Balingen

Standortdiskussion ums Zentralklinikum: Für Balingens Firstäcker bleibt ein planerisches Schlupfloch

03.07.2019

Von Klaus Irion

Standortdiskussion ums Zentralklinikum: Für Balingens Firstäcker bleibt ein planerisches Schlupfloch

© Klaus Irion

Trotz stockender Grundstücksaufkäufe und raumplanerisch eigentlich unüberwindbarer Hürden wird am Gewann Firstäcker bei Balingen-Dürrwangen als Standort fürs Zentralklinikum festgehalten.

Die Grundstückskäufe stocken, die Raumplanung spricht strikt dagegen. Und dennoch halten die Verantwortlichen der Stadt Balingen und des Landkreises eisern am Zentralklinikumsstandort Firstäcker fest. Sie setzen auf eine planerische Ausnahme mittels Änderung des Regionalplans, die der Regionalverband Neckar-Alb und Ministerien in Stuttgart zu bejahen hätten.

Es gibt ein im ersten Eindruck widersprüchliches Sprichwort, das da lautet: Du hast keine Chance, also nutze sie. So ähnlich stellt sich die Situation in punkto Standort für das neue Zentralklinikum dar. Aus ökologischer und landwirtschaftlicher Sicht spricht eigentlich alles gegen den von der Kreistagsmehrheit favorisierten Standort Firstäcker in Balingen-Dürrwangen. Und dennoch wird von den Verantwortlichen im Balinger Rathaus und im Landratsamt munter weitergeplant und der nach objektiver Bewertung auf Platz eins gesetzte Standort Kelleregert bei Balingen-Weilstetten ignoriert.

Raumordnung ist nicht zu überwinden

Die nächste Runde im Zentralklinikumspoker steigt am kommenden Montag, wenn der Planungsausschuss des Regionalverbands Neckar-Alb von 10 Uhr an im Mössinger Feuerwehrhaus tagt. Dort wird es darum gehen, wie Stadt Balingen und Landkreis doch noch die hohen ökologischen und landwirtschaftlichen Hürden nach Recht und Gesetz „umgehen“ können. Denn die Sachlage ist auf den ersten Blick eindeutig und wird in der Sitzungsvorlage in gutem Beamtendeutsch wie folgt niedergeschrieben: „Die Betroffenheit der Ziele der Raumordnung ist im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung nicht zu überwinden.“

Standortdiskussion ums Zentralklinikum: Für Balingens Firstäcker bleibt ein planerisches Schlupfloch

© Nicole Leukhardt

Das Gebiet Kelleregert ist in einer vor längerer Zeit erstellten Standortrangliste als bester Standort hervorgegangen. Mehrheitlich politisch gewollt war aber Firstäcker.

Man könnte aber auch, bezugnehmend auf das eingangs erwähnte Sprichwort, einfach sagen: Keine Chance für ein Klinikum im Gebiet Firstäcker. Denn die Raumnutzungskarte enthält dort einen regionalen Grünzug, ein Gebiet für Bodenerhaltung und ein Gebiet für Landwirtschaft. Und dann steht da zusätzlich noch im Raum, dass das geplante Zentralklinikum zu einer „bandartigen Siedlungsentwicklung“ führen könnte, die es an dieser Stelle zu vermeiden gelte.

Doch wie besagt ein anderes Sprichwort: Keine Regel ohne Ausnahme. „Ja, es gibt in der Raumordnung auch Ausnahmen, sprich Härtefälle“, erläutert Dr. Peter Seiffert, Raumplaner beim Regionalverband Neckar Alb. Und einen solchen Härtefall könnte man auf zweierlei Weise geltend machen.

Vom Ziel abweichen oder den Regionalplan ändern

Das ist zum einen das sogenannte Zielabweichungsverfahren. Im Bereich Firstäcker würde das heißen, dass die Verantwortlichen vom dortigen Ziel, den regionalen Grünzug und die landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten, abweichen. Was in der Gesetzestheorie möglich ist, ließe sich aber laut Seiffert beim konkreten Fall nicht durchbringen. „Denn ein Zielabweichungsverfahren ist nur dann möglich, wenn das Projekt absolut alternativlos ist.“ Wie erwähnt, könnte das Zentralklinikum aber eben so gut in Balingen-Weilstetten stehen. Nicht zu vergessen den dritten möglichen Standort im Gewerbegebiet Bisingen direkt an der B27. Ein Zielabweichungsverfahren, über das das Regierungspräsidium Tübingen hätte entscheiden müssen, scheidet also aus.

Planänderung dauert rund ein Jahr

Damit bleibt den Firstäcker-Befürwortern noch die Änderung des Regionalplans. Und genau das wird nun auch geprüft. Firstäcker ist nachträglich in die ohnehin anstehende 5. Regionalplanänderung, die wegen Gewerbegebietsfragen angestoßen worden war, aufgenommen worden. Hierfür ist nicht das Regierungspräsidium, sondern der Regionalverband Neckar-Alb zuständig. „Natürlich können wir das nicht im Alleingang entscheiden“, betont Seiffert. Es würden alle Träger öffentlicher Belange und die Öffentlichkeit wieder gehört werden. Und letzten Endes müsste auch das Wirtschaftsministerium in Absprache mit weiteren Landesministerien seine Zustimmung zur Regionalplanänderung geben.

Regionalverband bietet Hilfe an

Das Ganze, so erwartet Planer Seiffert, dürfte sich rund ein Jahr hinziehen. Es könnte aber auch etwas länger dauern. Einmal ganz davon abgesehen, dass sich die Grundstücksaufkäufe alles andere als einfach gestalten. Der letzte Satz der Sitzungsvorlage lautet: „Für eine Abstimmung in dieser Sache steht die Verbandsverwaltung des Regionalverbands gern zur Verfügung.“ Du hast keine Chance, also nutze sie!

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