Proteste und Kritik für Land und Bund bei Geislinger Infoabend zum geplanten KSK-Gelände

Von Rosalinde Conzelmann

Die Vertreter von Land und Bundeswehr hatten keinen leichten Stand beim ersten offiziellen Bürgerinformations-Veranstaltung zum geplanten KSK-Bundeswehr-Gelände am Dienstagabend in der Schlossparkhalle. Die rund 600 Menschen, die coronabedingt in die Halle durften, erfuhren zwar Details, es blieben jedoch einige Fragen weiter offen und vor allem die Mitglieder der „Bürgerinitiative Waldhof“ äußerten ihren Unmut, dass wertvolles Ackerland für ein militärisches Übungsgelände geopfert werden soll.

Proteste und Kritik für Land und Bund bei Geislinger Infoabend zum geplanten KSK-Gelände

Laut Landratsamt waren 600 Interessierte zur Infoveranstaltung über das Waldhof-Projekt nach Geislingen gekommen. In der Schlossparkhalle blieben aber viele Plätze leer.

Offenbar hatte der Appell der Stadt Geislingen und des Landratsamts Wirkung gezeigt, denn es gab am Dienstagabend kein Verkehrschaos vor der Schlossparkhalle, keine Menschenschlangen und keinen lautstarken Protest. Die Mitglieder der „Bürgerinitiative Waldhof“ hatten sich vor der Halle mit ihren Plakaten positioniert und suchten vor dem offiziellen Beginn der Infoveranstaltung das Gespräch mit den Vertretern des Staatsministeriums. Es kam zu einem kurzen Schlagabtausch mit den enttäuschten BI-Mitgliedern.

Drinnen begrüßte Bürgermeister Oliver Schmid auch im Namen von Landrat Günther-Martin Pauli die rund 600 Menschen, die coronabedingt die Präsenzveranstaltung besuchen durften, darunter auch 40 BI-Mitglieder, Bürgermeister, Ortsvorsteher sowie Geislinger und Rosenfelder Bürgerinnen und Bürger. Auf dem Podium saßen ranghohe Vertreter der Bundeswehr, darunter Oberst Andreas Reyer vom Kommando Spezialkräfte (KSK), Annegret Breitenbücher vom Staatsministerium, Ministerialdirigent Professor Roland Börger vom Verteidigungsministerium und Ralf Hähn vom Zentrum Luftoperationen.

Schmid übt Kritik

Schmid kritisierte den holprigen Start der Standortdebatte, in die die unmittelbar betroffenen Menschen nicht aktiv einbezogen wurden. So entstehe der unschöne Eindruck, dass die Entscheidung insgeheim bereits gefällt wurde oder von den zuständigen Stellen in Bund und Land einseitig getroffen wird.

Gelächter für die Redner

Der Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Dr. Florian Stegmann erklärte, dass es keine leichte Veranstaltung für ihn sei und löste das Rätsel, warum die Bundeswehr die von der Stadt und vom Landratsamt gewünschte Onlineübertragung abgelehnt hat: „Aus Fürsorgegesichtspunkten.“ Seine Erklärung wurde mit Gelächter und Buh-Rufen quittiert, woraufhin Moderatorin Dr. Antje Grobe die Zuhörerinnen und Zuhörer aufforderte, fair und sachlich zu bleiben und diese Art von Bekundungen zu unterlassen. Was dann auch (fast durchweg) funktionierte. Die eine oder andere Ermahnung brauchte es aber noch: „Sie müssen nicht alles kommentieren.“

Stegmann teilte weiter mit, dass es weitere Infoveranstaltungen geben wird, aber nicht in dieser Form. Ausführlich ging er darauf ein, warum das Land und der Bund den Waldhof in den Fokus nehmen. Nachdem für den favorisierten Standort in Haiterbach Gelände fehlte und eine Enteignung für Bund und Land nicht in Frage komme, auch, weil es den Standort Waldhof gibt, sei dieser wieder in den Fokus gerückt. Aus zwei Gründen: zur Unterstützung der Einsatzfähigkeit der Wehr und zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg. Stegmann wurde deutlich: „Europa und die Welt brauchen eine höhere Wehr-Einsatzfähigkeit. Baden-Württemberg bekennt sich dazu.“

Der Chef der Staatskanzlei beleuchtete auch die Rollen von Bund und Land bei der Standortsuche für ein geeignetes KSK-Übungsgelände. „Wir unterstützen den Bund mit Tatkraft bei dieser Aufgabe.“ Dass Bosch sich gezwungen sieht, einen anderen Standort zu suchen, dürfe nicht geschehen. Daher müssten sowohl die wirtschaftspolitische als auch die verteidigungstechnische Dimension bewertet und abgewogen werden. „Wenn wir eine andere geeignete Fläche hätten, hätten wir sie genommen“, stellte er klar. Im Übrigen sei der Standort von Anfang an in der engeren Auswahl gewesen.

Streichen Sie den Militärflughafen aus dem Kopf

Einzig die Entfernung zur Calwer Heimat des Kommando Spezialkräfte (KSK) sei ein Hinderungsgrund gewesen: „Das hat sich nun geändert. Eindringlich appellierte Stegmann an die Menschen im Zollernalbkreis: „Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander.“ Er versuchte den Zuhörern die Angst vor einer Bedrohung zu nehmen: „Streichen Sie den Militärflughafen aus ihrem Kopf.“

Marion Felske, ranghöchste Vertreterin des Verteidigungsministeriums an diesem Abend, meinte, mit Blick auf den Ukraine-Konflikt, dass das Land bestausgebildete Soldatinnen und Soldaten braucht. „Denn wir stehen vor einer neuen Realität in Europa.“ Sicherheit gebe es nicht zum Nulltarif. Ausbildung und Übung seien die beste Lebensversicherung für die Soldaten und Soldatinnen. Das KSK sei eine Spezialeinheit des Heeres und unterliege besonderer Geheimhaltung.

KSK-Oberst berichtet

Oberst Andreas Reyer bekräftigte, dass das KSK nach der Haiterbach-Absage bereit sei, einen längeren Anfahrtsweg zum Übungsgelände in Kauf zu nehmen. Beim sogenannten Freifalleinsatz würden die Fallschirmspringer auf einer Höhe zwischen 1000 und 3600 Meter abspringen; beim Automateneinsatz seien es zwischen 400 und 500 Metern Höhe. Er versicherte, dass der Airbus A400M das größte Luftfahrzeug sein wird, das bei den Übungen im Einsatz ist. Die Soldaten und Soldatinnen würden in voller Montur abspringen, also mit Waffen, allerdings ohne Munition. „Es wird nicht geschossen und nicht gesprengt und Militärfahrzeuge sind nicht im Einsatz“, stellte er klar.

US-Armee muss sich auch an Regeln halten

Seinen Leuten sei es wichtig, möglichst lautlos am Einsatzort zu landen. Ebenso sei der Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten. Es werde nichts versiegelt, sondern nur eine Graspiste geschaffen. „Der Himmel wird sich nicht über dem Waldhof verdunkeln“, versprach er und gab auch über die Anzahl der vorgesehenen Flugtage Auskunft. Es sollen maximal 120 im Jahr sein, eher weniger. Gesprungen werde zu den üblichen Dienstzeiten. Die Nachtsprünge würden im Winterhalbjahr stattfinden und am Wochenende seien keine vorgesehen. An diese Regeln müsse sich auch die US-Armee halten: „Es gibt kein US-Armee-Sonderrecht.“

Keine Aussage über Lautstärke

Auf die brennende Frage, wie laut es denn wird, wenn die Spezialkräfte abspringen oder Lasten abwerfen, darauf gab es an diesem Abend keine Antwort. Wie Ralf Hähn erklärte, wird erst das Lärmgutachten darüber Auskunft geben. Darin werde jeder Start und jede Landung berücksichtigt. Er versicherte aber, das weder ein A400M noch eine C30 Hercules beim Waldhof landen werden. Dort seien nur kleinere Transportflieger im Einsatz. Auch er versuchte die besorgten Zuhörer zu beruhigen: „Sie werden das eine oder andere Luftfahrzeug gar nicht hören.“

Das Land und der Bund suchen in der Standortfrage den Schulterschluss, bekräftigte Annegret Breitenbücher. Sie stellte aber auch klar, dass es im Genehmigungsverfahren bezüglich der Naturschutzfragen keine „Lex Land“ geben wird. Für das KSK dürfe es keine Hindernisse geben. Daher sollen die Baumallee und die Gehölze entfernt, die Stromleitungen verlegt und die Domäne Waldhof rückgebaut werden. Was mit dem Wasserturm, dem Wald und den Kreisstraßen passieren wird, müsse noch geprüft werden. „Die Landesverteidigung steht im Interessenkonflikt ganz oben“, betonte Breitenbücher.

Co-Nutzung möglich?

Während sie sagte, dass keine landwirtschaftliche Nutzung mehr möglich sein wird, versprach Professor Bürger, dass geprüft wird, ob eine Co-Nutzung möglich ist. Das Gelände soll nicht eingezäunt werden und soll außerhalb der Übungszeiten für jeden zugänglich sein und bleiben.

In der anschließenden Fragerunde, bei der auch Jochen Decker von der BI Waldhof, die direkt betroffenen Landwirte Matthias Hölle und Tobias Vötsch zu Wort kamen, ging es vor allem um den Verlust der wertvollen Ackerbauflächen und das Tierwohl. Zudem fürchten die Menschen, dass es sehr laut wird. Auf der Fläche könne man jährlich 2500 Haushalte mit Weizen versorgen, meinte Decker. Wiederholt wurde nachgehakt, warum nicht die bestehenden, teils brachliegenden militärischen Flächen reaktiviert werden anstatt wertvolles Ackerland zu opfern.

Der Zollernalbkreis lässt sich nicht kaufen

„Münsingen ist zu weit weg und der Truppenübungsplatz Heuberg geht nicht, weil dort noch geschossen wird“, so Breitenbücher. „Der Waldhof ist die Grenze dessen, was für das KSK noch vertretbar ist“, erklärte sie. Reyer ergänzte: „Wir können nicht in einen scharfen Munitionsbetrieb reinspringen.“ Ebenso wurde auf die archäologische Bedeutung des Geländes hingewiesen. Auch das Thema Entschädigungen und Kompensationen kam aufs Tapet. Hier positioniere sich der Landrat mit den Worten: „Der Zollernalbkreis lässt sich nicht kaufen.“ Das Land müsse den Dialog mit den unmittelbar Betroffenen führen.

Für die Fragesteller waren die Antworten nicht immer befriedigend, weil viele Daten erst im Genehmigungsverfahren erhoben werden. Klar aber ist seit Dienstagabend, dass Bund und Land den Waldhof für den besten Standort halten und den Zielkonflikt lösen wollen. Dabei, auch darüber gab es keine Zweifel am Dienstag, steht die Landesverteidigung über allem. Und dafür ist das Land gegebenenfalls auch bereit, Kreisstraßen zu verlegen, wie Breitenbücher feststellte. Am Ende des mehrere Jahre dauernden Prozesses soll die luftfahrtrechtliche Genehmigung stehen.

Vorbereitet war man offenkundig auf einen größeren Ansturm, denn es wurden Redebeiträge und Diskussion auch auf einen Monitor nach draußen übertragen. Aber hier harrten nach Veranstaltungsbeginn nur wenige aus.