Schausteller verzweifelt: Der in Rangendingen gestrandete Zirkus ist in Existenznot geraten

Von Melanie Steitz

Die Corona-Pandemie stellt die Existenz des Zirkus Salto Mortale auf eine harteProbe. Auftritte sind untersagt, und die Versicherungen sind im Juni fällig.

Schausteller verzweifelt: Der in Rangendingen gestrandete Zirkus ist in Existenznot geraten

Die 18-köpfige Zirkusfamilie Bügler, die in Rangendingen ungewollt festsitzt, bekommt die Auswirkungen des Coronavirus zu spüren: Sie verdient kein Geld und hat eine Menge Fixkosten.

Es ist ein sonniger Tag, und die Drohne kreist über dem Festplatz in Rangendingen. Dort ist der Wanderzirkus Salto Mortale seit Mitte März und Beginn der Corona- Krise gestrandet. Das Video, das seit acht Tagen im Internet auf YouTube zu sehen ist, zeigt einen jungen Artisten, der auf den Griffen einer Stehleiter einen eleganten Handstand macht. Ansonsten herrscht gähnende Leere um ihn herum.

Nicht auftreten und nicht weiterziehen

Die 18-köpfige Zirkusfamilie des Circus Salto Mortale darf schließlich nicht mehr auftreten oder weiterziehen, und kann nichts anderes gerade machen, als für sich selbst in Form zu bleiben und zu trainieren.

Große Solidarität

Die gelebte Solidarität mit dem unfreiwilligen Schicksal der Zirkusleute ist groß. Nicht nur die Menschen in Rangendingen, sondern aus dem gesamten Zollernalbkreis und dem Nachbar-Landkreis Tübingen wollen der Familie helfen. Die Zirkus-Omi, die 71-jährige Monika Bügler, erinnert sich zum Beispiel gern zurück an einen Landwirt, der elf Bällen Kraftfutter für die zirka 40 Zirkustiere stiftete und herfuhr.

Hufschmidin arbeitet kostenlos

Und eine junge Hufschmiedin kam einmal zum Festplatz nach Rangendingen und bot der Zirkusfamilie spontan und kostenlos ihre Dienste an. Sie kümmerte sich dann mit dem Einverständnis der Zirkusfamilie um die Pferde und deren Hufen. Immer wieder kommen auch Rangendinger Einwohner zu dem gestrandeten Zirkus, bringen für die Tiere Karotten und Brot vorbei. Zumindest in den nächsten Wochen kommt der Zirkus mit dem gespendeten Futter über die Runden.

Kein Verhandeln möglich

Aber nun, in einer Woche, wird es dennoch eng für den in Rangendingen gestrandeten Zirkus. „Es geht um Geld“, sagt Monika Bügler. Ab 1. Juni werden die Versicherungen für die Tiere und den Zirkusbetrieb fällig. Und Salto Mortale kann diese nicht bezahlen, weil er gerade nicht auftreten kann und die Einnahmen fehlen. Die Versicherungen sind aber essentiell, sie sichern zum Beispiel ab, wenn etwas bei den Aufführungen passiert. So hat die Familie bereits versucht, mit den Versicherungsvertretern zu verhandeln und gefragt, ob sie wegen der Corona-Krise die Zahlung aussetzen dürfe. Aber auch das ist für die Familie nicht möglich.

Dank den Studenten

Die Not ist groß, und die Zirkusfamilie ist weiterhin auf Spenden von wohlwollenden Menschen angewiesen. Da kommt ihnen das Video, das junge Studenten bei ihnen auf dem Hof vor ungefähr drei Wochen im Rahmen einer Spendenkampagne gedreht haben, gerade recht. Sie thematisieren darin den auf die harte Existenzprobe gestellten Zirkus. „Die haben ein super Equipment dabei gehabt“, berichtet die 71-jährige Zirkus-Omi. Mit Drohne und Kamera seien sie angerückt. Vermittelt hatte diese Aktion ein befreundeter Schausteller aus dem Raum Herrenberg, Nagold und Calw. Er hatte auch die Idee für den Dreh in Rangendingen.

Handwerkliche Arbeiten und trainieren

Und die Zirkusfamilie ist ja immer da, kann nicht viel machen. „Das fällt uns sehr, sehr schwer“, sagt Monika Bügler. Die Familienmitglieder versuchen sich derzeit an vielen anderen Aufgaben, streichen die Manege, verrichten handwerkliche Arbeiten, trainieren ihre artistischen Darbietungen, füttern und bewegen die Tiere, misten deren Ställe aus. Und auch das hält alle in Form.

Das Fernweh bleibt

Dennoch das Fernweh bleibt. „Das 15. Gastspiel hätten wir jetzt schon“, hebt Monika Bügler hervor. Rangendingen war der erste Standort nach der Winterpause. Drei Vorstellungen gab Salto Mortale damals, dann folgte die lange Pause, und ein Ende ist nicht absehbar. „Bis zum 31. August dürfen wird gar nichts machen“, sagt die 71-Jährige. Weder Veranstaltungen geben noch zu einem neuen Standort wegfahren.

Noch heißt es hoffen

Normalerweise legt die Zirkusfamilie im März – nach der Winterpause – richtig los. Die Spiel- und Tour-Saison dauert dann bis Mitte November im beheizten Zelt. Ensingen, Aichhalden und Sulz wären die nächsten Ziele von Monika Bügler und ihrem Team gewesen, aber: „Wie es aussieht geht es noch ein bisschen länger.“ Dass die Familie Anfang September wieder auftreten darf, glaubt Monika Bügler nicht. Schließlich seien große Traditionsfeste wie die Wiesn in München und Cannstatter Wasen schon abgesagt worden. Aber: „Wir hoffen noch, dass es danach weiter gehen kann“, sagt Monika Bügler.

Gauner nutzen Zirkusschicksal aus

Info Wer der Zirkusfamilie helfen will, kann beim Festplatz (gegenüber der Schule) in Rangendingen vorbeikommen. In der Vergangenheit waren auch schon Trickbetrüger unterwegs, die sich als Zirkusfamilie ausgaben, die wahre Zirkusfamilie klingelt aber nicht an den Türen in Rangendingen.