Geislingen

„Unmenschlich“: Tiagos Eltern betrachten Verlosung der Millionenspritze mit Zwiespalt

20.12.2019

Von Rosalinde Conzelmann

„Unmenschlich“: Tiagos Eltern betrachten Verlosung der Millionenspritze mit Zwiespalt

© Rosalinde Conzelmann

Der kleine Tiago bekommt von dem Gezerre um die Millionenspritze nichts mit. Für seine Eltern aber ist es emotional ein ständiges Auf und Ab.

Die Nachricht macht wie ein Lauffeuer die Runde: Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will sein „Millionenmedikament“ Zolgensma an weltweit 100 Kinder verlosen. Natürlich haben Tiagos Eltern, die für eine Behandlung ihres Sohnes mit der teuersten Spritze der Welt kämpfen, die Nachricht schon gehört, sehen dieses „Lotteriespiel“ aber sehr kritisch.

Jens Hafner ist ein sehr ruhiger und bedächtiger Mensch. Als ihm am Freitag Freunde von dem neuesten Novartis-Coup berichtet haben, hat er erstmal sein Telefon zur Seite gelegt, um nachzudenken.

Unmenschlich und ethisch fragwürdig

„Innerlich hat es mich aber aufgewühlt“, sagt der 36-Jährige, der sich dann weitere Informationen eingeholt und mit seiner Lebenspartnerin Stephanie de Freitas darüber geredet hat.

Ihre erste Reaktion: „Das ist unmenschlich und ethisch fragwürdig.“ Auf der einen Seite freue es einem natürlich, dass Kinderleben gerettet würden, auf der anderen Seite sei das Verfahren unethisch.

Die beiden haben sich dann auch mit ihrem Anwalt Johannes Kaiser besprochen, der ihre Meinung teilte und nur eine positiven Aspekt sieht: „Das so wenigstens 100 Kindern geholfen wird.“ Doch auch er betrachtet das Verfahren mit Zwiespalt.

Nicht für alle Kinder?

Zumal es einen ganz großen Haken an der Geschichte gibt: Novartis hält sich offen, ob Kinder aus Deutschland profitieren könnten. Wie die Tageschau aktuell berichtet, teilte der Pharmakonzern auf Anfrage von NDR und WDR mit, „dass alle Kinder, die davon profitieren können, weltweit die gleichen Möglichkeiten erhalten sollen, eine Therapie zu bekommen“.

Gleichzeitig habe Novartis aber auch betont, dass sich das Programm vor allem an Patienten richtet, die sonst keinen Zugang zu einer SMA-Therapie haben. Man werde prüfen, inwieweit Patienten in Deutschland Zugang zu dem weltweiten Programm ermöglicht werden könne.

Tiago wird schon behandelt

Tiago hat Zugang zu einer Therapie. Er wird, wie berichtet, mit dem Medikament Spinraza behandelt.

Zudem soll die Verlosung, die wohl ein externer Ethikrat moderiert, wie Novartis ankündigt, im Februar starten. Tiago hat nicht mehr so viel Zeit. Er sollte die Spritze im Januar bekommen.

Das alles ist Tiagos Eltern zu schwammig und einfach auch zu fragwürdig. „Ich zweifle sogar daran, dass die Verlosung kommt“, sagt Jens Hafner.

Deshalb werden er und seine Frau weiter ihren eigenen Weg gehen und gemeinsam mit ihrem Anwalt bei der Krankenkasse für eine Behandlung kämpfen und parallel Spenden sammeln. Diese sind jetzt wichtiger denn je.

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