Meßstetten

Unsere Demokratie und ihre Feinde: Podiumsdiskussion im Rahmen des 5. Meßstetter Bürgerempfangs

05.06.2023

Von Milijana Magarewitsch

Unsere Demokratie und ihre Feinde: Podiumsdiskussion im Rahmen des 5. Meßstetter Bürgerempfangs

© Stadt Meßstetten/Volker Bitzer

Jörg Max Fröhlich führte durch die abendfüllende Diskussionsrunde.

Der 5. Bürgerempfang der Stadt Meßstetten am vergangenen Freitag war nicht nur durch launige und honorige Worte und Momente geprägt. „Unsere Demokratie und ihre Feinde“ lautete das ernste Thema der Podiumsdiskussion, die sich zum einen mit der genauen Definition der Staatsform, aber auch mit den Privilegien als auch Pflichten dieser beschäftigte. Wie wirken sich vorherrschende (geo-)politische Geschehnisse wie der Ukraine-Krieg, das fehlende Demokratieverständnis sogenannter Reichsbürger und das Handeln der Klimaaktivisten auf unsere gemeinschaftliche Freiheit aus? Und ist diese vielleicht sogar akut bedroht?

Professor Doktor Malte Graßhof, Präsident des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Professor Doktor multiplex Roland Benedikter, Politikwissenschaftler und Soziologe mit UNESCO-Lehrstuhl, sowie Professor Doktor Volker Schneider, der als Lehrstuhlinhaber an der Uni Konstanz Demokratie- und Staatstheorie unterrichtete, konnten als Kenner der Materie für die spannende Expertenrunde gewonnen werden.

Die Moderation übernahm Jörg Max Fröhlich, Lehrbeauftragter, freier Journalist sowie selbständiger Kommunikations- und Politikberater mit Wohnsitz in Meßstetten.

Demokratie, Freiheit und Verantwortung

Den Einstieg in das gemeinsame Gespräch bildeten Querverweise auf Denker und Politiker der vergangenen Jahrhunderte bis hin zur Neuzeit. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde, der als Einstein des Staatsrechts bezeichnet wird, prägte in seinem Eckenförde-Diktum, dass der freiheitliche, säkulare Staat von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, lebt.

Ergo: Ein Staat könne nur dann vollumfänglich funktionieren, wenn ihn die Mehrheit seiner Bürger auch annimmt. Demokratie, Freiheit und Verantwortung standen für den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt in enger Kohärenz zueinander und für den einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker müssen alle Verantwortung für das große Ganze tragen.

Der Typus des Querdenkers offenbare sich, laut den beiden Basler Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, nach einem lebensenttäuschenden Ereignis. Die übersteigerte Vorstellung von individueller Autonomie gipfele in Aggression, Destruktivität und Aberglauben. Während der Corona-Pandemie sei dies besonders deutlich geworden.

„Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren“: Persönliche Demokratie-Leitlinie des Philosophen Sir Karl Raimund Popper. Diskutant Volker Schneider brachte aufs Tapet, dass „Demokratie nicht gleich Demokratie“ sei.

Offiziell seien 76 Staaten als demokratisch gelistet, aber nur 22 davon hätten die Demokratie als vollständige Regierungsform inne. Am Beispiel der Vereinigten Staaten zeigte Schneider auf, wie unterschiedlich die Gewaltenteilung sein kann.

Die States, also die einzelnen Bundesstaaten, hätten sich nach der Pandemie radikalisiert und jedes würde sein eigenes Süppchen kochen.

Fröhlich richtete seine nächste Frage zu den Aktivitäten der Letzten Generation an alle drei Teilnehmer. „CDU/CSU-Politiker Alexander Dobrindt hat die Mitglieder der Gruppierung als Klima-RAF bezeichnet“, so Fröhlich. Dazu äußerte sich Malte Graßhof mit den Worten, dass eine Gesellschaft auch Streit und Auseinandersetzung, natürlich ohne Gewalt, benötigen würde.

Rechtsbruch und Rechtsdruck

So müsse man für jegliche Anliegen erst einmal Aufmerksamkeit erzeugen. Dabei sei es ein beliebtes Mittel, durch einen „Rechtsbruch“ und „Rechtsdruck“ Aufmerksamkeit zu erlangen. Natürlich gäbe es hier massive Unterschiede. „Das Recht ist weit“. Ein breites Spannungsfeld von „über eine rote Ampel gehen“ bis hin zu Mord. Natürlich höre die Freiheit des Einzelnen beim Rechtsbruch auf, aber in einem demokratischen Rechtssystem gelte auch die Verhältnismäßigkeit bei der potenziellen Ahndung.

Roland Benedikter versuchte die Ideologie hinter dem Klimaaktivismus zu erklären. Es sei ein wenig so zu verstehen, wie wenn ein vollbesetztes Flugzeug direkt auf eine Wand zufliege und die Piloten nichts täten dagegen. Man müsse also die Piloten töten, um das Leben der Passagiere zu retten. „Es handelt sich nicht um Demonstrationen, sondern um Systemschädigungen, die da begangen werden.“

Annähernd 40 Prozent der Weltbevölkerung lebe in einer Diktatur, so Fröhlich weiter. Wohin führe also auch der russische Angriffskrieg? Benedikter verdeutlichte, dass China mit einer globalen Sicherheitsinitiative im Schulterschluss mit Russland neue Spielregeln für Sicherheit in der Welt zu schaffen versuche.

Entwicklungspläne für Südamerika, eine zweite Weltbank: Ideen für Länder, die offen für eine neue Weltordnung abseits der westlichen Welt seien. Zur Freiheit gehöre aber auch Verantwortung.

Wie sehen also die Feinde Demokratie aus? Dazu Fröhlich: „Beim Menschen handelt es sich um ein reflektierendes Wesen, das nachdenkt, bevor es etwas tut. Freiheit und Verantwortung gehören deshalb zusammen, weil die Freiheit nie grenzenlos ist.“

„Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt“, habe der Philosoph Immanuel Kant einmal gesagt. Der Dichter Matthias Claudius formuliere es wie folgt: „Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet.“

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