Sorgen und Digitalisierung: Volkshochschulen im Zollernalbkreis wollen der Coronakrise trotzen

Von Pascal Tonnemacher, Nicole Leukhardt

Die Volkshochschulen im Zollernalbkreis haben in der Coronakrise hohe Einnahmenverluste. Auch ihre Mitarbeiter trifft das hart. Das Land stellt aber mittlerweile Hilfe in Aussicht. Trotz der Geldnöte wagen die Standorte nun die zunehmende Digitalisierung ihrer Angebote.

Sorgen und Digitalisierung: Volkshochschulen im Zollernalbkreis wollen der Coronakrise trotzen

Das Gebäude der Volkshochschule in Albstadt beim Berufschulzentrum.

Nicht nur Kitas oder Gymnasien, auch die Volkshochschulen mussten wegen der Coronakrise schließen. Das bedeutet kaum bis keine Einnahmen und dennoch laufende Kosten. Derzeit sind die Standorte im Zollernalbkreis dabei, für die Zeit danach zu planen – wann auch immer es weitergehen kann.

Die Volkshochschulen im Zollernalbkreis wollen ausgefallene Termine wenn möglich nachholen, heißt es unisono auf Anfrage unserer Zeitung. Komplett ausgefallene Kurse sollen beispielsweise in Balingen im neuen Programm wieder aufgenommen werden.

Programme müssen schon geplant werden

Die VHS in Bisingen zieht je nach Verlauf der Pandemie in Betracht, mit einem kleineren neuen Sommerprogramm die Kurse wieder aufzunehmen. Das neue Programm, das ab September gelte, werde derzeit „ganz normal“ geplant, sagt der Bisinger VHS-Leiter Marcel Gutekunst.

Der Balinger VHS-Chef Ottmar Erath sagt: „Wir wollen auf alle Fälle in den Ferien für unsere Kunden da sein – viele werden in diesem Jahr vermutlich keine größeren Urlaubsreisen unternehmen. Also sehen wir es als Aufgabe und Chance, diese Zeiten mit saisonal passenden attraktiven Angeboten zu füllen.“

Zusammen mit seinem Team plant er „ab den Pfingstferien neu – und dann quasi nahtlos in das Herbst-/Winterprogramm“. „Ob wir dies dann in einem Programmkatalog zusammenfassen oder ein eigenes Sommerprogramm einschieben, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden“, sagt Erath. 15.000 Euro würde ein solches Programmheft kosten.

Hohe Verluste durch fehlende Einnahmen

„Die Lage ist sehr ernst für uns“, sagt Erath. Allein die Pause bis zum 19. April ziehe einen Verlust von 120.000 Euro nach sich, also 30.000 Euro an fehlenden Einnahmen pro Woche.

„Unsere größte Hoffnung aber sind unsere Teilnehmer – wenn sie uns in der Krise und danach die Treue halten, dann werden wir das schaffen“, sagt der Balinger VHS-Chef.

Keine Rücklagen erlaubt: Es geht an die Substanz

Er hofft – aus Liquiditätsgründen –, dass die Kunden alle noch offenen Rechnungen begleichen und die VHS zunächst nicht mit Rückforderungen konfrontiert werde. Auch an anderen Standorten müssen Kursgebühren entweder zurückbezahlt oder mit neuen Kursen in Absprache mit den Teilnehmern verrechnet werden.

„Da wir als gemeinnützige Einrichtung, die zur Kofinanzierung auf öffentliche Zuschüsse angewiesen ist, keine Rücklagen führen, geht es sehr schnell an die Substanz“, so Erath.

Standorte müssen womöglich um Existanz bangen

Mit Einnahmensverlusten von 1,9 Millionen Euro pro Woche rechnet der VHS-Landesverband für alle 168 Standorte in Baden-Württemberg. Demgegenüber blieben die Kosten insbesondere für Personal, Unterhalt der Gebäude, Raummieten und Materialien bestenfalls konstant, sagt der Verband. Sollte die Zwangspause noch deutlich länger gehen, müssten die Standorte um ihre Existenz bangen.

Die Volkshochschulen schreien deshalb aktuell laut nach Hilfe. Denn das Soforthilfe-Programm der Landesregierung sei lediglich auf Wirtschaftsunternehmen zugeschnitten, wie es die Volkshochschulen nicht sind.

Soforthilfe des Kultusministeriums soll auch VHS erreichen

Das Kultusministerium hat reagiert und eine weitere Soforthilfe von 100 Millionen Euro für alle Städte und Gemeinden zur Verfügung gestellt. Diese sollen ausdrücklich auch, aber nicht ausschließlich, den Volkshochschulen zugute kommen.

Wie und in welchem Umfang die Standorte dann tatsächlich unterstützt werden, und ob so die Verluste mehr als ansatzweise ausgeglichen werden können, ist noch unklar. Die Verantwortlichen arbeiten derzeit noch an einem Verteilungsschlüssel, sagt eine Ministeriumssprecherin.

Ausbleibende Einnahmen treffen auch die Dozenten hart. Kurzarbeitergeld ist für freie Mitarbeiter überhaupt nicht vorgesehen, hilft aber den Volkshochschulen in vielen Fällen auch nicht für ihre hauptamtlichen Beschäftigten, sagt der Landesverband.

Digitalisierung kostet mehr Geld als sie kurzfristig bringt

„Für die Zeit danach erwartet die Bevölkerung wieder ein umfassendes, aktuelles Weiterbildungsprogramm. Das muss jetzt geplant werden. Außerdem arbeiten die Volkshochschulen mit Hochdruck daran, ihre Präsenzangebote für eine Bevölkerung, die zu Hause bleiben muss, in digitale Angebote zu transformieren. Aber auch die Digitalisierung der Angebote kostet Geld, ohne Einnahmen zu ermöglichen, die die Einnahmeverluste auch nur annähernd ausgleichen können“, sagt der Direktor des Volkshochschulverbandes, Dr. Hermann Huba.

Digitalisierung als Chance begreifen

Der Volkshochschulverband sieht in der Digitalisierung eine zentrale Chance der Corona-Krise. Erste Früchte dieser Arbeit sieht man an den Standorten in der Region bereits.

So bietet die VHS Balingen die „vhs@home“ an. Das ist eine Reihe von Videos, mit denen die VHS Häppchen aus dem Themenrepertoire wie beispielsweise Yoga online über Youtube, Facebook und die Website anbietet. Daneben laufen die Vorbereitungen für Online-Lernangebote, die die Balinger VHS über die Plattform vhs.cloud anbieten wird.

Auch die VHS in Hechingen bietet – bereits geplante – Webinare an, darunter auch Business-Kurse zur beruflichen Weiterbildung.

Die VHS Bisingen als eine der kleinsten Volkshochschulen in der Region biete Kurse hauptsächlich im Bereich Gesundheit und Sport an. Aus diesem Grund gebe es, mit Ausnahme von Sprachen, so gut wie keine Möglichkeit auf E-Learning auszuweichen.

Online-Kurse gewinnen an Akzeptanz

In Burladingen heißt es: „Wir arbeiten daran, möglichst viele Veranstaltungen online anzubieten.“ Auf der Webseite bietet die VHS beispielsweise einen Meditiationskurs unter dem Motto „Gelassen durch die Krise“ an.

Auch die VHS in Albstadt will künftig verstärkt Online-Kurse anbieten und dauerhaft im Kursangebot implementieren. „Dadurch bieten wir Kursteilnehmenden, die keine Präsenzkurse wahrnehmen können auch die Möglichkeit, von zu Hause aus an Kursangeboten mitzumachen und Kontakte mit Anderen virtuell pflegen zu können,“ sagen die Leiter der VHS Albstadt, Christoph Mast und Miriam Braunmüller.

Gesundes Miteinander durch virtuelle Kontakte

Das sei zum einen wichtig, um den Bildungsauftrag weiterhin wahrnehmen zu können, aber auch um für ein gutes Familienleben und ein gesundes Miteinander in der Zeit der sozialen Distanzierung zu sorgen.

Klar ist: Nicht alle Kurse und Veranstaltungen können ins Digitale transferiert werden. Und sollen sie auch nicht zwangsweise, wenn es nach dem Balinger VHS-Chef Ottmar Erath geht.

VHS sieht sich auch als Interessensgemeinschaft

„Die Stärke unserer Vor-Ort-Kurse und -Veranstaltungen liegt neben der kompetenten Vermittlung der Bildungsinhalte doch darin, dass sich Menschen treffen, ihre Gemeinschaft pflegen. Das macht Volkshochschule als lokale Interessensgemeinschaft aus. Und das wollen wir auch so schnell wie möglich wieder anbieten können“, sagt Erath.

Ähnlich sieht das auch eine Balinger Dozentin. „Kurse mit Schwerpunkten auf Kunst, Musik oder Sprachen leben einfach vom persönlichen Kontakt, vom Zwischenmenschlichen. Das ist digital nicht abzubilden“, sagt sie.

Verdienstausfall bei Dozentin ist hoch

Die Digitalisierungsbemühungen der Volkshochschule sieht sie dennoch positiv. „Auch wenn ich nicht verstehe, wieso nur neue Angebote in digitaler Form angedacht sind und offenbar nicht geplant ist, bereits laufende Kurse digital umzustellen.“

Für sie bedeutet der abrupte Stop der Lehrtätigkeit einen deutlichen Verdienstausfall. „Da fehlt am Monatsende mehr als nur ein bisschen. Und ich kann keinen Betriebskostenzuschuss beantragen, weil ich kein Betrieb bin“, sagt sie. Vom Rettungspaket des Landes komme nichts bei ihr an.

Interner Mini-Rettungsschirm?

„Ich weiß, dass die Krise die Volkshochschulen unerwartet und hart trifft. Dennoch hätte ich mir eine Art internen Mini-Rettungsschirm für die Dozenten gewünscht“, beschreibt sie.

Ob ihre Schüler nach der Zwangspause noch motiviert dabei sein werden? „Ich hoffe es sehr, aber ich bin mir nicht sicher, ob alle von ihnen wie angedacht in den Ferien weiterlernen wollen“, sagt sie.

Schüler bei Laune halten und hoffen

Dass sie ihre Schüler auf privatem Weg abwirbt und auf eigene Faust weitermacht, das kommt für sie aber auch nicht in Frage. „Das wäre unsolidarisch und unfair, das mache ich nicht.“

Ihr bleibt, wie allen anderen Dozenten nur, ihre Schüler per E-Mail bei Laune zu halten. Sie hoffe, dass alle am Ball bleiben und ihren Unterricht nach der Krise fortsetzen. „Sie sind mir ans Herz gewachsen und ich vermisse die Gruppen sehr.“