Sigmaringer Landratsamt verbietet Kindern von TikTok–Familie Mooz Lee Sendezeit

Von Dirk Thannheimer

Mit ihren TikTok-Videos erreicht die Bad Saulgauer Patchworkfamilie ein Millionenpublikum. Das Landratsamt hat aber etwas dagegen, dass daran die minderjährigen Kinder mitwirken. Nun überlegen sich die TikTok-Stars sogar, deswegen umzuziehen.

Sigmaringer Landratsamt verbietet Kindern von TikTok–Familie Mooz Lee Sendezeit

Ihnen ist das Lachen vergangen: Die Bad Saulgauer Patchworkfamilie mit Hannes (links), Petra Mayer, Cathy und Helmut Fauser darf keine Tik-Tok-Videos mehr mit den Minderjährigen drehen. Auf dem Foto fehlt Moritz, der ebenfalls nicht mehr mitwirken darf.

1,7 Millionen Follower einer Bad Saulgauer Patchworkfamilie sind verwundert, verärgert und enttäuscht, dass Hannes (12) und Moritz (14) in den Videos und Live–Streams auf dem Mooz–Lee–Kanal bei TikTok und YouTube plötzlich von der Bildfläche verschwunden sind.

Das Landratsamt Sigmaringen stuft die Mitwirkung der Minderjährigen mit Verweis auf das Jugendarbeitsschutzgesetz als unzulässige Beschäftigung ein. Sollten die Kinder aber weiter zu sehen sein, droht ein Zwangsgeld. Mutter und Stiefvater haben mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet. Sie wollen eine Sondergenehmigung.

Mit einer Wette fängt der TikTok-Hype an

Es lief wie am Schnürchen für Helmut Fauser und seine Lebenspartnerin Petra Mayer, der leiblichen Mutter von Hannes und Moritz. Helmut Fauser, Vater der volljährigen Cathy, hatte aus Spaß und Langeweile während eines Lockdowns mit Hannes gewettet, dass es ihm mit einem einzigen bei TikTok hochgeladenen Video gelingen würde, auf 1000 Follower zu kommen.

Er gewann die Wette. Und von diesem Zeitpunkt an drehte die Patchworkfamilie ein Video nach dem anderen — zu Hause in Bad Saulgau, im Supermarkt, beim Spaziergang, im Urlaub in Florida.

Petra Mayer musste zum Beispiel als Super–Mario verkleidet Pilze in einem Supermarkt kaufen, Helmut Fauser acht Kilometer laufen — in 315 Runden um einen Swimmingpool. Die Fangemeinde wuchs rasant, zur Familie stieß dann noch Moritz, der nach vielen Jahren in einem Heim im Februar dieses Jahres nach Hause geholt wurde und seither ebenfalls bei den Dreharbeiten mitwirkt.

Auch RTL berichtet über die Familie

„Wir haben 919 Videos gedreht, davon 517 ohne Kinder“, sagt Fauser. Sogar die RTL–Nachrichtensendung Punkt Zwölf wurde auf Mooz Lee — so der Name des Kanals — aufmerksam und begleitete die Familie zu einem Fantreffen.

Doch der fünfköpfigen Patchworkfamilie schlugen auch Neid und Anfeindungen entgegen. „Plötzlich stand die Steuerfahndung bei uns im Haus“, sagt Helmut Fauser, der hauptberuflich Prokurist einer Softwarefirma für Dokumentenmanagement ist.

Videos bringen wöchentlich 5000 bis 7000 Euro

Der 39–Jährige meldete ein Gewerbe an, gründete eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, weil aus dem einstigen Spaß ein lukratives Geschäft wurde.

Nach eigenen Angaben verdient die Familie mit ihren Videos und Live–Streams — abends ab 19 Uhr — zwischen 5000 und 7000 Euro in der Woche. „Wir spenden aber immer wieder Geld für einen guten Zweck“, ergänzt Fauser.

Söhne dürfen nicht mehr mitmachen

Seit etwas mehr als einer Woche ist Helmut Fauser die Lust auf die Dreharbeiten jedoch gänzlich vergangen. Er und seine Partnerin erhielten am 17. Mai ein Schreiben vom Fachbereich Umwelt– und Arbeitsschutz des Landratsamts Sigmaringen, in dem sie dazu aufgefordert wurden, Hannes und Moritz nicht mehr in ihre Tätigkeit als Influencer miteinzubeziehen.

Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ Bad Saulgau gibt Dezernatsleiter Adrian Schiefer dazu folgende Stellungnahme ab: „Beide Jungen sind noch keine 15 Jahre alt und daher Kinder im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Die Beschäftigung von Kindern ist demnach verboten.“

Landratsamt argumentiert mit Schutz der Kinder

Die Mitwirkung der Kinder an den Live–Streams und Videoaufnahmen sei als Dienstleistung einzuordnen, die mit der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern oder Heimarbeitern vergleichbar sei. „Tätigkeiten dieser Art sind für Kinder nicht geeignet. Sie haben unter anderem keine Rückzugsmöglichkeit und stehen in der Schule und in der weiteren Öffentlichkeit unter ständiger Beobachtung. Die (fast) täglich öffentlich gemachten Einsätze wirken sich deutlich auf den für Kinder wichtigen familiären Schutzbereich aus“, so Schiefer in seiner Begründung.

Helmut Fauser hat indes kein Verständnis für das Verbot vonseiten des Landratsamts, denn die Kinder hätten keinen Arbeitsvertrag und würden keine Löhne bekommen. Hannes und Moritz würden unheimlich viel Spaß an den Videos haben. „Jetzt sind sie einfach nur noch traurig.“ Die Söhne von Petra Mayer würden maximal dreimal pro Woche an den Dreharbeiten beteiligt sein.

„Jedes Kind hat jede dritte Woche frei, freitags sind wir grundsätzlich weder live noch machen wir ein Video“, so Fauser. „Sie kommen in der Schule mit, vernachlässigen nicht ihre Hobbys. Hannes hat fast 100 Prozent Trainingsbeteiligung in seinem Fußballverein“, ergänzt Fauser. TikTok sei wie eine Familientherapie.

Es drohen hohe Strafen

Die Familie dreht zwar weiter ihre Videos, aber seit dem Schreiben des Landratsamts ohne den Zwölf– und den 14–Jährigen. „Uns wurde angekündigt, dass wir jedes Mal, wenn die Kinder mitwirken, 1500 Euro pro Kind bezahlen müssen.“

Das Landratsamt bestätigt indes eine Zwangsgeldanordnung für den Fall, „dass die beiden Kinder entgegen dem gesetzlichen Verbot und einer entsprechenden behördlichen Anordnung weiter mit eingebunden werden. Das vom Landratsamt festzulegende Zwangsgeld muss in der Höhe angemessen sein, damit es eine Wirkung entfaltet“, so Schiefer.

Familie schaltet Anwältin ein

Weil die Familie aber die beiden Jungs wieder mitwirken lassen will, lässt sie sich durch eine Anwältin für Medienrecht vertreten, dessen Ziel eine Ausnahmegenehmigung ist. Die Anwältin hält grundsätzlich ein pauschales Beschäftigungsverbot für die beiden Jungs für unzulässig.

Für die Sondergenehmigung sind drei Stempel erforderlich — vom Arzt, von der Schule und vom Amt — die jeweils bescheinigen müssen, dass Hannes und Moritz durch die Teilnahme in den Videos in keiner Weise gefährdet sind.

Der Fall Miley

Und Helmut Fauser hofft darauf, dass ein Urteil aus Bayern im Jahr 2018 bei der Antragstellung berücksichtigt wird. Die damals neun Jahre alte Miley verdiente mit drei YouTube–Kanälen so viel Geld, dass ihre Eltern ihren Job aufgeben konnten.

Es hagelte Kritik vonseiten des Deutschen Kinderhilfswerks, das darin ein Risiko sah, dass das Kind für die ökonomischen Interessen ihrer Eltern instrumentalisiert würde. Doch die Familie aus Gersthofen erhielt die Bestätigung vom Jugendamt, vom Gewerbeamt und vom Kinderarzt, dass es sich bei den Dreharbeiten um Kinderarbeit im erlaubten Rahmen handle.

Umzug als Option

Die Anhörung des Landratsamts Sigmaringen bezeichnet Fauser daher als „reine Willkür“. Die Familie überlegt, ob sie in den Landkreis Ravensburg ziehen soll, wo die Chancen auf eine Ausnahmegenehmigung offensichtlich größer sind als im Landkreis Sigmaringen. Bei einem Telefonat mit der Behörde in Ravensburg wurde der Familie in Aussicht gestellt, dass sie bei dieser Konstellation keine Genehmigung benötige — anders als im Kreis Sigmaringen.

„Grundsätzlich ist die Beantragung einer behördlichen Ausnahme möglich, die nach unserem bisherigen Kenntnisstand der Sachlage aber nur wenig Aussicht auf Erfolg hätte“, ergänzt Adrian Schiefer in seiner Stellungnahme. „Vielleicht ziehen wir dann auch ganz weit weg — nach Schweden“, sagt Helmut Fauser, der sich die Androhung von Zwangsgeld nur damit erklären kann, „dass es das Amt grundlos auf uns abgesehen hat“.