Schwenningen

Schwenninger Lehenwesen unter der Lupe des Historikers: Roland Steidle hält Vortrag

19.01.2023

Von Wilfried Koch

Schwenninger Lehenwesen unter der Lupe des Historikers: Roland Steidle hält Vortrag

© Wilfried Koch

Der Historiker Roland Steidle (rechts) informiert gerne über die Vergangenheit der Heuberggemeinde und Region. Den zuständigen Koordinator des HGV Schwenningen, Fritz Grad, freut es.

Der Handels- und Gewerbeverein (HGV) veranstaltete nach dem großen Erfolg im Frühjahr mit dem Blick in die Zeit der vergangenen Jahrhunderte auf dem Heuberg nun mit dem gebürtigen Schwenninger und Historiker Roland Steidle einen zweiten Stammtisch, diesmal mit dem speziellen Blick auf die Schwenninger Dorfgeschichte. Der Vortrag beschäftigte sich mit dem Thema: „Die Geschichte der Schwenninger Erblehen im 15. bis 19. Jahrhundert – Bauernfamilien, Höfe und ihre Lehensgrundstücke“.

Unter dem Begriff „Lehenswesen“ verstand man eine in Europa herausgebildete Herrschafts- und Besitzordnung. Roland Steidle erklärte, das Schwenninger Lehenswesen könne nur gesamtheitlich betrachtet werden. Seine Recherchen stützten sich auf die Besitzergeschichte der Lehen wie den Klöstern sowie aus der landesherrschaftlichen Geschichte.

In der Schwenninger Geschichte gab es eine erkennbare durchmischte Struktur von Lehensnehmern und freien Bauern mit unterschiedlichen Besitzverhältnissen. Es gab freies Eigentum und feste Lehensgüter. Und dies sowohl bei den Wohngebäuden und Hofstellen wie auch in den landwirtschaftlichen Nutzgrundstücken.

Jahrhundertealte Bezeichnungen

Eine bemerkenswerte Feststellung ergibt sich in den jahrhundertealten gleichen Bezeichnungen von festen Lehensgütern wie beispielsweise „Jägersgut“ oder „Sauters Gut“ als Acker- und Wiesengrundstücke, also wirtschaftlichen Nutzgütern, unabhängig vom Lehensnehmer und von Höfen.

Roland Steidle stellte fest, dass feste Zugehörigkeiten von Lehenshöfen und dazugehörigen Grundstücken erkennbar seien. Als größter Schwenninger Lehensgeber oder Lehensherr zählte direkt das Kloster St. Georgen in Stein am Rhein und das spätere Nachfolgekloster Petershausen in Konstanz. Weitere auftretende Lehensgeber waren die Herren von Werenwag, nach dem Privatverkauf im Jahre 1453 an das Kloster Beuron, dann das dortige Kloster.

Im Regelfall Erblehengüter

Das Kloster Inzigkofen und die österreichische Lehensherrschaft Werenwag besaßen ebenfalls noch Lehensgüter in Schwenningen, die verpachtet wurden. Die Lehensgüter waren im Regelfall sogenannte Erblehengüter und konnten innerhalb von Familienverbünden nach Zustimmung des jeweiligen Lehensgebers weitergereicht werden.

Schwenninger Lehenwesen unter der Lupe des Historikers: Roland Steidle hält Vortrag

© Wilfried Koch

In seinem bebilderten Vortrag ging der Historiker Roland Steidle ausführlich auf die Schwenninger Dorfgeschichte ein.

Roland Steidles Vortrag beleuchtete die damaligen Eigentumsverhältnisse von Schwenningen und ihre beteiligten Personen und Organisationen nach dem aktuellen Forschungsstand. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen standen sieben Lehensgüter, die exakt zugeordnet werden konnten.

Sieben Lehensgüter im Fokus

Dies waren der Inzigkofener Hof, Laubenberger Hof, der Kehlhof, der Hörnlinger Hof sowie die Taverne, also das heutige Gasthaus „Adler“, in dem auch der Vortrag stattfand, der Pfarrhof und Teile der Alten Pfarrstraße.

Auf dem jetzigen Parkplatz des Gasthofs Adler befand sich vor einigen Jahrzehnten noch das Gasthaus Rössle und im Betrachtungszeitraum der Lehen war dort die historische Badstube untergebracht.

Betrachtet man beispielsweise die Taverne, also den heutigen „Adler“ separat, so erfuhren die Zuhörer in der dreistündigen Veranstaltung, dass ein Josef Siber am 5.März 1886 für 53.450 Mark aus einer Zwangsversteigerung heraus gekauft hatte. (Quelle war der Heuberger Grenzbote von 1886, Archiv Meßkirch).

Sechs Brunnen sorgten für Trinkwasser

Im jetzigen Rathaus von Schwenningen befand sich früher das Pfarrhaus. Unweit darunter, unterhalb des jetzigen Feuerwehrhauses, hatten die früheren Geistlichen den stattlichen Pfarrgarten, wo in den vergangenen Jahrzehnten sechs Brunnen ausgegraben wurden, die lange Zeit für die Trinkwasserversorgung im Dorf wichtige Funktion hatten. Bedingt durch verschiedene Lehmböden gab es im unteren Teil des Dorfes viel mehr Grundwasser als an anderen Orten.

Die Schwenninger Pfarrer

Was die Namen der Pfarrer angeht, so seien diese ab Juni 1275 mit Pfarrer Heinrich bekannt. Am 6. August 1567 verstarb Pfarrer Jakob Vögelin in Schwenningen an der Pest. Vom 2. Mai 1780 bis 4. Januar 1832, also über 51 Jahre lang, war Gregor Vogler als Pfarrer von Schwenningen und Dekan des Landkapitels Ebingen im kirchlichen Dienst.

Zusammenfassend stellte der Historiker fest, dass die Lehensgrundstücke bis ins 19. Jahrhundert hinein in stabilen Zusammensetzungen blieben. „Verschiedene Beteiligte wie die Lehensinhaber, Lehensnehmer oder Eigentümer versuchten jeweils zu Lasten der anderen sich wirtschaftliche und politische Vorteile zu erwirken“, informierte Steidle.

Einfluss von Wirtschaft, Technik und Politik

Beeinflusst wurden die Lehensverhältnisse durch eine Konsolidierung im Spätmittelalter (bis zum 15. Jahrhundert), durch den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt, gewaltige Veränderungen in der frühen Neuzeit (bis ins 18. Jahrhundert) sowie den Bauernkrieg, die Reformation, den 30-jährigen Krieg und europäische Kriege. Vom 15. bis zum 20. Jahrhundert bewirkten außerdem eine kleine Eiszeit kontinuierliche Wetterkapriolen, vermittelte der Historiker. Nicht zu vergessen seien steigende Bevölkerungszahlen, politische Umwälzungen in Frankreich und den englischen Kolonien in Amerika.

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