FUSSBALL

TSG Balingen in der Regionalliga-Sommerpause: Stück für Stück gegen die Lücke

21.06.2021

Von Marcel Schlegel

TSG Balingen in der Regionalliga-Sommerpause: Stück für Stück gegen die Lücke

© Sören Herl

Die TSG Balingen feierte ihren Klassenerhalt. Aber wie lange noch?

Als Amateurmannschaft in der Fußball-Regionalliga Südwest kämpft die TSG Balingen mit hausgemachten Nachteilen. Und grübelt darüber, wie man diese auf Dauer wettmachen könnte.

Wer wie die TSG Balingen eine Amateurelf in eine semi-professionelle Spielklasse wie die Fußball-Regionalliga Südwest schickt, der geht immer ein Wagnis ein. Denn ein solcher Klub muss in jeder Saison damit rechnen, dass die Lücke, die in finanzieller, organisatorischer und schlussendlich sportlicher Hinsicht zu den Profivereinen klafft, schließlich doch so groß wird, dass sie die kleinen Vereine verschlingt. Kurz: Der muss immer auch mit dem Abstieg planen.

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Doch an der Naht zwischen Amateurbereich, der ab der Oberliga beginnt, und der primär professionellen Sphäre darüber wiegt ein Abstieg für einen Amateurverein doppelt schwer, weil mit diesem vieles Reizvolle an ihm verschwindet. Gerade für junge Fußballer, die noch von der Profikarriere träumen, ist die 4. Liga eine lukrative Bühne. So lukrativ, dass sie den Amateurstatus in Kauf nehmen, um diesen nach ein paar Spielzeiten bei der TSG bei einem anderen Verein vielleicht doch gegen den Profistatus zu tauschen.

Talente kommen wegen der Liga

Für den selbsternannten Ausbildungsverein aus dem Zollernalbkreis beginnt hier die Herausforderung: Riskiert man zu wenig, steigt man ab und kehrt so schnell nicht zwangsläufig zurück. Denn als Oberligist lässt sich in Balingen mit Gehalt, Infrastruktur und Standort kaum werben. Kaum vorstellbar, dass Youngster, die in Nachwuchsleistungszentren von Bundesligisten ausgebildet wurden, dann auch weiter zur TSG kämen. Läuft es also schlecht, läuft man Gefahr, dass einem die Spieler weglaufen und neue Fußballer sich gleich für andere Klubs entscheiden. Schmerzlich erfahren muss das derzeit Balingens bisheriger Ligarivale FC Bayern Alzenau, den nach dem Abstieg sage und schreibe 28 Spieler und der Trainer verlassen. Alles steht und fällt also mit dem sportlichen Erfolg und der wäre nur dann teilweise planbar, wenn die Schwaben ihren Etat derart aufstocken könnten, dass sie zumindest annähernd mit den Profivereinen konkurrieren könnten – das aber ist nicht in Sicht.

Die Verantwortlichen der TSG, die ab Mitte Juli ihre vierte Saison in der 4. Liga in Angriff nimmt, sehen in ihrem Status keine Zwickmühle, nicht mal eine unbequeme Situation. „Wir betrachten es als Privileg, in der Regionalliga spielen zu dürfen“, sagt Geschäftsführer Jan Lindenmair, einer der wenigen hauptamtlich Angestellten im Verein. Außerdem habe die Zughörigkeit zu einer semi-professionellen Liga fast zwangsläufig den Nebeneffekt, dass man auch selbst professioneller werden müsse, meint der Stuttgarter. „Wir haben uns enorm weiterentwickelt. Und nur, weil wir berufstätige statt Berufsfußballer beschäftigen und abseits des Spielfelds vorwiegend auf Ehrenamtliche setzen, heißt das nicht, dass wir nicht professionell arbeiten.“ Aber zwangsläufig langsamer.

Auch Lindenmair kennt die Nachteile des „dualen Modells“, wie er den Balinger Weg beschreibt, den Spielern statt dem großen Geld immerhin berufliche Perspektiven bei Sponsoren bieten zu können. „Wir werden diesen Weg aufgrund unserer wirtschaftlichen Bedingungen nicht verlassen können“, sagt der TSG-Manager. „Also wollen wir versuchen, uns innerhalb des dualen Modells zu verbessern und so die Lücke zu den Profiklubs zu verkleinern.“

Mehr Geld und mehr Zeit täten gut

Bleibt die Frage: Wie? Lindenmair antwortet, dass schon viel geholfen wäre, wären die Spieler beruflich weniger eingespannt. „Der größte Nachteil, den wir sportlich haben, ist die zeitliche Verfügbarkeit unserer Spieler.“ Nur die Hälfte der Trainingseinheiten, weniger Regeneration als die Konkurrenz bedeuten zusätzliche konditionelle wie taktische Defizite, die nur durch Teamgeist, Motivation und Bereitschaft kompensiert werden können. Nur: nicht auf Dauer.

„Wir arbeiten an Modellen, wie wir unsere Spieler so finanziell entlasten können, dass sie vielleicht nur Teilzeit arbeiten müssen und trotzdem keine Nachteile haben“, erklärt Lindenmair. Doch auch dazu dürfte die TSG mehr Budget brauchen. Sammelt sie dieses bei Sponsoren ein, könnte das Modell langfristig aufgehen, weil die Balinger externen Nachwuchsspielern dann einen ambitionierten und gleichsam bequemen Weg bieten würden, Quasi-Profifußball und berufliche Vorsorge zu verbinden.

Mit jedem weiteren Jahr, das sich die TSG in der Regionalliga hält, steigen die Chancen darauf, dass sich der Verein auch langfristig in der 4. Liga etabliert. Aber schon ein Abstieg könnte ausreichen, die Entwicklung um Jahre zurückzudrehen. „Ob unser Weg funktionieren kann?“, fragt Lindenmair rhetorisch. „In dieser Hinsicht sind wir ein lebendes Experiment.“

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