Balingen

Schlafzimmer made in Frommern: Tim Hoffmann und Manfred Stingel zeigen bewegte Geschichte

05.09.2019

Von Lydia Wania-Dreher

Schlafzimmer made in Frommern: Tim Hoffmann und Manfred Stingel zeigen bewegte Geschichte

© Lydia Wania-Dreher

Im Haus der Volkskunst in Dürrwangen kann man in den Schlafzimmern, die in Frommern hergestellt wurden, nächtigen.

Am Sonntag wird erstmals der Dokumentarfilm „Schreiner – Frommerner Möbelindustrie“ zum Tag des offenen Denkmals im Haus der Volkskunst in Dürrwangen gezeigt. Die ZAK-Redaktion hat mit den Machern gesprochen.

Das Bettgestell „Malm“ von Ikea steht heute in gefühlt jedem zweiten Schlafzimmer. Noch vor 50 Jahren war das anders: Da schlief ganz Deutschland in Frommerner Betten.

Wie es dazu kam und was heute noch davon übrig ist, beschreibt der neue Dokumentarfilm „Schreiner – Frommerner Möbelindustrie“ von Manfred Stingel und Tim Hoffmann. Er wird am Sonntag, 8. September, um 14 und um 16 Uhr zum Tag des offenen Denkmals im Haus der Volkskunst in Dürrwangen kostenlos gezeigt.

Zudem gibt es Führungen durch das Haus, bei denen alle Interessierten die Schlafzimmermöbel aus Frommern und Dürrwangen sowie vieles mehr besichtigen können. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt.

Von der Idee zum Film

Die Idee zu dem Film hatte Manfred Stingel schon lange. Sie ist dem Gründer des Schwäbischen Kulturarchivs, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert, quasi in die Wiege gelegt. Denn sein Vater, der im Krieg verschollen ist und den er nie kennengelernt hat, arbeitete bis 1939 in der Frommerner Möbelfabrik Adam Maier.

Die Familie wohnte in direkter Nachbarschaft zur Fabrik und der kleine Manfred spielte ganz selbstverständlich mit den Söhnen des Inhabers im Holzlager oder schaute dem Heizer zu, wie er die große Dampfmaschine mit Kohle, Holz- oder Furnierabfällen fütterte.

Heute gehört all das der Vergangenheit an, aber viele ältere Frommerner Bürger erinnern sich noch gut an die Zeit. Sie wollte Manfred Stingel zu Wort kommen lassen, solange das noch möglich ist. Denn bisher sei die Geschichte der Frommerner Möbelherstellung noch nicht entsprechend dokumentiert worden, so Stingel.

Ein junger Filmemacher aus Ulm

Durch Zufall stieß Manfred Stingel auf den 23-jährigen Tim Hoffmann aus Ulm. Der junge Filmemacher erklärte sich bereit, die Entwicklung der industriellen Möbelherstellung in Frommern dokumentarisch mit der Kamera aufzuarbeiten. „Es ist schwierig, die ganze Geschichte abzubilden“, beschreibt Hoffmann den Arbeitsprozess.

Schlafzimmer made in Frommern: Tim Hoffmann und Manfred Stingel zeigen bewegte Geschichte

© Privat

Für den jungen Filmemacher Tim Hoffmann war es der erste längere Dokumentarfilm.

Die knapp 35-minütige Dokumentation kann selbstverständlich nicht alle Einzelheiten abdecken, aber sie gibt anhand der detaillierten Schilderungen von Zeitzeugen, mit Hilfe von Archivmaterial und dem Besuch von Originalschauplätzen einen tiefen Einblick in die Geschichte der Frommerner Möbelindustrie.

Diese beginnt mit einem Wandel in der Möbelmode. Die bunt bemalten Bauernschränke galten ab Mitte des 19. Jahrhunderts als nicht mehr zeitgemäß. Man wollte nun edles Holz sehen. Doch das war teuer.

Und so wurde günstigeres Holz, wie etwa Fichte, erst entsprechend angemalt und später mit Furnier beklebt. „Das war die große Zeit der Frommerner Möbler; das war ihre Technik“, erklärt Manfred Stingel.

Friedrich Erhard war der erste Möbelfabrikant in Frommern

Den Anfang machte Friedrich Erhard, der 1889 die erste Möbelfabrik in Frommern gründete. Einige Jahre später machten sich die ersten Meister selbstständig. Und einige Jahrzehnte später gab es über 20 Möbelfabriken im Ort, in denen mehr als 2000 Menschen Arbeit fanden.

Die Möbel, gerade für Schlafzimmer, wurden mit der Bahn vom Bahnhof aus nach ganz Deutschland und in das benachbarte Ausland geliefert. Der Bedarf war da. „Nach dem Krieg war alles kaputt, man hat überall Möbel gebraucht“, weiß Manfred Stingel. Frommern galt bald als „Weltstadt der Möbelindustrie“.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich der örtliche Sportverein TSV Hobel nannte und eben dieses Werkzeug bis heute im Wappen trägt.

Schlafzimmer made in Frommern: Tim Hoffmann und Manfred Stingel zeigen bewegte Geschichte

© Screenshot/Tim Hoffmann

Der Dokumentarfilm zeigt auch die Möbelfabrikantenhäuser in der Beethovenstraße, die um Weihnachten 2018 abgerissen wurden.

Doch die Zeiten wandelten sich. Es kamen Firmen wie Quelle und auch Ikea, die günstige Möbel zum Zusammenstecken im Karton anboten. In den 1980er-Jahren war dann der Ruhm der Frommerner Möbelindustrie endgültig vorbei.

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