Balingen

Steinach in Flammen: Ein Anwohner vom Rappenturm erinnert sich an einen Großbrand zurück

13.04.2021

Von Nicole Leukhardt

Steinach in Flammen: Ein Anwohner vom Rappenturm erinnert sich an einen Großbrand zurück

© Nicole Leukhardt

Unter dem schmalen Brücklein am Viehmarktplatz stand 1973 einmal die Steinach in Flammen. Ein Anwohner erinnerte sich im Zuge der Gartenschaupläne an das ungewöhnliche Ereignis.

Die Steinach beim Rappenturm ist eine der Balinger Ecken, die im Moment noch im Dornröschenschlaf schlummern. Zur Gartenschau soll sie sich in ein „grünes Zimmer“ in der Stadt verwandeln. Doch Anwohner erinnern sich dieser Tage daran, dass gerade dort vor knapp 50 Jahren einmal alles in heller Aufruhr war: Die Steinach stand in Flammen.

Ein brennender Bach? „Meine Frau hat mir das auch nicht geglaubt“, erinnert sich ein Anwohner. Am 15. August 1973 war er frühmorgens um fünf durch ein Geräusch wach geworden. „Als ich aus dem Fenster guckte, brannte es auf der Steinach“, erzählt er.

Ölunfall sorgt für Großbrand

Was war geschehen? Ein Blick ins Archiv der Balinger Feuerwehr bringt sprichwörtlich Licht ins Dunkel: Am Endinger Bahnhof, so ist dort zu lesen, hatte es einen Ölunfall gegeben, 15.000 von insgesamt 40.000 Litern waren durch ein Missgeschick aus einem Kesselwaggon der Deutschen Bundesbahn in die Kanalisation geflossen. Kurz darauf war die schmutzige Fracht in Eyach und Steinach angekommen und hatte ihren Weg nach Balingen gefunden. Was sofort die Feuerwehr auf den Plan rief: Die Abteilungen Balingen und Endingen seien drei Wochen lang im Einsatz gewesen, Ölsperren zu errichten, heißt es.

Flammen sind weithin sichtbar

Am frühen Morgen des 15. Augusts jedoch kam es zum Brand: Eine Ölsperre hinter den Garagen der damaligen Adler-Brauerei hatte Feuer gefangen. Auch im Archiv des ZOLLERN-ALB-KURIER findet man einen Artikel dazu. Aus unbekannter Ursache hätte sich das Öl entzündet, die Flammen des Großfeuers und eine riesige Rauchsäule seien bis nach Ostdorf zu sehen gewesen, ist in dem Text zu lesen.

Der damalige Stadtbrandmeister Otto Heinz wird mit den Worten zitiert: „So gewaltige Flammen habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.“ Bindemittel wurde säckeweise ins Wasser geschüttet, Nachschub wurde sogar aus Oberndorf herbeigebracht. Auch die Ostdorfer Wehrleute waren sicherheitshalber alarmiert worden und zur Brandstelle geeilt. Warum sich in Endingen die Pumpe vom Tankwagen gelöst hatte und so das Auslaufen des Öls möglich gemacht hatte, konnte damals nicht geklärt werden. Es wurde von möglicher Sabotage gesprochen.

Feuerwehr bekommt den Brand rasch in den Griff

Mit verheerender Wirkung für die Anwohner: „Wir mussten das Haus verlassen“, erinnert sich der Balinger. Der Giebel sei beschädigt worden, die Fenster auch. Die Feuerwehrchronik deckt sich mit seinen Erinnerungen: „Die Flammen schlugen 30 Meter hoch“, heißt es dort. Mit 15 Kubikmetern Schaum war dem Inferno jedoch schnell Einhalt geboten worden, heißt es im Archiv-Artikel.

Auch das „Sonnenbrückle“, das vom Viehmarktplatz her über die Steinach führt und den Balingern als „Sichelwegle“ bekannt ist, sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch größeren Schaden hat sie offenbar nicht genommen, „sonst hätte man sie damals sicher aus Sicherheitsgründen gesperrt“, meint Balingens Rathaussprecher Jürgen Luppold. Noch heute kann man dort die Steinach überqueren – im Gänsemarsch freilich, denn viel Platz ist auf dem Steg nicht.

Das Sonnenbrückle soll ersetzt werden

Dessen Tage sind nun ohnehin gezählt: Im Zuge der Gartenschau wird dort eine neue Brücke gebaut werden. „Die Fundamente wird man sicher genau anschauen und ebenfalls erneuern“, erklärt Luppold. Ob die Brücke dann Rappenbrücke, Sichelbrücke oder Rappenturmbrücke heißt, ist noch offen. Wenn sie sich jedoch einmal über die Steinach spannt, können Gartenschaubesucher aber auch andere wieder auf historischen Pfaden wandeln. Dort, wo der Rappenturm einst stand, soll eine Sitzskulptur an die Befestigungsanlage erinnern.

Und daran, dass vor hunderten von Jahren, also lange vor dem Ölbrand, die Ecke der Stadt schon einmal große Aufmerksamkeit bekam: Im Rappenturm war das „Criminalgefängnis“ der Stadt untergebracht, wo unter anderem der Hexerei verdächtigte Personen inhaftiert waren im 17. Jahrhundert. „Nach dem Neubau des Amtsgerichts nach dem Stadtbrand 1809 war dort das Gefängnis. Wenn zu viele Leute inhaftiert waren, wich man von 1810 bis 1910 in den Wasserturm aus, wo es heute noch Gefängniszellen zu sehen gibt“, fügt die Balinger Historikerin Dr. Ingrid Helber an.

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