Zollernalbkreis

Streit um Telefonnummer 116117: Kassenärztliche Vereinigung schießt gegen Balinger DRK-Leitstelle

27.03.2023

Von Janine Lehleiter

Streit um Telefonnummer 116117: Kassenärztliche Vereinigung schießt gegen Balinger DRK-Leitstelle

© Lea Irion

In der Integrierten Leitstelle (ILS) in Balingen werden alle Anrufe über die Notrufnummer 112 koordiniert. Seit geraumer Zeit läuft die Vermittlung des kassenärztlichen Notdiensts nicht mehr über sie, sondern wird über gebündelte Call-Center abgewickelt (Archivfoto).

Der Frust beim DRK Zollernalb ob der Problematik der ärztlichen Bereitschaftsdienst-Telefonnummer 116117 sitzt ohnehin schon tief genug. Nun attackiert die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) das DRK auch noch wegen des diesbezüglichen Beschwerdebriefs. Das wiederum lässt das DRK so nicht im Raum stehen. Wir haben den verbal eskalierenden Streit zusammengefasst.

Der Vorsitzende des DRK-Kreisverbands Zollernalb, Heiko Lebherz, hat kürzlich einen offiziellen Beschwerdebrief zum Zustand des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes verfasst, in dem er, kurz gesagt, die „schwere Erreichbarkeit der 116117“ bemängelte. Diese führe vor allem dazu, dass immer mehr Menschen die Notrufnummer 112 wählen, um Hilfe zu suchen, und deshalb die Integrierte Leitstelle (ILS) noch mehr ausgelastet sei als ohnehin schon.

Seine Beschwerde adressierte Heiko Lebherz an Dr. Ullrich Mohr, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Zollernalbkreis, sowie an Dr. Tomas Bethke, Pandemiebeauftragter des Landkreises Zollernalb. Nun meldete sich die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und daraufhin wieder das DRK Zollernalb zu Wort.

Unverständnis über indirekte Kontaktaufnahme

Die KVBW sei „verwundert über den Brief des DRK-Vorsitzenden aus dem Zollernalbkreis“, wie es im ersten Satz ihrer Stellungnahme heißt. Bis zum Tag ihrer Reaktion auf den Beschwerdebrief habe das Schreiben die zuständigen Stellen des KVBW nicht erreicht, obwohl diese bekannt seien. Auch dass das Rote Kreuz, vertreten durch Heiko Lebherz, nicht den direkten Kontakt zur KVBW gesucht habe, stoße auf Unverständnis. „Bisher war es eher üblich, dass man miteinander statt übereinander spricht“, so Kai Sonntag, Leiter der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der KVBW.

Scheinbar keine schwerwiegenden Beschwerden im Kreis

Der KVBW würden keine größeren Beschwerden aus dem Zollernalbkreis vorliegen. Deswegen äußert sie in ihrer Stellungnahme die Vermutung, dass das Problem entweder gar nicht so groß sei, wie im Beschwerdebrief behauptet, oder dass damit der Versuch seitens des DRKs angestellt werde, „eigene organisatorische Schwächen in seiner Leitstelle zu kaschieren“. Letzteres Argument wird in der Stellungnahme der KVBW mit dem Beispiel bekräftigt, das DRK habe schon bei konkreten Vorwürfen, die die Integrierte Leitstelle (ILS) zu „fraglichen Fehlvermittlungen“ äußerte, die „Datenrecherche und damit gelebtes Fehlermanagement schlichtweg verweigert“.

Probleme werden regelmäßig mitgeteilt

Dass aus dem Zollernalbkreis keine Beschwerden eingetroffen seien, revidiert der DRK-Kreisverband Zollernalb. So erläutert der DRK-Pressesprecher Dietmar Dieter: „Die Probleme werden unsererseits in regelmäßigen Abständen an den DRK-Landesverband gemeldet. Herr Siffringer, Sachbearbeiter beim Landesverband, hat uns am 21. Februar mitgeteilt, dass sämtliche Missstände an die KV weitergemeldet wurden.“

Diese Erhebung und Weiterleitung geschehe schon seit Monaten. Die Verantwortliche der KVBW sei bereits direkt kontaktiert worden und habe zudem bestätigt, dass sie die Liste des DRK-Landesverbandes erhalte.

Unerreichbar – trotz Prioritätennummer

Die KVBW verwies des Weiteren nochmals auf die priorisierte Telefonnummer. Diese erwähnte Heiko Lebherz in seinem Beschwerdebrief schon und führte aus, dass auch die ILS unter dieser Nummer niemanden von der Kassenärztlichen Vereinigung erreiche. Dies kommentierte die Kassenärztliche Vereinigung nun wie folgt: „Sie muss halt allen bekannt sein und von allen genutzt werden.“

Auf eigene Vermittlungsstruktur umgestellt

Im weiteren Verlauf der Stellungnahme erklärt der Pressesprecher der KVBW, Kai Sonntag, die Kassenärztliche Vereinigung habe „innerhalb der letzten zwei Jahre die Vermittlung der 116117 im Rahmen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes im ganzen Land Schritt für Schritt von den Rettungsleitstellen auf eine eigene Vermittlungsstruktur übertragen.“ Sie habe jedoch Verständnis für die Kritik an der Erreichbarkeit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sowie an der Qualität bezüglich der Vermittlung.

Hohe Belastung durch Pandemie

Die KVBW rechtfertigt sich hierzu wie folgt: „Seit der Pandemie haben sich die Anfragen bei der 116117 im ärztlichen Bereitschaftsdienst sprunghaft erhöht.“ Das habe – wie bei allen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens – „auch zu einer hohen Belastung bei der 116 117 und damit verbunden teilweise langen Wartezeiten“ geführt.

Keine Sprechstunde oder Beratungshotline

In diesem Zuge stellt die Kassenärztliche Vereinigung auch nochmals klar, dass die 116117 „eigentlich vornehmlich für die Vermittlung und Disposition von medizinisch erforderlichen Hausbesuchen gedacht“ sei, nicht aber als „verlängerte Sprechstunde“ oder „medizinische Beratungshotline“ missbraucht werden solle. Dafür seien Notfallpraxen da.

Besserung in Sicht

Schlussendlich habe die KVBW schon zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Fehlstellen, über die sie sich selbst bewusst seien, zu verbessern, sprich „um die Erreichbarkeit der Servicenummer 116117 zu erhöhen“. Man habe die Kapazitäten ausgebaut und sich extern Unterstützung geholt. Außerdem sei es von Vorteil, dass das Pandemiegeschehen sowie die Infektwelle abflauen und deshalb weniger Personal aufgrund von Krankheit ausfalle. Mit Erfolg – wie es die Kassenärztliche Vereinigung selbst bewertet: „Seit Jahresanfang sind die längsten Wartezeiten unter 15 Minuten – über 85 Prozent der Anrufe werden innerhalb von zwei bis drei Minuten angenommen.“

Landesweite Problematik

Abschließend vermerkte das DRK im Zollernalbkreis in seinem Antwortschreiben aber, dass das Problem nicht nur den Zollernalbkreis betreffe, sondern landesweit bekannt sei. „Mittlerweile ist uns auch bekannt, dass weitere Landkreise das Innenministerium angeschrieben haben und dieselben Missstände berichten.“

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