Schluss-Strich: Obernheims Bürgermeister Josef Ungermann gibt zum Jahresende sein Amt ab

Von Volker Bitzer

Seine Entscheidung ist einzig der angeschlagenen Gesundheit geschuldet. Mehr als einen halben Arbeitstag packt Josef Ungermann nicht mehr. Aber „halbtags“, so sagt er, das ist für einen hauptamtlichen Schultes einer eigenständigen Gemeinde einfach zu wenig. Die Arbeit ist in diesem engen Zeitkorsett nicht zu schaffen. So zieht der 56-Jährige jetzt zwangsläufig die Reißleine und gibt seinen geliebten Posten zum 31. Dezember 2022 auf.

Schluss-Strich: Obernheims Bürgermeister Josef Ungermann gibt zum Jahresende sein Amt ab

Josef Ungermann in seinem Musikzimmer unter dem Dach. Hier findet der leidenschaftliche Posaunist Entspannung.

18. September 2021: ein einschneidender Tag im Leben von Josef Ungermann. Unglückstag und Glückstag zugleich, könnte man sagen. An jenem Samstag erleidet der Obernheimer Bürgermeister nach einer Klausurtagung des Gemeinderates einen Herzstillstand. Nur dank des raschen Eingreifens von Gemeinderäten und im Ort schnell erreichbaren Rettungskräften samt Defibrillator hat er diesen Tag überlebt. Nur einem kleinen Prozentsatz ist es vergönnt, ein solches Ereignis zu überstehen. Es war wie ein zweiter Geburtstag für Josef Ungermann, aber trotzdem hat jener Spätsommertag sein bisheriges Leben maßgeblich verändert. Bis heute.

Ein unermüdlicher Macher

Wer Josef Ungermann kennt, weiß um sein anpackendes Wesen. Das war schon vor Jahrzehnten so, als er noch in Diensten der Stadtverwaltung Albstadt war. Als er einst unter Onstmettingens Ortsvorsteher Helmut Merz wertvolles Rüstzeug für seinen Verwaltungsjob mitbekam. Später als Josef Untermann selbst das Onstmettinger Ortsamt und danach auch noch das viel größere, neu geschaffene Tailfinger Bürgerbüro leitete. Zudem war er als Abfallberater der Stadt Albstadt und schließlich Personalrat tätig.

Weil diese von ihm gewohnte Schaffenskraft aber trotz Reha und einer Wiedereingliederungsmaßnahme nicht mehr vorhanden ist und Josef Ungermann bedauernd feststellen musste, dass seine Agilität trotz anfänglicher Fortschritte im Genesungsprozess wohl nicht mehr kommen wird, hat er nun diese schwere Entscheidung getroffen.

Schwere Entscheidung im Spätsommer

Wörtlich informierte der Obernheimer Bürgermeister seine Gemeinde im Blättle am Donnerstagabend: „Da die Aufgaben des Bürgermeisters der Gemeinde Obernheim mit dem von mir leistbaren Arbeitspensum dauerhaft nicht zu erfüllen sind, habe ich das Kommunalamt und den Landrat des Zollernalbkreises im Spätsommer 2022 darum gebeten, meine Dienstfähigkeit überprüfen zu lassen. Landrat Pauli hat mir in dieser Woche schriftlich mitgeteilt, dass in diesem Verfahren die dauerhafte Dienstunfähigkeit festgestellt wurde und er beabsichtigt, mich zum 1.1.2023 aufgrund der festgestellten Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Dies bedeutet, dass mein Bürgermeisteramt in Obernheim mit Ablauf des 31.12.2022 enden wird.“

Homeoffice hat es etwas leichter gemacht

Josef Ungermann ist keiner, der schnell aufgibt. Und statt sich Monate lang krankschreiben zu lassen, hat er schnellstmöglich versucht, seine Amtsgeschäfte wieder aufzunehmen. Sogar von zu Hause im Homeoffice, wo er gegenwärtig meist tätig ist. „Hier kann ich mehr wegschaffen als im Rathaus, wo ich immer wieder mit vielen Dingen konfrontiert werde“, erzählt der 56-Jährige. Allerdings ist es mit konzentrierter Arbeit meistens nach wenigen Stunden vorbei.

Amtsarzt attestiert: dienstunfähig!

„Kommt wieder“ habe er sich immer gesagt. Vielleicht auch eingeredet. Auch Ärzte stellten ihm in Aussicht, dass es irgendwann wieder sein könnte, wie es war. Aber wann ist irgendwann? Josef Ungermann registrierte jedenfalls seit einigen Monaten keinen Fortschritt bei seiner Genesung. Und so freundete er sich schon im Sommer mit dem Gedanken an, dass er sich wohl dauerhaft auf ein verändertes Leben einstellen muss. Spätestens als ihm dann der Reutlinger Amtsarzt im Zuge seiner Untersuchung der Dienstfähigkeit eben diese auch attestierte, war klar: Der Rathaus-Posten in Obernheim gehört zur Vergangenheit.

Kreistags-Mandat schon zu Jahresbeginn abgegeben

Deshalb lässt er nun zum Jahresende los. Nicht nur, um sich selbst aus dem oft hektischen Alltag mit Anfragen, Anliegen, Besprechungen, Sitzungen usw. zurückzuziehen, sondern auch, um für seine Gemeinde Obernheim den Weg freizumachen. Bekanntlich hatte Josef Ungermann schon kurz nach Jahresbeginn sein Kreistags-Mandat (seit 2009 für die CDU) zurückgegeben. In der Hoffnung, dass ihm dann mehr Zeit und Kraft für seinen Schultes-Posten bleibt. Aber dieser Teilverzicht seiner politischen Tätigkeit reichte nicht aus.

Was für ein Vertrauensbeweis?

Ebenfalls ein bedeutsamer Tag im Leben von Josef Ungermann war der 10. Oktober 2010. An diesem Sonntag wählen ihn die Obernheimer zu ihrem neuen Schultes. Ungermann hat zwar einen Gegenkandidaten, Andreas Kusch, er ist aber kein wirklicher Konkurrent. Während dieser nur 4,3 Prozent der Stimmen der damals 1132 Wahlberechtigten auf sich vereinen konnte, kommt Josef Ungermann auf grandiose 95,1 Prozent und das bei einer recht hohen Wahlbeteiligung von 70,6 Prozent. Mit diesem kräftigen Rückenwind tritt der Tailfinger die Nachfolge von Obernheims pensioniertem Schultes Georg Maier an.

Vor vier Jahren im Oktober sollte der Vertrauensbeweis seiner Obernheimer noch größer sein: Lediglich fünf Stimmen fehlten ihm damals bei der Wiederwahl, um 100 Prozent der abgegebenen Stimmen zu ergattern. Entsprechend emotional reagiert Ungermann deshalb nun beim Bekanntmachen seiner Entscheidung:

Abschied mit Wehmut

„Seien Sie versichert, dass ich vieles versucht habe, um diesen Schritt abzuwenden, da ich das Amt des Bürgermeisters immer sehr gerne und mit großem Engagement ausgeübt habe. Da aber in absehbarer Zeit keine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustands zu erwarten ist, kann ich dieses Amt leider nicht mehr länger ausüben und bin Landrat Pauli für die getroffene Entscheidung dankbar“, schreibt er selbst.

Familie und Musik helfen

Entspannung und Lebensfreude findet Josef Ungermann bei seiner Familie, beim Spazierengehen, im eigenen Garten und in der Musik, die ihn seit Jahrzehnten begleitet. So ist der Posaunist noch immer Dirigent der Straßberger Musiker. „Das tut mir zwar gut, aber auch hier merke ich, dass oft nach eineinhalb Stunden nichts mehr geht, dann hören wir halt auf.“

Was passiert nun in Obernheim?

Wie geht es nun weiter mit der 1506 Einwohner zählenden Gemeinde Obernheim? Der Gemeinderat wird voraussichtlich in seiner Sitzung am 22. November den Fahrplan für eine Bürgermeisterwahl im Jahr 2023 festlegen. Er selbst wird noch die Sitzungen im November und Dezember leiten. Laut baden-württembergischer Gemeindeordnung muss binnen drei Monaten nach Ausscheiden eines Bürgermeisters ein Nachfolger oder einer Nachfolgerin gefunden sein.