Vorläufer der Sackpfeifen: Wenn in Dürrwangen Schweinsblasen der „Ewige Ton“ entlockt wird

Von Gert Ungureanu

Nach vierjähriger Pause – auch pandemiebedingt – erklangen von Freitag bis Sonntag wieder die unterschiedlichsten Sackpfeifen aus mehreren europäischen Ländern im Haus der Volkskunst in Balingen-Dürrwangen. Ein dortiges Konzert und ein Abschlusskonzert am Sonntagabend in der Stadtkirche inklusive.

Vorläufer der Sackpfeifen: Wenn in Dürrwangen Schweinsblasen der „Ewige Ton“ entlockt wird

Eine Plater aus dem Dürrwangener Haus der Volkskunst: So könnte das archaische Instrument ausgesehen haben.

Im Hintergrund der Melodien war fast immer der „Ewige Ton“: Pfeifen, Hörner, Hirtenflöten, Dudelsäcke und die fast vergessenen Platern (Schweinsblasen) haben am Samstag den Tanzsaal im Haus der Volkskunst einen Abend lang mit archaischen Klängen und Liedern von Liebe und Revolution erfüllt.

Einen Ton halten

Von der Plater-Rekonstruktion nach einem Gemälde aus dem 12. Jahrhundert, mit dem das Duo Cozian – De la Torre aus der Gascogne angereist war, von der „Einhand-Blader“ Marke Eigenbau aus dem Haus der Volkskunst, bis hin zum Schäferinstrument von Lubomir Tatarka aus der Slowakei und der aufwendigen Plater-Rekonstruktion der Sarden kam der Vorläufer des Dudelsacks immer wieder zum Einsatz. Wer hatte als Erster die Idee, eine Schweinsblase und eine Pfeife zu kombinieren? Und wie hat das alte Instrument damals, vor Jahrhunderten, geklungen? Niemand weiß es heute genau. Was man weiß: Es ging darum, einen Ton zu halten.

Andrea Pisu von der Gruppe Sonus Insulae Sardinia weiß heute noch, wie Zirkularatmung geht: Er nutzt den Mundraum als Puffer und spielt beidhändig auf drei filigranen Pfeifen, den sardischen „Launeddas“.

Mal derb, mal verträumt

„Dudel, dudel, Leiersack“ – mit einem Sprüchlein eröffnet die Egerländer Bauernmusik mit Andrea Bojaz und Gerhard Ehrlich ihren Auftritt. Ihre „Böhmischen Böcke“, kunstvoll gestaltete Dudelsäcke, sind leicht vorzustellen auf dem Tanzboden am Samstagabend nach einer arbeitsreichen Woche.

„Mir ist auch nie so wohl zumute, als wenn du bei mir bist“, zitiert Hausherr Manfred Stingel den Text des alten Liebeslieds, mit dem die Gruppe „Wacholderklang“ vom Haus der Volkskunst ihren Auftritt eröffnet. Mal derb, mal verträumt, dazwischen eine 200 Jahre alte Weise aus der Zeit der Napoleonischen Kriege: „Dies Blümlein leg‘ ans Herz und denk an mich.“

Romuald Jendraszak erklärt zwischen Plater- und Dudelsackeinlagen, wie in Polen diese alten Melodien „aus dem Kopf“ gespielt werden, und wie die Technik an die jüngere Generation weitergegeben wird. Und Lubomir Tatarka aus der Slowakei, der daheim bereits 120 verschiedene selbstgebaute Flöten, Hörner und Dudelsäcke gesammelt hat, ist überzeugt: Die Plater wurde von Hirten erfunden.

Stürmischer Applaus

Christoph Pelgen, der im Haus der Volkskunst Dudelsackspiel unterrichtet, spielt mit seinen Schülern Eigenkompositionen, die Gruppe von Rosario Altadona aus Sizilien beeindruckt mit unterschiedlichen Flöten und Dudelsäcken, das Ensemble Xistra de Coruxo aus Galizien reißt zum Mitklatschen hin und erntet stürmischen Applaus – und schon geht es auf Mitternacht zu. Langweilig war es keinen Augenblick lang.

Am Sonntagabend waren die Gruppen einmal mehr zu hören beim Konzert in der Balinger Stadtkirche, ehe es an diesem Montag schon wieder gilt, in vielen Sprachen Abschied zu nehmen – vielleicht bis zum nächsten Jahr bei der Gartenschau.