Sturm überm Schömberger Stausee: Badegäste sind künftig unerwünscht

Von Daniel Seeburger

Badegäste sind am Schömberger Stausee plötzlich nicht mehr so gerne gesehen. Schuld daran ist ein Urteil des Bundesgerichtshof (BGH), das die Kommunen bei Badeunfällen in Haftung nimmt. Nur wenn sie alles, was zum Baden einlädt, entfernen, sind die Gemeinden nicht mehr gefordert. Was aber ist mit den touristischen Einrichtungen, die von den Stauseegästen abhängig sind?

Sturm überm Schömberger Stausee: Badegäste sind künftig unerwünscht

Ulrike Netzer betreibt den Bootsverleih am Stausee. Auf einem Schild wird darauf hingewiesen, dass an dieser Stelle Baden verboten ist.

Das Urteil wurde vom BGH zwar schon Ende 2017 gefällt, aber erst im Spätsommer 2019 traten die Auswirkungen in die Köpfe der Betroffenen. Für Schömberg bedeutet das, dass alle Einrichtungen, die zum Baden einladen, entfernt werden müssen. Es sei denn man stellt einen Rettungsschwimmer an, der das Gewässer beaufsichtigt. Das hat der Gemeinderat abgelehnt.

Christian Erhardt, Chefredakteur der Fachpublikation Kommunal, fasste im Artikel „Kommunen müssen Badestellen sperren - Schuld ist ein Gerichtsurteil!“ die Auswirkungen auf die Gemeinden zusammen.

Der „Kommunale Schadenausgleich“ (KSA), eine Haftpflichtversicherung für Kommunen, informierte die Gemeinden über die Auswirkungen des Urteils. Christian Erhardt fasste das Ergebnis, auf das der Versicherer kommt, zusammen. „Kommunen, die sichergehen wollen, dass sie nicht in der Aufsichtspflicht sind, bleibt nur, Stege von Badestellen zu entfernen oder den See zu sperren, bzw. Schwimmverbotschilder aufzustellen“, heißt es dort.

Stadt Schömberg prüft eine Begutachtung

Die Stadt Schömberg will die Angelegenheit gegebenenfalls begutachten lassen und lässt jetzt prüfen, wie gerichtsfest eine solche Untersuchung ist. Ein Gutachten mache der Verwaltung deutlich, „was noch sein darf an einer Badestelle und was nicht“, erklärte Schömbergs Bürgermeister Karl-Josef Sprenger am Mittwoch seinen Gemeinderäten.

Sicher ist jetzt schon, dass die Badeinsel nicht mehr in den See kommen wird, da es die Attraktivität als Badegewässer erhöht. Die Duschen werden geschlossen, der von der DLRG genutzte Steg gesperrt. Was noch schwerer wiegt: Das DLRG wird den Schwimmbetrieb nicht mehr überwachen und auch Rettungsgeräte werden entfernt. Damit sollen Strukturen beseitigt werden, die aus einem Gewässer einen Badesee machen.

Baden soll unattraktiv werden

Wenn auch das Baden am Stausee nicht verboten wird, so soll es doch unattraktiv gemacht werden. Der Rückzug der DLRG bringt den Schömberger Stadtrat Dieter Netzer, selbst ehemaliger Rettungsschwimmer und Wachgänger, auf die Palme. Er hat dem DLRG-Präsidenten Achim Haag und seinen Stellvertretern Hans-Hermann Höltje und Dr. Detlev Mohr einen Brief geschrieben und damit seiner Sorge, aber auch seiner Wut, Ausdruck verliehen.

„Ich vermisse hier schmerzlich den Aufschrei des großen Dachverbands DLRG Deutschland“, so Netzer. Man habe in Schömberg eine hoch motivierte und gut organisierte DLRG mit Stationen, Hilfsmitteln und Booten. „Und diese sollen nun nicht mehr Wache halten dürfen, weil ein fragwürdiger Gerichtsbeschluss die Haftung komplett auf die Kommunen abwälzt (...)?“

Was passiert mit dem Bootsverleih

Am Mittwochabend stellte sich auch die Frage nach dem seit rund 50 Jahren bestehenden Bootsverleih am Stausee. „Was machen wir“, so fragte Gemeinderätin Kerstin Kipp, „wenn das Gutachten den Bootsverleih in Frage stellt?“

„Mir wäre es wichtig, wenn mir ein Gutachter sagen würde, wie ich weitermachen kann“, sagt Ulrike Netzer, die den Bootsverleih seit sieben Jahren leitet. Sie hofft, dass ihr Betrieb nicht betroffen ist. Denn ihre Kunden seien ein komplett anderes Klientel, als die Badegäste, die nur sehr selten ein Boot bei ihr mieten. Gerade jetzt, bei warmem Wetter, kommen viele Bootlefahrer zu Ulrike Netzer – der rund 100 Meter entfernte Badestrand ist allerdings nur spärlich besucht, weil das Wasser noch sehr kalt ist.

Badebetrieb ist wichtig für den Campingplatz

Ulrike Netzers Fazit: „Ich kann auch gut ohne Badegäste leben.“ An den Bootssteg hat sie schon jetzt ein Schild angebracht, das das Baden an der Anlegestelle verbietet.

Etwas anders sieht die Situation beim Campingplatz aus, der oberhalb des Badestrands liegt. „Der Stausee ist sehr wichtig sowohl für unsere Dauercamper, als auch für die Kurzzeitgäste“, erklärt Heidi Burkhardt, Betreiberin der Anlage. Es gebe Gäste, die würden nur wegen des Sees kommen und konkret nachfragen, ob man dort auch baden könne. Einige der Camper hätten sogar eigene Schlauchboote mit im Gepäck.