskar Riegraf, der seit 1. April auf dem Truppenübungsplatz das „Freikorps Adolf Hitler“ aufbaute. Deshalb fuhr er mit einigen Untergebenen nach Meßstetten. Zuerst ließ er seine in der Hangergasse wohnende Familie in Sicherheit bringen. Dann machte er sich daran, die Verantwortlichen für das Hissen der weißen Fahnen zur Rechenschaft zu ziehen. Im Meßstetter Rathaus hielt Oskar Riegraf vor etwa 15 Bürgern und Gemeinderäten ein sogenanntes Standgericht ab. Auf die Frage Riegrafs, der wie seine Begleiter vermummt war, an Gemeinderat und Lamm-Wirt Martin Stengel, antwortete der, dass Frauen die Fahnen gehisst hätten. Er habe aber die weiße Fahne gleich wieder entfernt. Riegraf erklärte jedoch, dass Stengel dafür verantwortlich sei, und schoss ihn augenblicklich nieder.

Auf der Treppe niedergeschossen

Anschließend wandte er sich an Altbürgermeister Friedrich Maier. Der antwortete, nicht zu wissen, wer weiße Fahnen gehisst habe. Er wurde als Geisel abgeführt und auf der Rathaustreppe von Riegrafs Begleitern ebenfalls niedergeschossen. Dann forderte Riegraf den Ortspolizisten mit vorgehaltener Pistole auf, ihm das Haus des Lamm-Wirts zu zeigen, auf das zwei Panzerfäuste abgefeuert wurden. Dem Dorfpolizisten gelang die Flucht.

Ein glühender Nationalsozialist

Oskar Riegraf war schon seit frühester Jugend ein glühender Nationalsozialist. 1911 in Fellbach geboren, wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf, schaffte es aber trotzdem am Gymnasium bis zum Abitur. Er studierte ab 1930 Theologie in Tübingen und trat gleichzeitig in die NSDAP ein, was damals nicht als unmöglich angesehen wurde. Er sei also ein „alter Kämpfer“ gewesen, so Manuel Werner. Ab 1933 arbeitete Oskar Riegraf dann hauptamtlich als Funktionär in der Partei. Im Februar 1938 wurde er Führer des „HJ-Banners 436 Hohenneuffen“ und zog nach Nürtingen, wo er auch Stadtrat wurde. Ab 1939 war er in der Wehrmacht, ab 1942 als Oberleutnant, und schließlich stellte er das „Freikorps Adolf Hitler“ auf dem Truppenübungsplatz Heuberg auf.

Nach Kanada ausgereist

Nach dem Krieg war Riegraf bei den Amerikanern in Karlsruhe interniert. Bevor ein Haftbefehl des Amtsgerichts Balingen 1947 vollstreckt werden konnte, gelang Riegraf die Flucht aus dem Internierungskrankenhaus. Mit falschen Papieren und ein bisschen Geld versorgt, gelang es ihm, auf der Nordschiene der Nazi-Emigration nach Kanada auszureisen. So blieb das Verbrechen des Mordes ungesühnt.

Der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins, Heinz Roth, dankte Manuel Werner für den Vortrag und Karl Ast für die Mithilfe.