Balingen

Sakrale Inbrunst trifft auf Popmusik: „Gregorian Voices“ bringen ihre Zuhörer zum Jubeln

21.01.2022

Von Barbara Szymanski

Sakrale Inbrunst trifft auf Popmusik: „Gregorian Voices“ bringen ihre Zuhörer zum Jubeln

© Barbara Scymanski

Die Gregorian Voices zogen in Ostdorf ihre Gäste völlig in den Bann.

Ob sie summen, den Kammerton A lange stehen lassen, Soli in allen Klangfarben formulieren oder zusammen singen, als käme die Melodie aus einer einzigen Kehle: Die Zuhörer verfallen dem Ton und der Stimmung von Gregorian Voices, wie kürzlich in der Ostdorfer Medarduskirche.

Da braucht es eigentlich keine härenen braunen Kutten und Kerzen statt Fackeln, mit denen die acht ausgebildeten Sänger - allesamt keine Mönche - und dem schlichten aber tief berührenden Gregorianischen Choral „Adoro te devote“ in die Medardus-Kirche in Ostdorf einziehen.

Sakrale Inbrunst trifft auf Popmusik

Ein wenig erinnert das Szenario nämlich an das Gruselgefühl im Film „Der Name der Rose“ nach dem gleichnamigen Bestseller von Umberto Eco, zumal der Chorraum geheimnisvoll magentafarben beleuchtet ist. Dabei hat der Chor eine ganz andere Botschaft: Gregorianik meets Pop bis hin zu Abba und deren Hymne an die Musik. Und das wird zum Ausdruck gebracht mit Überzeugung, sakraler Inbrunst, der Kunst der aufsteigenden Crescendi, der stets anwesenden Feierlichkeit, den eingelagerten Obertönen und der absoluten Präsenz dieser Gruppe.

Gebannte Gäste lauschen andächtig

Kein Hüsteln, kein Scharren – die Zuhörer folgen dem Ausflug ins Frühmittelalter fast schon gebannt. Die an sich eher einfachen, oft einstimmig gesungenen Gebete des gregorianischen Zeitalters werden durch die Bearbeitung des Bass-Sängers und Chorleiters Serhiy Nemerko fein abgeschmeckt mit Polyphonie, sensibler Würze, tonaler Vielfalt, dem Dialog zwischen den hohen und tiefen Stimmlagen sowie gewagten Tonartwechseln. Bei „Cantate Domino“ (Singend dem Herrn ein neues Lied) oder anderen Titel wie „Puer natus est nobis“ (Ein Kind wird uns geboren) entschwinden die Töne der Melodie kurzeitig, um mit starkem Kontrast und ungeheurer Wucht zurückzukehren zum Thema und zur fast schon ebenerdigen Melodie.

Das „Halleluja“ kommt schnörkellos daher

Fast unmerklich gestaltet sich der Übergang zum populären Teil des Konzerts, das die acht Sänger ohne Pause, einem Schluck Wasser und dennoch ohne Spannungsabfall durchziehen. Denn sie stimmen zunächst getragen aber temporeicher und beschwingter das deutsch gesungene Lied „Christrose“ an. Das nämlich hat sich Gastgeber Pfarrer Johannes Hruby gewünscht angesichts des noch immer geschmückten und beleuchteten Weihnachtsbaumes.

Anerkennende Pfiffe und erster Jubel

Doch es kommt kein Übermut auf. Ganz im Gegenteil: die Stimmung und die Haltung des Chors bleibt bestehen. Bei „Halleluja“ von Leonard Cohen schöpfen die Sänger die Strahlkraft, Qualität und das musikalisch raumgreifende Potential dieses Jahrhundert-Songs voll aus. Und das ohne Schnörkel und Schlieren, dafür mit Pausen und fast schon glockenhaften Obertönen. Der Applaus für dieses kleine Meisterwerk der Chormusik ist kräftig und hält lange an. Erste zarte Pfiffe und Jubeln brechen sich Bahn.

Mitsingen und Mitwippen

Gleich darauf möchte man Teil des Konzerts werden und mitsingen oder zumindest mitsummen „My Way“. Wieder so ein Jahrhundertsong, den Frank Sinatra einst so raubeinig in die Welt setzte. Selbst dieser Titel klingt gregoranisiert einfach einlullend mit seinen schöntönenden Passagen, eingestreuten Soli, einstimmigen Passagen und seiner vielstimmigen Ausleitung.

Und erst recht wippt man zumindest mit beim Sehnsuchtslied aller Segler und Weltreisenden: „I’am Sailing“. Die Melodie ist zwar einfacher, doch gewinnt durch den besonderen Klang des Chores eine fast schon sakrale Strahlkraft. Diese scheint auch auf bei „The Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel. Gregorian Voices interpretieren diesen Ohrwurm nicht so rund und wiegend wie das Pop-Duo, sondern wachsamer, eruptiver. Der Streichel-Song wird zum Choral mit raffinierter Dynamik und fein abgestuften Klangfarben.

Publikum ringt den Sängern Zugaben ab

Der Beifall wird zum Jubel, Zugaben werden heftig erklatscht. Pfarrer Hruby verteilt lachsfarbene Rosen an die Sänger – vielleicht wegen der Roman-Assoziation? Und er versteigt sich zur Bemerkung. „Spätestens jetzt weiß ich, dass die Engel im Himmel männliche Stimmen haben.“ Zarte Buhrufe aber zur Befriedung Aller die Abba-Hymne, die nun wirklich angebracht ist nach diesem beseelenden Abend: „Thank You for the Music.“

Diesen Artikel teilen: