Straubinger schonungslos: Wirtschaftliche Schieflage bei Regionalligist Balingen bedrohlich

Von Marcus Arndt

Nach dem Beinahe-Abstieg in der vergangenen Corona-Saison rehabilitieren sich die Regionalliga-Fußballer der TSG Balingen in der Südweststaffel, reihen sich nach der ersten Saisonhälfte im Tabellenmittelfeld ein. Sportlich ein Erfolg, doch diese Spielzeit birgt für den Amateurklub mehr Risiken als Chancen.

Straubinger schonungslos: Wirtschaftliche Schieflage bei Regionalligist Balingen bedrohlich

Die Tribüne in der Bizerba-Arena bleibt seit Monaten leer. Das sorgt für Probleme.

Ohne Zuschauer fehlen den Kreisstädtern wichtige Einnahmen – auch an finanziellen Zuschüssen mangelt es (noch). Der Schuldenberg wachse stetig, räumen die Protagonisten neben dem Platz ein. Diese fordern – knapp zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg – ein Soforthilfsprogramm seitens der Landesregierung.

Entsprechende Forderungen, welche von fünf weiteren „Süd“-Vereinen unterstützt werden, richten die Verantwortlichen direkt an Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen. Die konkrete ministerielle Zuständigkeit für das Anliegen liegt aber im Falle eines Falles bei Susanne Eisenmann von der CDU, der Ministerin für Kultus, Sport und Jugend und Kretschmanns Herausforderin um den Chefposten im Land.

„Sportlich gesehen ist die Fortsetzung des Spielbetriebs für uns sehr erfreulich. Aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht hingegen ist die damalige Entscheidung ein Mühlstein, der uns in die Tiefe zu reißen droht“, heißt es in dem Schreiben der Viertligisten. Den Vereinen würden fest eingeplante Einnahmen entgehen, Reisekosten, Personalkosten und interne Kosten könnten somit nicht abgedeckt werden, erklärt Eugen Straubinger, Vorsitzender der Balinger Fußballer.

Die Profivereine der 1., 2. und 3. Liga indes können Einnahmen aus TV-Übertragungsrechten und Hilfsprogrammen generieren – die Südwest-Regionalligisten nicht (oder nur marginal). „Da der Status der Vereine der 4. Liga nicht einheitlich geklärt ist, fallen diese aus allen Fördermaßnahmen heraus. Dies ist sehr bedauerlich und in keiner Weise nachvollziehbar“, so die Meinung des Regionalliga-Sextetts aus Balingen, Aalen, Bahlingen, Großaspach, Ulm und Walldorf.

Konkret wird Kretschmann aufgefordert, den Sport als „Teil der Lösung des Problems“ zu begreifen: „Wir tragen mit unserem ehrenamtlichen Engagement seit Jahrzehnten einen wichtigen Teil zur Bildung, Kultur und Integration junger Menschen bei.“

Droht ein Abstieg aus wirtschaftlichen Gründen?

So würden sich die aktuellen finanziellen Sorgen ohne Unterstützung durch Hilfsprogramme negativ auf das weitere Vereinsleben auswirken. „Als Ausbildungsverein mit über 250 Jugendspielern und vielen Talenten werden auch hier alle Bereiche unseres Vereins durch diese finanzielle Notlage in Mitleidenschaft gezogen“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Dies ist umso bedauerlicher, wenn es sportlich gut läuft und am Ende der Saison ein Abstieg aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich ist“, hebt die TSG hervor.

Andere Bundesländer mit Programmen

In anderen Regionalliga-Staffeln würden die Klubs mehr Unterstützung vonseiten der Regierung erhalten. In Nordrhein-Westfalen hat das Land ein Hilfspaket in Höhe von 15 Millionen Euro aufgelegt, die insbesondere auch den Vereinen helfe, „die nicht von den Hilfen des Bundes profitieren“. In Hessen gibt es zinslose Darlehen-Programme, ähnlich sieht es in Sachsen aus.

Entsprechend fordern die baden-württembergischen Vertreter in der Südweststaffel nun eben Unterstützung, denn nur so könne man „die wirtschaftliche Schieflage abfedern. Gleichzeitig hilft eine Gleichbehandlung der Vereine aller Bundesländer, eine Wettbewerbsverzerrung auszuschließen.“ So fordern die Teams, dass „das Land Baden-Württemberg die Fußballvereine der Regionalliga Südwest unterstützt, ganz konkret durch finanzielle Deckung der entgangenen Zuschauereinnahmen pro Heimspiel. Bitte helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft unseren gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen können.“

Hilfe von den Lizenzklubs

Was die TSG Balingen und ihre Mitunterzeichner letztlich fordern: Solidarität von Seiten der Landespolitik. Ligaintern wurde der Zusammenhalt erst Anfang Februar öffentlichkeitswirksam demonstriert, als die Lizenzklubs – VfB Stuttgart, TSG 1899 Hoffenheim, SC Freiburg und 1. FSV Mainz 05, deren U23-Teams in der Südwest-Regionalliga beheimatet sind – insgesamt 60.000 Euro zu gleichen Teilen explizit an die neun genuinen Amateurvereine der Staffel ausschütteten, darunter also auch die TSG.

Das Geld, das die Empfänger-Klubs für die anfallenden Corona-Tests ausgeben sollen, aber lindert lediglich die Symptome der Pandemie-Folge – die externe Hilfe geht nicht an deren Ursachen, so zumindest argumentieren Straubinger & Co. Ein bisschen, wie wenn man Medikamente gegen Covid-19 verschreibt: Diese helfen kurzzeitig. Aber langfristige Abhilfe schafft nur die Spritze – in Form einer Impfung oder als finanzielle Zuschüsse.

Lesen Sie hier den offenen Brief, den stellvertretend die TSG Balingen an BaWü-Ministerpräsident Kretschmann richtete, im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,ich komme mit einem Anliegen auf Sie zu.Ausgangslage:Mit Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Regionalligaverbände haben die Landesregierungen entschieden, die 4. Liga (Regionalligen) als Profiliga einzustufen – mit allen Rechten und Konsequenzen. Unter strengen Hygiene- und Sicherheitsauflagen liefen die Mannschaften am 12. Dezember 2020 erstmals wieder auf. Die Spiele finden seither wie überall in den Profiligen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ebenfalls mit allen Rechten, allerdings auch mit finanziellen Konsequenzen und erheblichen Einbußen. Betroffen hiervon ist gerade auch die Regionalliga Südwest, in der außer unserem Verein, der TSG Balingen, der VfR Aalen, der Bahlinger SC, die SG Sonnenhof Großaspach, der SSV Ulm 1846 Fußball, der FC-Astoria Walldorf, sowie die U21 der Proficlubs des VfB Stuttgart, der TSG Hoffenheim und des SC Freiburg vertreten sind. Sportlich gesehen ist die Fortsetzung des Spielbetriebs für uns sehr erfreulich. Aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht hingegen ist die damalige Entscheidung ein Mühlstein, der uns in die Tiefe zu reißen droht. Da es pandemiebedingt nicht möglich ist, die Fans ins Stadion zu lassen, entgehen baden-württembergischen Amateurvereinen der Regionalliga Südwest, fest eingeplante Einnahmen. Reisekosten, Personalkosten und interne Kosten können durch die fehlenden Einnahmen nicht abgedeckt werden.

Die Profivereine der 1., 2. und 3. Liga können Gelder aus TV-Übertragungsrechten, aus verschiedenen Hilfsprogrammen, aus der Novemberhilfe etc. generieren, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Da der Status der Vereine der 4. Liga nicht einheitlich geklärt ist, fallen diese aus allen Fördermaßnahmen heraus. Dies ist sehr bedauerlich und in keiner Weise nachvollziehbar.

Aussicht:

Wir, die Vereine der Regionalliga Südwest von Baden-Württemberg tragen verantwortungsvoll die von Bund und Ländern verlängerten Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zuverlässig mit. Wir wünschen uns, wie viele Sportlerinnen und Sportler, dass der Sport als Teil der Lösung des Problems begriffen wird und dies im Sinne der Gesundheitsförderung und sozialer Beziehungen. Wir tragen mit unserem ehrenamtlichen Engagement seit Jahrzehnten einen wichtigen Teil zur Bildung, Kultur und Integration junger Menschen bei. Es ist davon auszugehen, dass wir die Saison ohne Zuschauer zu Ende spielen werden. Mit jedem Spiel steigen unsere Ausgaben und damit auch die Verbindlichkeiten. Bereits jetzt haben wir sehr große finanzielle Sorgen. Bis zum Sommer werden wir vor einem riesigen Schuldenberg stehen. Ohne Unterstützung durch diverse Hilfsprogramme kann die finanzielle Deckung bei den meisten Vereinen, so auch bei uns, nicht mehr gewährleistet werden. Als Ausbildungsverein mit über 250 Jugendspielern und vielen Talenten werden auch hier alle Bereiche unseres Vereins durch diese finanzielle Notlage in Mitleidenschaft gezogen. Dies ist umso bedauerlicher, wenn es sportlich gut läuft und am Ende der Saison ein Abstieg aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich ist.

Beispiele für länderspezifische Hilfsprogramme:Das Land Nordrhein-Westfalen hat für die 4.Liga Clubs ein Hilfspaket in Höhe von 15. Millionen Euro aufgelegt; als Notprogramm zur Sicherung des Fortbestandes der betroffenen Vereine. Mit diesem Sondertopf steht NRW insbesondere den Vereinen unbürokratisch zur Seite, die nicht von Hilfen des Bundes profitieren. Das Land Hessen legt für Clubs der gleichen Liga ein zinsloses Darlehen-Programm auf. Bei Rückzahlung innerhalb von 5 Jahren wird eine Teilschuld erlassen. Sachsen hat ein ähnliches Hilfsprogramm für die Regionalliga Nordost aufgelegt.

Anliegen der baden-württembergischen Vereine in der Regionalliga Süd-West:Wir alle tragen sehr gerne die Verantwortung mit unseren Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft und kämpfen an allen Fronten dafür, den Sport in seiner Vielfältigkeit auch als Kitt der Gesellschaft zu erhalten. Doch ohne politische Unterstützung können wir die vielfachen Aufgaben in diesen schweren Zeiten nicht stemmen. Im Namen der Fußballvereine aus Baden-Württemberg der Regionalliga Südwest, bitten wir die Landesregierung ein Soforthilfeprogramm aufzulegen. Nur mit finanzieller Unterstützung können wir die wirtschaftliche Schieflage abfedern. Gleichzeitig hilft eine Gleichbehandlung der Vereine aller Bundesländer, eine Wettbewerbsverzerrung auszuschließen.

Wir fordern, dass das Land Baden-Württemberg die Fußballvereine der Regionalliga Südwest unterstützt, ganz konkret durch finanzielle Deckung der entgangenen Zuschauereinnahmen pro Heimspiel. Bitte helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft unseren gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen können.

Wir, die TSG Balingen Fußball, der VfR Aalen, der Bahlinger SC, die SG Sonnenhof Großaspach, der SSV 1846 Ulm Fußball und der FC-Astoria Walldorf danken Ihnen und freuen uns auf eine positive Antwort.Ihr Eugen Straubinger Vorsitzender der TSG Balingen Fußball