Balingen

Viel mehr als nur Blech: „Canadian Brass“ verzaubern Zuhörer in der Balinger Stadthalle

12.01.2020

Von Ulrike Zimmermann

Viel mehr als nur Blech: „Canadian Brass“ verzaubern Zuhörer in der Balinger Stadthalle

© Ulrike Zimmernmann

Die fünf smarten Herren von „Canadian Brass“ starteten beschwingt in ihr Jubiläumsjahr.

Die fünf smarten Herren von „Canadian Brass“ starteten am Freitagabend in der Stadthalle Balingen beschwingt in ihr Jubiläumsjahr und verzauberten mit „Best of 50 years“ den ganzen Saal mit der funkelnden Präzision ihres Zusammenspiels voller Originalität und Raffinesse.

Sie ziehen wie immer im Gänsemarsch ein wie eine Straßenband in New Orleans und brennen schon mal ein kleines Feuerwerk ab, bevor alle Musiker auf der Bühne stehen.

Ein Hochgenuss

Wer einmal „Canadian Brass“ live erlebt hat, wird kaum wieder ein Konzert verpassen wollen, denn dann weiß man: Dieser Abend wird ein musikalischer Hochgenuss von der ersten Minute bis zum Schlussapplaus, von barocker Pracht bis zur modernen Unterhaltungsmusik.

Die Blechbläser wagen sich an jedes Genre und beweisen mit Entertainment und Virtuosität, dass Brass viel mehr als „nur“ Blech ist.

Unbändige Spielfreude

Mit Schalk im Nacken, Charme in den Augen und unbändiger Freude am Spielen präsentierten Trompeter Caleb Hudson und Brandon Ridenour, Hornist Jeff Nelsen, Posaunist Achilles Liarmakopoulos und Chuck Daellenbach mit der Tuba einen erstklassischen Musikcocktail in der fast ausverkauften Stadthalle, den es in dieser Zusammenstellung wohl eher selten in einem Konzert zu hören gibt.

Schon bei Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ flogen ihnen die Herzen zu. Das zarte Vogelgezwitscher der Piccoloflöte endete im dunklen Winter im f-Moll. Klassik und Blech gehen bei Canadian Brass eine perfekte Synthese ein, Expressivität trifft auf rhythmischen Drive.

In Bachs Toccata und Fuge in d-Moll spornen sich Brandon Ridenour und Caleb Hudson in den Toccaten immer wieder an, während die Fuge von der Posaune dominiert wird.

Ausflug in die Welt des Jazz

Mit der einprägsamen Melodie des russischen Ohrwurms, dem Walzer Nr. 2 von Dmitri Schostakowitsch, schlugen die Musiker schon den Bogen zur Modernen und mitten hinein in die Roaring Twenties, als Jazz und Ragtime die Welt eroberten.

Chuck Daellenbach, Gründungsmitglied des längst mehrfach verjüngten Blechbläserensembles und inzwischen 73 Jahre alt, lieferte mit Luther Hendersons „Tuba Tiger Rag“ ein unglaubliches Spektakel auf der Bühne und bewies, dass er seine Tuba auch kopfüber spielen kann.

Es gibt Gänsehaus-Momente

Bravo-Rufe, begeisternde Pfiffe und ein staunendes Publikum. Super crazy kommt nach der Pause der Lieblingssong des Amerikaners David Longstreth „Right Now“ daher und für Gänsehaut-Momente sorgte Samuel Barbers „Adagio for Strings“, der Soundtreck aus dem Antikriegsfilm „Platoon“.

Es gibt auch Schatten

Eines ihrer größten Erfolge war das Album „All you need ist Brass“, auf dem sie die Songs der Beatles covern und ihnen ein völlig neues Gewand anziehen. Wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten. Das eigenwillige Arrangement von „Yesterday“ gehörte sicher nicht zu den Highlights des Konzerts, auch wenn die Zuhörer bereitwillig einstimmten.

Ganz anders dagegen das perfekte Trompetensolo in „Penny Lane“, an dem selbst Lennon und McCartney ihre Freude gehabt hätten. Das musikalische Finale endete in der Renaissance-Ära Venedigs, wo jedes Jahr vor Ostern seit 1296 der historische „Karneval von Venedig“ gefeiert wird.

Die Trompeter brillieren

Tausende von kunstvoll verzierten Kostümen und fantasievolle Masken lassen die farbenreiche Instrumentation mit Glanz und Gloria vor dem inneren Auge vorüberziehen, nicht zuletzt durch die beiden Trompeter, die ihrer Zunge und den Fingern Höchstleistungen abverlangten.

Damit endete zwar das offizielle Programm, aber die begeisterten Zuhörer waren noch lange nicht bereit nach Hause zu gehen.

Erst nach vier Zugaben ist Schluss

Und so setzte Canadian Brass voller Spielfreunde noch einen oben auf: Luther Henderson führte Händels „Hallelujah“ und den Gospel „When the Saints go marching in“ zusammen und die Bläser servierten als Abschluss diese wunderbare Komposition aus Barock und Hot Jazz.

Aber nein! Das Klatschen wurde laut und lauter. Erst nach vier Zugaben ging endgültig das Licht aus.

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