FUSSBALL

Regionalliga-Saisonfazit der TSG Balingen: Vertikal und vital erfolgreich

17.06.2021

Von Marcel Schlegel

Regionalliga-Saisonfazit der TSG Balingen: Vertikal und vital erfolgreich

© Sören Herl

Am letzten Spieltag der vergangenen Saison durften wieder eine Handvoll Zuschauende ins Balinger Stadion.

Trainer Martin Braun schaffte es, bei der TSG Balingen an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Ob ihm das zur kommenden Saison in der Fußball-Regionalliga Südwest noch einmal gelingen wird?

Kickers Offenbach, FSV Frankfurt, SSV Ulm 1846, FC 08 Homburg und einige weitere Profivereine mit großer Tradition und zum Teil mit Bundesliga-Vergangenheit machen die Regionalliga Südwest zu einer reizvollen Spielklasse. Für viele ist die Staffel, die hessische, baden-württembergische, saarländische und rheinland-pfälzische Fußballvereine beheimatet, von den bundesweit fünf die stärkste.

Deutlich über die Hälfte der zuletzt 22 (künftig 19) Südwest-Klubs geht die 4. Liga mit Berufsfußballern an, die anderen wählen Mischformen. Einige stellen sich der Herausforderung dabei nur mit Amateuren auf dem Feld und abseits desselben vornehmlich mit Ehrenamtlichen. Zu diesen zählt die TSG Balingen, die lediglich auf der Geschäftsstelle mit einigen Hauptamtlichen arbeitet und ihren Spielern statt eines Profigehalts berufliche Karrierewege zu ermöglichen versucht.

Pokalerfolge schmücken Bilanz

Auf dem 15. Tabellenplatz haben die Schwaben die Mammutsaison 2020/21 mit rund 50 Pflichtspielen beendet. Platz 11 war am letzten Regionalliga-Spieltag noch aus eigener Kraft möglich. Dazu schaffte es der Kreisstadtklub zum zweiten Mal in Folge und zum zweiten Mal überhaupt ins WFV-Pokalfinale, wieder unterlag man Ulm, wieder deutlich mit 0:3. Eine Liga – und doch trennen die württembergischen Nachbarn Welten: vor allem finanziell und infolgedessen auch infrastrukturell und natürlich sportlich.

Für die TSG ist die Regionalliga das höchste der Gefühle. Dass sich die Balinger ein viertes Jahr in der 4. Liga erspielt haben – alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zumal nach der verkorksten Vorsaison mit markanten Abgängen, internen Querelen, Trainerwechsel und dem vorletzten Platz, der ohne den Corona-Saisonabbruch den Abstieg bedeutet hätte.

Geklappt hat es dieses Jahr, weil Trainer Martin Braun der Mannschaft mit seiner besonnenen Art und seiner immensen Erfahrung Vitalität verliehen und Abgezocktheit beigebracht hat, weil der Schwarzwälder das Team defensiv stabiler, taktisch flexibler aufgestellt und damit insbesondere das auf Konter basierte Vertikalspiel wiederbelebt hat.

Gut gegangen ist das Projekt Amateure in der Profiliga ein weiteres Mal, weil der 52-jährige frühere Bundesliga-Spieler in den oder am Rande der baden-württembergischen Nachwuchsleistungszentren topp ausgebildete, junge Neuzugänge fand, die direkt einschlugen. Und die die TSG nur wegen der Plattform Regionalliga nach Balingen locken kann. Ginge es allein um Verdienst, Aufwand, Standort oder Infrastruktur, hätten die Kreisstädter im Ringen um viertligareife Neuzugänge selbst gegen einige Oberliga-Klubs keine Chance, die sich schon in der 5. Liga eine Profimannschaft leisten.

Vollzeitjob als Nachteil

Kurzum: Es muss schon vieles gut laufen, dass in Balingen Regionalliga-Fußball möglich ist. Gerade die berufstätigen Spieler müssen bereit sein, in Arbeits- und Privatleben an die Belastungsgrenze zu gehen. Wer da einer 40-Stunden-Woche nachgeht, dazu trainiert und am Wochenende kickt oder unter der Woche zusätzlich zu Abendspielen nach Gießen oder Koblenz fahren muss, der hält das meist nur ein, zwei Jahre durch – das zeigen die Abgänge der vergangenen Spielzeiten.

Das wiederum macht die Aufgabe für Braun und Co. erst recht komplex, weil jene Neuzugänge, die direkt überzeugen können, von Profiklubs umworben werden und die Routiniers früher oder später der Doppelbelastung Tribut zollen: wenn nicht auf dem Feld, dann daneben. Nur eine Amateurmannschaft, die topp fit, bestens aufeinander eingespielt und zu einer Einheit zusammengewachsen ist, kann in der 4. Liga bestehen.

Zu viel Fluktuation wird zum Problem

Wechsel, Kürzertreten, Karriereende und sonstige Fluktuation stehen diesen notwendigen Voraussetzungen im Wege, zumal weniger trainiert werden kann als dies Profis tun. Auch die für einen Amateurklub starke Balinger Jugendarbeit war allenfalls stark genug, als die TSG noch in der Oberliga spielte – dieser Sprung war für manche U-Spieler noch zu schaffen, doch in die Regionalliga-Mannschaft hat es bislang keiner der eigenen Youngster so richtig gepackt.

All das zeigt, wie hoch einzuschätzen der abermalige Regionalliga-Klassenerhalt der TSG Balingen ist. Doch in der jetzigen Sommerpause beginnt das Spiel von Neuem. Mit Cedric Guarino ist ein Topspieler nach Ulm gegangen. Einige Youngster werden umworben, einige Leistungsträger zögern noch mit der Unterschrift. Wirtschaftlich war die Corona-Saison, die fast komplett ohne Zuschauerinnen und Zuschauer ausgespielt wurde, keine lukrative, sodass der ohnehin schmale Geldbeutel keine Extrainvestitionen für Spieler bereithält. Und von einer Profimannschaft ist man in Balingen ohnedies noch Millionen entfernt, wird es mutmaßlich noch sehr lange Zeit bleiben oder diesen Meilenstein nie erreichen (Ziel ist ein Profiteam laut TSG ohnehin nicht). So stehen Martin Braun und die Balinger Verantwortlichen vor der nächsten Riesenaufgabe. Diese beginnt Mitte August.

Vorbereitungsplan in der Mache

Trainer Martin Braun hat ein erstes Testspiel vereinbart. Dieses findet am 7. August bei der U21 des VfB Stuttgart statt, die wie die TSG Balingen in der Regionalliga Südwest aktiv ist. Am 16. Juli steigt die Mannschaft in die Vorbereitung ein. Am Wochenende vom 13. bis 15. August steigt das erste Punktspiel.

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