Zollernalbkreis

Von völligem Frust bis zur totalen Euphorie: CDU und Grüne über ihre Kanzlerkandidaten

20.04.2021

von Redaktion

Von völligem Frust bis zur totalen Euphorie: CDU und Grüne über ihre Kanzlerkandidaten

© ZAK-Archiv

Von ihnen holten wir die Meinung ein über die Nominierungen von Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne).

Die CDU vorerst zerrissen, die Grünen im Glück: Dieser bundespolitische Gesamteindruck spiegelt sich nach der am Montag beziehungsweise am Dienstag beendeten, spannenden Kanzlerkandidaten-Kür auch bei Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern beider Parteien aus dem Zollernalbkreis und dem Landkreis Sigmaringen wider. Ob sich diese Momentaufnahme auch auf das lokale Bundestags-Direktmandat-Duell zwischen Thomas Bareiß (CDU) und Johannes F. Kretschmann (Grüne) auswirkt, wird sich jedoch erst in den kommenden Monaten zeigen.

Armin Laschet soll Kanzlerkandidat der CDU/CSU sein. Diese Entscheidung des Bundesvorstands der CDU „müssen wir in unserem demokratischen Politikverständnis akzeptieren“, sagte Nicole Hoffmeister-Kraut am Mittwoch auf Anfrage. Ziel muss es laut der CDU-Kreisvorsitzenden und baden-württembergischen Wirtschaftsministerin sein, erneut die stärkste Partei zu werden.

Geschlossen stärkste Partei werden

„Das erreichen wir nur gemeinsam und geschlossen. Insofern werde ich mich in den Wahlkampf unserer CDU und damit auch von Armin Laschet einbringen“, sagte Hoffmeister-Kraut.

Über die Art und Weise, wie die Parteien zum gemeinsamen Kandidaten gekommen sind, ist aber auch sie nicht ganz glücklich: „Für die Zukunft sollten in der CDU bei so wichtigen Personalfragen die Mitglieder stärker gehört werden“, sagte sie.

Verfahren hätte klarer sein sollen

Man hätte zu Beginn ein klares Verfahren zur Entscheidungsfindung aufsetzen müssen. Dennoch begrüße sie, „dass jetzt zeitnah entschieden wurde und damit Klarheit herrscht“.

Als Kreisvorsitzende war Hoffmeister-Kraut am Ende nicht gehört worden. Für wen sie gestimmt hätte, beantwortet sie nicht direkt. Doch hätte sie ihre Entscheidung nach eigenen Angaben anhand der Antworten auf folgende Fragen getroffen.

Was macht den besten Kandidaten aus?

Wer ist der bessere Krisenmanager und Zukunftsgestalter? Wer ist von beiden im Kampf gegen die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels am überzeugendsten? Und wer kommt am besten bei den Wählerinnen und Wählern an? „Es ist blauäugig zu glauben, die Meinung der Bevölkerung in einer solch wichtigen Angelegenheit nicht ernst zu nehmen“, sagte Hoffmeister-Kraut.

Inhaltlich bei Klima- und Umweltschutz überzeugen

Dass kurz zuvor Annalena Baerbock zur Grünen-Kanzlerinnenkandidatin gekürt wurde, kommentiert die Christdemokratin so: „Jede Konkurrenz im Wahlkampf ist ernst zu nehmen und deshalb muss es unser gemeinsames Ziel als CDU sein, einen klaren, überzeugenden inhaltlichen Wahlkampf gerade auch zu Fragen von Klima- und Umweltschutz zu führen.“

Stolz auf zwei gute potenzielle Merkel-Nachfolger

CDU-Bundestagsabgeordneter und Beisitzer im Vorstand Thomas Bareiß äußerte sich am Abend auf Anfrage. „Es ist wichtig, dass wir jetzt eine Entscheidung haben. Vor zwei Jahren hieß es noch, dass die Union es nicht schaffen würde, einen guten Nachfolger für Angela Merkel zu finden. Jetzt hatten wir gleich zwei gute Kandidaten“, sagte Bareiß, der meint, dass die Union darauf stolz sein könne.

Er unterstütze selbstverständlich Armin Laschet als Kanzlerkandidat und beschreibt ihn wie folgt: „Mit ihm haben wir einen sehr guten Kandidaten. Er hat Erfahrung und kann regieren.“ Er sei ein Teamspieler. Schon bei den letzten Koalitionsverhandlungen hätten sie sehr gut zusammengearbeitet.

Was Bareiß von Laschet hält

„Armin Laschet ist ein verlässlicher und vertrauenswürdiger Politiker mit einem klaren Wertekompass. Seine Fähigkeiten und Kompetenz, die er als Ministerpräsident im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen unter Beweis gestellt hat, sind unbestritten“, meint Bareiß.

Es gelte jetzt, mit einem guten Programm, mit kompetenten Köpfen und mit neuen Ideen als Union geschlossen in den Wahlkampf zu gehen, „damit wir die Bundestagswahl gewinnen und unser Land weiter so erfolgreich wie bisher führen können“, sagt Bareiß abschließend.

Pommerenke macht sich Sorgen

Friedrich Pommerenke von der Fraktion der CDU Albstadt sieht das aktuelle Tauziehen in der Partei um den Kanzlerkandidaten mit großer Sorge. Eigentlich, stellt Pommerenke klar, sei er ein „Merz-Mann“. Dass der nicht mehr im Rennen sei, sagt er, sei eine herbe Enttäuschung für ihn. Daher wäre seine Wunschkonstellation, dass Laschet und Söder nun beide zugunsten von Friedrich Merz den Weg frei machten. Ansonsten, ergänzt Pommerenke, wäre Söder seine Wahl: „Wir brauchen eine starke Persönlichkeit“.

Bekomme es mit der Angst zu tun

Dass die CDU nun aufgrund des in der Öffentlichkeit ausgetragenen Machtkampfes als die „Bösen“ gelten würden, ärgert ihn. Die Grünen hätten lange alles im Stillen ausgemacht und seien nun einfach an die Öffentlichkeit gegangen: „Wenn Frau Baerbock von einem ‚neuen Deutschland‘ spricht, bekomme ich es aber mit der Angst zu tun.“

Enttäuscht über Prozedere der Kandidatensuche

Daniel Welte, Vorsitzender des CDU-nahen Wirtschaftsratsrats, Sektion Balingen/Sigmaringen, hätte, nach eigenen Worten, nicht nur Laschet, sondern auch Söder „die Kanzlerschaft zugetraut“. Das Prozedere der Kandidatensuche „enttäuscht“ ihn. Und dies vor allem aus dem Blickwinkel der Basis, „deren Stimmenmehrheit letztlich nicht wahrgenommen wurde“. Man habe sich in einer Zeit über das deutliche Votum pro Söder hinweggesetzt, in der es klarer, politischer Signale bedarf. „Diese kamen und kommen aus der Spitze der CDU derzeit nicht.“

Frank Schroft hält Entscheidung für falsch

Der Meßstetter Bürgermeister Frank Schroft ist CDU-Mitglied und Beisitzer im CDU-Bezirksverband Südwürttemberg-Hohenzollern. Er hält mit seiner Enttäuschung nicht hinter dem Berg und sagt: „Die Empfehlung des Parteivorstands der CDU, mit Armin Laschet als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf zu gehen, halte ich für falsch. Ganz einfach deshalb, weil dies eine Entscheidung gegen die Stimmung an der Basis ist. Dass sich dieses personell überschaubare Gremium gegen die überwiegende Zustimmung der Mitglieder für Markus Söder entschieden hat, ist für mich nicht nachvollziehbar“.

So kann man mit über 400.000 Mitgliedern nicht umgehen

Es sei eine Geringschätzung der Mitglieder, diese nicht nach ihrer Meinung zu fragen, aber gleichzeitig davon auszugehen, dass sie sich dann im Wahlkampf engagieren werden, fügt Schroft an und wird noch deutlicher: „So kann man mit den über 400.000 Mitgliedern nicht umgehen“. Die Umfragewerte und damit die Meinung der Bevölkerung derart zu ignorieren sei zudem unvernünftig. Sein Credo lautet: „Politik kann nicht gegen die Menschen gemacht werden. Das kann auf Dauer nicht gut gehen“. Frank Schroft fährt fort: „Politik lebt von breiter Akzeptanz. Das setzt überzeugende Inhalte und Persönlichkeiten voraus. Jetzt muss die CDU alles tun, um einen guten und erfolgreichen Wahlkampf zu führen.“

Kandidatin der Grünen macht Wahlkampf nicht leichter

Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen werde den Wahlkampf für die CDU nicht leichter machen. Sie habe eine respektable Karriere und Ausbildung vorzuweisen und sollte seiner Erachtens nicht unterschätzt werden.

Wie Schroft ist auch sein Bisinger Bürgermeister-Amtskollege und CDU-Kreisrat Roman Waizenegger „maximal enttäuscht und frustriert“. Was ihn ganz besonders geärgert habe, sei das Pro-Laschet-Votum des CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl. „Er ist nach allem, was ich mitbekommen habe, so unendlich weit weg von der CDU-Basis in Baden-Württemberg.“

Waizenegger bleibt vorerst in der CDU

Waizenegger sieht diese Entwicklung aber nicht erst seit der jetzigen Laschet-Söder-Kampfkandidatur. „Strobl hat dafür ja bereits bei den Landtagswahlen vor einigen Wochen die Quittung bekommen, als ihm der Sprung ins Parlament verwehrt blieb“, erinnert der Schultes. Jedes CDU-Mitglied in Baden-Württemberg müsse nun für sich selbst entscheiden, welche Konsequenzen es aus dem Pro-Laschet-Votum zieht. „Ich selbst trage es mit, und bleibe – zumindest vorerst – noch in der Partei.“

Die Findung des Kandidaten an sich in der nun geschehenen Form fand Waizenegger in Ordnung. „Es war wichtig und nötig, dass man sich bei der Frage der Kanzlerkandidatur einmal konkret über unterschiedliche Werte und Vorstellungen innerhalb der CDU intensiv ausgetauscht hat.“

Widmann-Mauz spricht von respektvollem Umgang

Auch die Wahlkreisabgeordnete von Tübingen-Hechingen, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz MdB, äußert sich zur Kandidaten-Entscheidung ihrer Partei: „CDU und CSU hatten die Wahl zwischen zwei hervorragenden Kandidaten. In intensiven Diskussionen haben wir in unserer Partei unterschiedliche Meinungen und Positionen zur Frage der Kanzlerkandidatur gehört und diese in verschiedenen Gremien eingebunden. Ich freue mich sehr, dass wir im respektvollen Umgang miteinander zu einer gemeinsamen Entscheidung von CDU und CSU gelangt sind.“

Laschet ist teamorientiert

Weiter wird sie in einer Pressemitteilung zitiert: „Die Union hat sich mit Armin Laschet für einen Kanzlerkandidaten entschieden, der feste Grundsätze mit einem integrierenden und teamorientierten Führungsstil vereint.“

Baerbock ist die richtige Wahl

Auch die Grünen haben erstmals in der Geschichte eine Kandidatin fürs Kanzleramt aufgestellt: Annalena Baerbock. „Wir sind zufrieden mit der Entscheidung unserer Bundespartei“, sagt Erwin Feucht, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Er hat damit gerechnet, dass die Wahl auf Annalena Baerbock fallen wird, entsprechend des Frauenstatuts der Bundes-Grünen.

Mehr Biss im Alltagsgeschäft

Er ist auch deshalb mit der Entscheidung einig, weil Baerbock mehr Biss im Alltagsgeschäft habe. „Robert Habeck ist eher der Philosoph“, sagt er Wenn es ans Eingemacht gehe, agiere er zuweilen unsicher. „Annalena Baerbock ist eine toughe Frau und im perfekten Alter, um der Altherrenriege die Stirn zu bieten.“, meint er und spekuliert, dass die Wahlen im September für seine Partei „besser ausgehen werden als je zuvor.“

Unnötiges Theater

Das Gerangel der CDU und CSU um ihren Kanzlerkandidaten bezeichnet er als unnötiges Theater. Schließlich hätte die Partei genügend Zeit gehabt, sich festzulegen. „Das gibt ein schwaches Bild ab“, ist Feucht überzeugt. Was ihn persönlich betrifft, hält er Laschet für den besseren Bewerber und nennt auch den Grund dafür: „Söder biegt mir zu oft um die Ecke.“ Die Politik Laschets scheint dem Grünen ehrlicher zu sein.

Auch der Grünen-Bundestagskandidat des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen, Johannes F. Kretschmann, Sohn des Ministerpräsidenten, sowie die erst kürzlich wieder gewählte Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden aus dem Kreis Sigmaringen zeigen sich hoch zufrieden mit dieser Entscheidung.

Jung und dynamisch

„Annalena Baerbock ist eine junge und dynamische Politikerin, die in den letzten drei Jahren bewiesen hat, dass sie eine echte politische Führungspersönlichkeit ist. Sie ist entscheidungsfreudig, hat Visionen für unser Land und bleibt dabei gleichzeitig bodenständig“, heißt es weiter in einer Pressemitteilung von Bogner-Unden.

Das fähigste Führungsduo der Grünen

Auch Johannes F. Kretschmann, der vor acht Tagen auf Platz 22 der Landesliste der Grünen Baden-Württemberg für die Bundestagswahl gewählt wurde, äußert sich begeistert: „Mit Annalena Baerbock und Robert Habeck haben wir das fähigste Führungsduo, an das ich mich erinnern kann. Dass die einstige Trampolinspringerin auf Spitzenniveau nun für uns Grüne als Kanzlerkandidatin nach den Sternen greift, ist eine kluge, folgerichtige Entscheidung. Gerade im Schwabenalter angekommen hat Annalena das geistige Format und die mentale Stärke auch für das höchste Regierungsamt.“

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