Theatersport in der Balinger Stadthalle lindert den Fußball-WM-Schmerz erheblich

Von Klaus Irion

Theatersport ist Kult. Theatersport ist Improvisation auf allerhöchstem Niveau: In der Balinger Stadthalle stellte dies das Tübinger Theater Harlekin zum wiederholten Mal unter Beweis. Das Publikum war entsprechend begeistert. Wer aber hatte am Ende die Nase vorn? Der TSC Fortuna Faust oder die Coole Rampe?

Theatersport in der Balinger Stadthalle lindert den Fußball-WM-Schmerz erheblich

Improvisationstheater auf höchstem Niveau: Theatersport aus Tübingen.

Wohl dem, der dieser Tage kein Fußballfan ist. Alle jenen bleibt die landauf, landab heiß diskutierte WM-gucken-oder-nicht-Frage erspart. Mal ganz abgesehen von der moralischen Pein, die auch den Verfasser dieses Artikels und Fußballliebhaber mehr und mehr erfasst, je näher das Ereignis rückt.

Kultureller Ersatz fürs Fußballsofa

Was in den kommenden vier Wochen womöglich hilft – ein kulturelles Ersatzprogramm. Wenn es dann auch noch ein sportkulturelles ist, um so besser. Das Auftaktmatch schien verheißungsvoll. Und was soll ich sagen: Der theatersportliche Vergleich hielt, was er im Vorfeld versprochen hatte. TSC Fortuna Faust gegen Coole Rampe. Was für ein Duell, was für eine Dramatik im gut gefüllten großen Saal der Balinger Stadthalle.

Schon bei der offiziellen Wimpelübergabe und erst recht bei der Hymne war das hierfür stehende Publikum vor Ergriffenheit den Tränen nahe. Gewohnt souverän und lässig leitete Schiri Volker Quandt die Partie. Kein Wunder, tut er dies doch bereits seit 32 Jahren. Das Duell in Balingen war dann auch das, nach seinen Angaben, 1711. zwischen Team blau (TSC Fortuna Faust) und Team rot (Coole Rampe).

Zur Halbzeit ausgeglichen

Die Coole-Rampe-Truppe legte zunächst einen fulminant musikalischen Sturmlauf hin, ging nach Publikumsabstimmung auch mehr als verdient in Führung. Holte sich gar durch ein wundervoll gruseliges Liebeslied – interpretiert von der „Frau mit der goldenen Hand“ – noch Zusatzpunkte. Doch die blauen Fäuste schlugen rezitierend und singend zurück. Zur Halbzeit jedenfalls war das Endergebnis des Improvisationstheater-Feuerwerks noch völlig offen.

Klamauksport auf allerhöchstem Niveau wurde auch nach dem Seitenwechsel geboten. Sprechen, singen, oder beides auf einmal, besser bekannt als Rap:

Die Improvisationen glichen allesamt gut durchdachten Spielzügen, tausendfach trainiert und einstudiert. Dabei waren sie ja genau das eben nicht. Hut ab vor den improvisierenden Schauspielern, die den Fans in der Stadthalle auch noch eine kleine feine Verlängerung gönnten. Obwohl diese, nach dem letztlich doch noch relativ deutlichen Sieg für den TSC Fortuna Faust – rein ballsporttechnisch betrachtet – gar nicht angesagt gewesen wäre.

Den Schmerz lindern

Mit solch kulturellen Perlen, die es bis Weihnachten, sprich bis zum Ende der WM, allerorten in größerer Zahl gibt, lässt sich der Fußballfan-WM-Schmerz in höchstem Maße lindern. Gänzlich heilen bei mir aber wohl nicht. Dafür ist Fußball allen homophoben Emiren und eiskalten Infantinos dieser Welt zum Trotz eben für mich noch immer die schönste Nebensache der Welt. Abgesehen von einem Abend mit Theatersport.