Balingen

Vom Leistungsdruck zur Familienkrise: Balinger Jugendarbeit weitet digitale Beratung aus

19.05.2020

Von Lea Irion

Vom Leistungsdruck zur Familienkrise: Balinger Jugendarbeit weitet digitale Beratung aus

© Lea Irion

Jugendliche verbringen dieser Tage mehr Zeit mit sich selbst als gewohnt.

Die Einschränkungen in der Corona-Krise treffen nicht nur ältere und kranke Menschen in Senioren- und Pflegeheimen besonders stark, sondern auch Kinder und Jugendliche, die noch vor der Pandemie regelmäßigen Kontakt zu Beratungsstellen im Raum Balingen gesucht haben. Die städtische Jugendarbeit hat deshalb ihre Beratung auf sozialen Kanälen stark erweitert.

Der Schulbetrieb war wochenlang auf das digitale Klassenzimmer reduziert, Jugendtreffs mussten ersatzlos gestrichen werden – die soziale Komponente brach für Heranwachsende aufgrund der Corona-Pandemie quasi gänzlich weg. Stattdessen erhöhte sich die Zeit mit der eigenen Familie, was nicht in allen Fällen etwas Positives bedeutete.

Jugendarbeit mal anders

Die städtische Jugendarbeit im Raum Balingen musste sich von heute auf morgen stärker digitalisieren, was aus Sicht von Jochen Brendle, Leiter des Kinder- und Jugendbüros, gut geklappt hat. Das Instagram-Profil des Jugendhauses Insel zählt beispielsweise bereits über 100 Follower.

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Das Kinder- & Jugendbüro der Stadt Balingen bietet vielfältige Möglichkeiten der Kontaktaufnahme. #saysafe #geetconnected

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In der Zeit vor Corona beschäftigten die Jugendlichen viele Themen – eines, das jedoch bedauerlicherweise hervorstach, war der schulische Leistungsdruck. „In der Schulsozialarbeit war das schon deutlich zu spüren“, sagt Jochen Brendle im telefonischen Gespräch mit dem ZOLLERN-ALB-KURIER. Das habe zahlreiche Jugendliche sehr gestresst.

Mittlerweile hat sich dieser Leistungsdruck bei vielen Schülern aufgrund der Kontaktbeschränkungen in familiäre Probleme gewandelt oder ist erschwert hinzugekommen. „Die Schere ist in manchen Familien noch weiter auseinandergegangen“, so Brendle. Einige Jugendliche sind dieser Tage auf sich alleine gestellt, was das Lernen und die schulische Koordination anbelangt.

Wenn es am Laptop hakt

So manche Familie besitzt aber auch schlichtweg keine geeigneten Geräte, über die sich der digitale Fernunterricht umsetzen lassen könnte. „Der Bund hat hierfür ein Förderprogramm ins Leben gerufen, damit man solche erschwerten Bedingungen aus der Welt schaffen kann“, fügt Brendle an. Dabei handelt es sich beispielsweise um Laptops, die den Schülern zeitweise geliehen werden.

Die städtische Jugendarbeit bemüht sich mit Nachdruck darum, solche Schüler zu erkennen und zu fördern. Hierfür wurde auch das Angebot der Schulsozialarbeit an den Balinger Schulen auf Instagram ausgeweitet. Somit haben mittlerweile die Sichelschule, das Gymnasium, die Realschule und der Frommerner Schulverbund ein eigenes Profil auf der Plattform.

Jeder kann sich melden

Durch diese erweiterte Erreichbarkeit haben Jugendliche und auch Erwachsene die Möglichkeit, sich durchgehend werktags von 9 bis 18 Uhr an die städtischen Experten zu wenden, wenn sie Probleme oder Anliegen haben. Ferner stehen die Sozialarbeiter auch für ein Telefonat, einen Videochat oder neuerdings nun auch wieder für eine Beratung vor Ort bereit.

Diese steht von Montag bis Freitag von 14 bis 16 Uhr im Jugendhaus Insel in der Balinger Inselstraße 16 zur Verfügung. „Natürlich sind dabei die geltenden Hygienevorschriften einzuhalten und eine Terminabsprache ist vorher wünschenswert“, ergänzt Brendle. Eine Gesamtübersicht aller Ansprechpartner ist auf kjb-bl.de zu finden.

In enger Absprache mit den Schulleitungen und den Lehrern kehren derzeit auch die Schulsozialarbeiter wieder etappenweise in die Schulen zurück, denn nach Ansicht von Jochen Brendle ist auch trotz ausgebauter digitaler Kontaktwege das persönliche Gespräch durch nichts zu ersetzen.

Wege in die Zukunft

Einzeltermine vor Ort in den eigenen vier Wänden können unter Umständen auch vereinbart werden, damit in dieser schwierigen Zeit niemand mit seinen Problemen alleine bleiben muss. Unklar ist hingegen, wann die Jugendtreffs wieder wie gewohnt öffnen können und wie das weitere Programm in den kommenden Monaten weitergeht.

Für Jochen Brendle und alle weiteren städtischen Sozialarbeiter bedeutet die verstärkte Digitalisierung jedoch auch eine Chance, den eingeschlagenen Weg in Zukunft beizubehalten und auszubauen. So landen schon jetzt Mitmachkonzepte auf Instagram, bei denen den Jugendlichen in kurzen Erklärvideos gezeigt wird, wie sie selber Pfannkuchen oder sommerliche Getränke herstellen können.

Und dennoch: „Die persönlichen Kontakte lassen sich schlichtweg nicht durch soziale Medien ersetzen“, ergänzt Brendle abschließend.

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