Fußball

Spiel findet „Stand heute“ statt: TSG Balingen darf bei Hoffenheims U23 antreten

28.09.2020

Von Marcel Schlegel

Spiel findet „Stand heute“ statt: TSG Balingen darf bei Hoffenheims U23 antreten

© Deines

Vergangene Runde verloren Ivan Cabraja und die TSG Balingen in Hoffenheim.

Eine überraschende Wende: Trotz Corona-Fall in den eigenen Reihen darf Fußball-Regionalligist TSG Balingen das Auswärtsspiel am Dienstagabend in Hoffenheim austragen. Unterdessen überlegen die Offenbacher Kickers, gegen den Kreisstadtklub zu klagen.

Damit war nicht unbedingt zu rechnen: Obwohl die Fußballer der TSG Balingen einen mit dem Corona-Virus infizierten Spieler in ihren eigenen Reihen beklagen und in Folge dessen die Stadt Balingen am Freitagnachmittag in nahezu letzter Sekunde das Regionalliga-Heimspiel gegen die Kickers Offenbach untersagte, kann die Mannschaft von Trainer Martin Braun aller Voraussicht nach schon am Dienstag (19 Uhr) ihr Auswärtsspiel beim Viertliga-Drittletzten TSG 1899 Hoffenheim 2 bestreiten. Das für den infizierten Spieler zuständige Gesundheitsamt des Landkreises Tübingen gab den Balingern am Montag grünes Licht.

Die Behörden hatten am Wochenende mithilfe des infizierten Balingers, dessen Wohnsitz im Landkreis Tübingen ist, mögliche direkte Kontaktpersonen ermittelt, bestätigte Landratsamtsprecherin Martina Guizetti in Absprache mit der Pressestelle des Zollernalbkreises. Lediglich fünf Mitspieler aus beiden Balinger Aktivenmannschaft hätten nach dieser Recherche unter Verdacht gestanden, eine Kontaktperson ersten Grades zu sein, erklärte Jan Lindenmair. „Für zwei Spieler wurde Quarantäne angeordnet“, so der TSG-Geschäftsführer.

Zwei weitere Spieler in Quarantäne

Das heißt: Stand Montag waren offenbar drei Spieler aus beiden Balinger Teams in Quarantäne, einer davon definitiv mit Corona-Virus infiziert. Diesem geht es gesundheitlich aber wohl gut. Bei den anderen dreien sehen die Behörden offenbar keine explizite Gefahr, dass sie infektiös sein könnten. Sie dürften am Dienstagabend auflaufen. Auch gäbe es nun vonseiten des Tübinger Amtes keine weiteren Ermittlungen, sagte Lindenmair. „Stand heute dürfen wir gegen Hoffenheim spielen“, so der TSG-Funktionär am Montag.

Die Behörde habe bei ihrer Recherche „auch Empfehlungen und Veröffentlichungen des Fußballbundes zu Rate gezogen“, teilte Guizetti mit. Tatsächlich belegen Studie, dass die Ansteckungsgefahr während eines Spiels respektive der simulierten Spielsituation im Training als gering eingestuft werden darf. „Im Schnitt haben Spieler zu anderen Spielern zirka eine Minute direkten Kontakt und zählen damit nicht zur Kontaktgruppe 1“, erklärte Regionalliga-Südwest-Geschäftsführer Sascha Döther auf Anfrage.

TSG lässt freiwillig testen

Die TSG Balingen schickte am Montag nun freiwillig, proaktiv und auf eigene Kosten alle Spieler der ersten und zweiten Mannschaft zum Corona-Test beim Balinger Internisten Daniel Urban, ärztlicher Leiter der Corona-Schwerpunktambulanz. „Wir machen das, um das Risiko zu minimieren“, erklärte Lindenmair. „Das Okay der Behörden für das morgige Spiel hätten wir auch ohne die Tests.“

Lindenmair erwartet die Ergebnisse im Laufe des Dienstagmorgens. Sollten hierbei keine weiteren positiven Fälle auftreten, werde man das Abendspiel in Sinsheim austragen. „Die Balinger haben dankenswerterweise alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Absage zu verhindern“, sagte Hoffenheims Marcus Mann, der für die sportliche Ausrichtung der U23 verantwortlich ist. „Wenn die Tests negativ sein sollten, habe ich keine Bedenken.“

Selbst im Falle von weiteren Corona-Fällen stünde das Hoffenheim-Spiel nicht zwangsläufig auf der Kippe. Döther und Co formulierten laut Lindenmair folgende Maßgabe: Sollten mehr als vier Stammspieler coronapositiv sein, darf eine Mannschaft das Spiel ohne sportrechtliche Folgen absagen. Als Stammspieler gelten laut dieser Definition, wer mehr als die Hälfte der bisherigen Spiele absolviert hat. Bei der TSG trifft das auf 16 Fußballer zu. Einer davon ist in Quarantäne.

Bürgermeister-Absage war rechtlich in Ordnung

Der infizierte Fußballer aus der U23 derweil, der dem erweiterten Kader der Regionalliga-Truppe angehört, hatte sich am zurückliegenden Dienstag testen lassen und am Freitag einen positiven Bescheid erhalten. Noch in der Vorwoche hatte er mit der ersten Mannschaft trainiert, weshalb Balingens Bürgermeister Reinhold Schäfer nach dem positiven Testergebnis kurzfristig das TSG-Heimspiel gegen die Kickers Offenbach untersagte – nur wenige Stunden vor Spielbeginn. Das sorgte beim OFC für Verärgerung, war laut Guizetti allerdings formal in Ordnung: „Grundsätzlich entscheidet die Ortspolizeibehörde, in diesem Fall die Balinger Stadtverwaltung auf Vorschlag des Gesundheitsamtes.“ Dies ist für Baden-Württemberg im Infektionsschutzgesetz so geregelt.

Nach der besagten kurzfristigen Absage des Balinger Heimspiels gegen die Kickers Offenbach am Freitagnachmittag durch die Stadt Balingen erntete die TSG in den Sozialen Medien einen kleinen Shitstorm, mit teils unflätigen Kommentierungen – gegen Verein wie Bürgermeister. Noch markanter: Nunmehr hat OFC-Geschäftsführer Thomas Sobotzik einen Anwalt eingeschaltet. Die Offenbacher argumentieren, die Verantwortlichen der TSG hätten die Spielabsage selbst herbeigeführt. „Das war weder regel- noch satzungskonformen“, schrieb Sobotzik unserer Zeitung.

Der OFC möchte eine Spielwertung zu seinen Gunsten erwirken und nicht auf den Reise- und Hotelkosten sitzen bleiben; die Kickers waren schon am Vortag angereist. Sobotzik beharrt auf der Darstellung, dass die TSG-Verantwortlichen ihre OFC-Pendants zu spät über den Corona-Verdachtsfall, der seit Wochenanfang bestand, informiert hätten. Gemäß Sobotzik habe TSG-Manager Jan Lindenmair OFC-Teammanager Bernd Winter erstmalig am Spieltag um 14 Uhr telefonisch darüber informiert, „dass ein Spieler Balingens nun positiv getestet wurde“. Und weiter: „Weder der Regionalliga-Verband, noch der OFC hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch nur ansatzweise diese Information.“

Lindenmair weist Sobotzik-Kritik zurück

Lindenmair weist dies zurück. Er habe zu den Offenbachern am Mittwoch und Donnerstag jeweils Kontakt gehabt und sie darüber informiert, „dass wir im Austausch mit den Gesundheitsämtern stehen“. Dies einerseits wegen des Verdachtsfalls und ferner ob des Bahlinger SC, gegen den die TSG zuvor gespielt hatte und bei dem es ebenfalls Corona-Fälle gab. Lindenmair beteuert, dass die Behörden bis Freitag gegen halb 12 den Balingern versichert hätten, dass einer Spielaustragung nichts im Wege stünde. Als der Corona-Positiv-Fall dann verifiziert war, habe das Gesundheitsamt Tübingen die Spielabsage empfohlen und Balingens Bürgermeister Reinhold Schäfer, als Führungsinstanz des zuständigen Exekutivorgans, folgte dieser. „Ich kann den Offenbacher Ärger zwar verstehen, aber sehe keinen Fehler in unserem Handeln“, sagte Lindenmair.

Liga-Leiter Döther wollte den Disput gegenüber OP-Online nicht kommentieren, aber stellte insgesamt fest: „Die Statuten geben es nicht her, dass wir ein Spiel auf einen telefonischen Zuruf hin absagen können. Wir benötigen etwas Schriftliches.“ Und das entsprechende Dokument lag nicht früher vor. „Man muss sich überlegen, welche Funktion die Gesundheitsämter auf einmal haben. Die haben viel zu tun und die Regionalliga steht bei ihnen nicht immer ganz oben auf der Prioritätenliste.“

Übrigens: Auch das Spiel der zweiten Mannschaft, die in der Landesliga am vergangenen Wochenende in Ravensburg hätte antreten müssen, wurde abgesagt. Stand jetzt findet aber auch deren Heimpartie diesen Freitag (2. Oktober, 19 Uhr) gegen den TSV Trillfingen statt.

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Antworten von Tübingens Landratsamtsprecherin Martina Guizetti in Abstimmung mit der Pressestelle des Zollernalbkreises:

Inwiefern sind das Tübinger und das Balinger Gesundheitsamt in den Fall involviert?

Grundsätzlich ist das Gesundheitsamt des Wohnortes des Erkrankten für die Erstermittlung von Kontaktpersonen zuständig. Sollten Kontaktpersonen in anderen Landkreisen – auch in anderen Bundesländern – leben, wird diese Information an das dort zuständige Gesundheitsamt weitergeleitet. Dieses klärt dann mit dem Betreffenden die Art und Dauer des Kontaktes ab und entscheidet, ob es sich um eine enge Kontaktperson handelt, die in Quarantäne und zum Test muss. Sollte dies der Fall sein, wird die Ortspolizeibehörde des Wohnortes informiert. Diese muss die Quarantäneanordnung erlassen.

Welches Verfahren wird bei den TSG-Fußballern nun angewendet, wie lauten die formalen und praktischen Schritte?

Das Tübinger Gesundheitsamt ermittelt, welche Personen mit dem Erkrankten Kontakt hatten und meldet diese an die betreffenden Gesundheitsämter zur genauen Abklärung weiter. Dies können Gesundheitsämter in mehreren Landkreisen sein. Jedes Amt nimmt dann die Kontaktverfolgung auf und stellt fest, wie intensiv der Kontakt war. Abhängig vom Ergebnis der Überprüfung werden dann ggfs. die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet. Das Gesundheitsamt Tübingen hat mit dem Erkrankten jeden Kontakt im Einzelfall durchgesprochen, danach richtete sich die Einstufung. Auch Empfehlungen bzw. Veröffentlichungen des Fußballbundes wurden hierbei zu Rate gezogen.

Müssen oder mussten die Fußballer sich testen lassen oder in Quarantäne?

Dazu kann von hier aus keine Aussage getroffen werden, da nicht alle Spieler im Landkreis wohnen. Die Quarantäne wird, wie erläutert, von der jeweiligen Wohnortgemeinde auf Empfehlung des Gesundheitsamtes angeordnet. Kontaktpersonen Kategorie 1 werden zur Testung aufgefordert.

Kann das Spiel am Dienstag stattfinden, was ist die Bedingung?

Ob das Spiel am Dienstag stattfinden kann, wird primär davon abhängen, wie viele Personen als enge Kontaktpersonen in Quarantäne sind und von wie vielen Spielern ggfs. positive Tests vorliegen. Ob die Spieler alle routinemäßig getestet werden, liegt in der Entscheidung des Vereins.

Das Offenbacher Spiel wurde vom Balinger Bürgermeister abgesagt: Wer ist die zuständige Stelle für derlei Absagen?

Grundsätzlich entscheidet die Ortspolizeibehörde, in diesem Fall die Balinger Stadtverwaltung auf Vorschlag des Gesundheitsamtes. Dies ist für Baden-Württemberg im Infektionsschutzgesetz so geregelt.

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