Albstadt

Unglücklich formulierte Verordnung: Albstädter muss nach Corona-Anzeige kein Bußgeld zahlen

05.03.2021

Von Pascal Tonnemacher

Unglücklich formulierte Verordnung: Albstädter muss nach Corona-Anzeige kein Bußgeld zahlen

© Michael Würz

Die Corona-Verordnung mit Stand von Ende März 2020: Hier ist laut der Richterin eine unglückliche Formulierung enthalten.

Ein 31-Jähriger soll im April 2020 gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben. Vor Gericht stellte sich heraus, dass die damals gültige Corona-Verordnung noch „unglücklich formuliert“ war und in seinem Fall Beweise fehlten. Schließlich musste der Albstädter das verhängte Bußgeld von 200 Euro nicht bezahlen.

Sein Leid klagen will ein 31-Jähriger vor dem Amtsgericht Albstadt nicht. Auch wenn die Coronakrise für ihn – wie für so viele – zu einer persönlichen Krise geworden ist.

„Wegen Corona“ habe er im Frühjahr vergangenen Jahres seinen Job verloren. Dringend benötigtes Geld bekam der Ebinger von Freunden, die ihm an einem Mittag im April 2020 vor seiner Wohnung auf dem Gehweg besuchten.

Bereitschaftspolizei kontrollierte in Albstadt

„Nur für maximal fünf Minuten“ seien sie dort gestanden, gibt er nach einigen Nachfragen zu. Zwischendurch sei er auch noch mal in der Wohnung gewesen.

Die Geschichte verlief dann unglücklich für ihn, könnte man sagen. Denn Beamte der Bereitschaftspolizei aus Göppingen waren just an diesem Tag in Albstadt unterwegs, um systematisch Verstöße gegen die Corona-Verordnung zu ahnden.

Teure fünf Minuten auf dem Gehweg

Nach diesen fünf Minuten gingen die Beamten auf die drei Männer wegen des mutmaßlichen Fehlverhaltens zu. So steht es in der Akte, aus der die Richterin zitierte. Schlussendlich flatterte ein Bußgeldbescheid über 200 Euro in den Briefkasten des Mannes.

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Was Corona-Verstöße kosten können und konnten

Im April 2020 galt noch eine alte Fassung des Bußgeldkatalogs. Der entsprechende Verstoß, der nun am Amtsgericht verhandelt wurde, sah einen Bußgeldrahmen von 100 Euro bis 1000 Euro vor. Damals mussten beispielsweise Veranstalter bei Nichteinhaltung der Auflagen zum Schutz vor Infektionen 500 bis 1500 Euro zahlen. Das höchste Bußgeld gab es beim Betrieb bestimmter Einrichtungen: Hier forderte das Gesetz bis zu 10.000 Euro.

Aktuell werden bei Nichteinhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Raum 50 Euro bis 250 Euro, im Regelfall 70 Euro, fällig. Besonders teuer ist nach aktueller Gesetzeslage beispielsweise der Betrieb eines Clubs oder einer Diskothek. Hier droht dem Betreiber ein Bußgeld von 2500 Euro bis 10.000 Euro, im Regelfall 4000 Euro.

So ganz genau wusste und weiß er nicht über die Corona-Regeln Bescheid, sonst hätte er sich das Geld überweisen lassen, sagt er heute. Bezahlen könnte er das Bußgeld für die paar Minuten an der frischen Luft nicht, so seine Meinung. Er legte deshalb Einspruch ein, so dass diese Ordnungswidrigkeit nach pandemiebedingter Verlegung fast ein Jahr später vor Gericht verhandelt wurde.

Polizeizeuge fällt aus

Bei einem ersten Termin fällte die Richterin aber noch kein Urteil. Der einzige Zeuge, ein Polizist, konnte nicht kommen.

Und das ist problematisch. Denn für die Richterin lag der Knackpunkt in der „etwas unglücklichen Formulierung“ in der im April 2020 noch gültigen Fassung der Corona-Verordnung: „Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet. Zu anderen Personen ist im öffentlichen Raum, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten.“

Zweifel am Mindestabstand

Zu viele Personen standen zweifelsfrei beieinander, das gibt der Betroffene zu – doch wie sieht es mit dem Mindestabstand aus? Der müsse für eine Verurteilung ebenfalls nicht eingehalten worden sein.

Ohne den Zeugen der Polizei blieb fraglich, wer und was genau gemeint ist, wenn in der Polizeiakte steht, dass die Abstandsregeln nicht konsequent eingehalten worden seien.

Fragen über Fragen bleiben offen

Stand die Gruppe nun wirklich fünf Minuten lang zusammen, wenn ja, wie eng? War nur der Betroffene, der nun vor Gericht steht, augenscheinlich zu nah bei seinen Kumpels – oder war der Abstand zwischen diesen nur zu klein, als sie gegen die Motorhaube ihres Autos lehnten?

Der Polizeizeuge fiel auch beim zweiten Termin krankheitsbedingt aus. Glück für den Betroffenen: Beim rein informatorischen Telefonat mit der Richterin sagte der Zeuge, er erinnere sich zwar noch an den Fall.

Abstand nicht gemessen

Doch den Abstand hätte man nicht gemessen. Er hätte aber den Eindruck gehabt, die Männer stünden zusammen „wie vor Corona“. Nicht gesichert sei, wer den Abstand zu wem nicht eingehalten hätte. Augenscheinlich hätten die Männer zwei Armlängen auseinander gestanden. „Da fehlt bei Männern nicht viel zu den 1,5 Metern“, sagt die Richterin.

Für sie war deshalb fraglich, ob die Aussage des Polizisten bei einem neuerlichen Termin zu einer Verurteilung hätte führen können und die Anreise aus Göppingen deshalb sinnvoll gewesen wäre.

Mann kommt ums Bußgeld herum

Die Richterin bot dem Betroffenen deshalb an, das Verfahren einzustellen, da sie die Ahndung für nicht geboten hielt. Dieses Angebot nahm der Mann an. Freigesprochen ist er damit nicht, doch ihm bleiben die 200 Euro Bußgeld erspart, die Gerichtskosten übernimmt die Staatskasse.

Für andere soll und kann dieser Fall aber nicht als Freifahrtschein verstanden werden, betonte die Richterin. Die Corona-Verordnung war im Herbst nämlich entsprechend angepasst worden.

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