Unermüdlich gegen Antisemitismus: Der Balinger Karl-Hermann Blickle ist verstorben

Von Hasan Dadelen

Der Wahl-Balinger Karl-Hermann Blickle war Unternehmer, engagierte sich zugleich aber auch seit Jahrzehnten für die internationale Entwicklungshilfe und den interreligiösen Dialog. Er versuchte zeitlebens, die Shoah-Erinnerungs- und Gedenkkultur bei den Menschen nachhaltig bewusst zu machen. Mit seinen Projekten leistete Karl-Hermann Blickle einen bedeutenden Beitrag für einen friedlichen und respektvollen Dialog über die Grenzen der Religionen, Kulturen und Nationen hinweg. Ein Nachruf.

Unermüdlich gegen Antisemitismus: Der Balinger Karl-Hermann Blickle ist verstorben

Karl-Hermann Blickle ist im Alter von 72 Jahren gestorben.

Der aus Rosenfeld stammende Diplomvolkswirt und Unternehmer Karl-Hermann Blickle war zugleich in der internationalen Entwicklungshilfe sowie im interreligiösen Dialog engagiert. Zu seinen Gründungen gehörten die Stiftung Stuttgarter Lehrhaus für interreligiösen Dialog, die „S.H.A.R.E“-Stiftung für Mikrofinanz, Fairen Handel und Friedensförderung sowie das „Ohr Torah Stone’s Blickle Institute for Interfaith Dialogue“ in Efrat/Israel.

Im Deutschen Netzwerk für Wirtschaftsethik engagierte er sich für soziale Verhaltenskodizes von Unternehmen bei der Produktion in Entwicklungsländern. Schon von 1971 bis 1973, also nur wenige Jahre nach dem Sechstagekrieg in 1967, arbeitete er als Entwicklungshelfer in Israel und der Westbank und setzte sich seither für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern ein.

Er war Unterstützer der Genfer Initiative, des einzigen Modellabkommens für eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung und war sowohl innerhalb der israelischen als auch der palästinensischen Gesellschaft sehr gut vernetzt. Dadurch war er in der Lage, Positionen beider Seiten zu hören, einzuschätzen und damit zu einem umfassenden Verständnis des Konflikts und zu potenziellen Lösungsmöglichkeiten beizutragen. Hierfür wurde ihm 2007 die Otto-Hirsch-Auszeichnung der Landeshauptstadt Stuttgart verliehen.

Er prangerte zeitlebens Geschichtsvergessenheit an

Karl-Hermann Blickle setzte sich zeitlebens unermüdlich gegen Antisemitismus ein. Er prangerte Geschichtsvergessenheit in Deutschland an und versuchte die Shoah-Erinnerungs- und Gedenkkultur bei den Menschen nachhaltig bewusst zu machen. Deshalb beteiligte sich Karl-Hermann Blickle gemeinsam mit zahlreichen Wegbegleitern an der Restaurierung der Alten Synagogen in Hechingen. Dort engagierte er sich jahrzehntelang im jüdisch-christlichen Dialog. Sein Engagement umfasste auch Projekte der Friedens- und Entwicklungshilfe in Afrika. Mit der „S.H.A.R.E“-Stiftung unterstützte er Nothilfe für Binnenflüchtlinge, die vor der grausamen Gewalt der Terror-Organisation Boko Haram aus ihrer Heimat, dem Norden Nigerias, flüchten mussten.

Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog

Gemeinsam mit seiner Frau Lisbeth und dem langjährigen Freund Meinhard Tenné gründete er 2010 die Stiftung Stuttgarter Lehrhaus für interreligiösen Dialog, deren Ziel es ist, den interreligiösen Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen zu fördern. Die Stiftung organisiert interreligiöse Veranstaltungen in ganz Deutschland, im deutschsprachigen Raum und in Israel.

Karl-Hermann Blickle sah schon sehr früh die Notwendigkeit des interreligiösen Gesprächs zwischen den Anhängerinnen und Anhängern der Abrahamitischen Religionen. Durch eigene Studien, Reisen nach Afrika und in den Nahen Osten sowie durch Begegnungen mit Menschen verschiedener Konfessionen drängte sich ihm die Frage nach Gemeinsamkeiten innerhalb der Religionen immer mehr auf. Dieses Thema begleitete und beschäftigte ihn bis zu seinem Tod.

Vision hat ihren Ursprung vor fünf Jahrzehnten

„Der interreligiöse Dialog in Deutschland verändert sich. Heute stehen nicht mehr religiöse Dogmen und Glaubensunterschiede im Mittelpunkt des Gesprächs zwischen Juden, Christen und Muslimen, sondern vielmehr der Austausch über Gemeinsamkeiten in den jeweiligen Glaubens- und Lebenswelten.“ Mit diesen Sätzen umriss Karl-Hermann Blickle die Programmatik seiner Vision für den interreligiösen Dialog, die vor fünf Jahrzehnten mit seiner Frau Lisbeth in Israel seinen Anfang nahm und die er in Begegnungen, Veranstaltungen und Projekten vorantrieb. Mit dem Ziel, diese Vision auch bundesweit neu bewusst zu machen und Wege zu ihrer Umsetzung in unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft aufzuzeigen, wirkte er im Jahre 2016 als Mitstifter bei der Gründung der Stiftung House of One in Berlin mit.

Gründung eines Bildungsnetzwerks in Israel

Kurz vor seinem Tod gründetet Karl-Hermann Blickle am 26. Oktober 2020 gemeinsam mit Rabbi Katriel Brander, Präsident und Rosh HaYeshiva des jüdischen modern-orthodoxen Bildungsnetzwerks „Ohr Torah Stone/Das Licht der Torah“, in Israel das „Ohr Torah Stone’s Blickle Institute for Interfaith Dialogue“. Es will durch die Vermittlung von qualifiziertem interreligiösen Fachwissen zum Islam und Christentum an religiös-fromme Schülerinnen und Schüler, Rabbiner, Gemeindevorsteherinnen und jüdische Multiplikatoren einen für Israel friedenstiftenden interreligiösen Dialog fördern.

Mit all diesen Projekten leistete Karl-Hermann Blickle einen bedeutenden Beitrag für einen friedlichen und respektvollen interreligiösen Dialog über die Grenzen der Religionen, Kulturen und Nationen hinweg.

Am 25. Juli ist Karl-Hermann Blickle im Alter von 72 Jahren verstorben.