Fussball

Regionalliga Südwest nimmt den Spielbetrieb wieder auf: Entscheidung schlägt hohe Wellen

01.12.2020

Von Marcel Schlegel

Regionalliga Südwest nimmt den Spielbetrieb wieder auf: Entscheidung schlägt hohe Wellen

© Herl

Vier Spiele binnen zehn Tagen warten im Dezember auf die TSG Balingen.

In der Fußball-Regionalliga Südwest wird im Dezember wieder gespielt. Das schmeckt nicht jedem – auch die TSG Balingen übt Kritik an dieser Entscheidung. Und der TSV Steinbach erwägt eine Klage.

Nachdem sich der Fokus von Sportlern und Funktionären aus der Regionalliga Südwest im November vor allem auf die Politik gerichtet hatte, wird es im Dezember nun wieder vornehmlich um den Fußball gehen. Das steht seit Montag fest. Da bestätigte die Ligaleitung aus Karlsruhe dann auch offiziell, was zwischenzeitlich undenkbar war, doch dann Tag für Tag realistischer wurde: dass die Saison trotz verlängertem Teil-Lockdown fortgesetzt wird. Dies, weil nun auch das Innenministerium von Rheinland-Pfalz die 4. Liga dem Profi- oder Spitzensport zuteilt und damit im Südwesten auch politisch den Weg für den fortgesetzten Spielbetrieb freimacht.

Für die TSG Balingen steigt der Re-Start am 12. Dezember mit dem Auswärtsspiel beim TuS Rot-Weiß Koblenz. Vier Spiele in zehn Tagen soll die Mannschaft von Trainer Martin Braun bestreiten, drei davon in der Bizerba-Arena als Geisterspiele – sportpolitisch umstritten, wirtschaftlich ein herbes Minusgeschäft.

Kein Verschnaufen: Nur fünf Tage Winterpause

Balingens Geschäftsführer Jan Lindenmair hält dieses straffe Programm körperlich für kaum zumutbar, zumal die Balinger Berufstätige, Studierende und Auszubildende beschäftigen, die nach einem Arbeitstag abends trainieren, nun kurz vor Weihnachten unter der Woche Auswärtsfahrten auf sich nehmen müssen und dabei fortan einem doppelten Infektionsrisiko ausgesetzt sind, das indes durch verpflichtende Corona-Schnelltests eingedämmt werden soll. „Wir bereiten uns bestmöglich darauf vor, aber es ist schon grenzwertig“, sagt Lindenmair.

Zumal die Ligaführung um Regionalliga-Südwest-Chef Sascha Döther, offenbar ohne Rücksprache mit den Vereinen, den Spielplan änderte und anstatt Ende Januar nun bereits zwei Wochen eher aus der Winterpause kommen will – am 8. Januar. Für die Kreisstädter, die vor gut fünf Wochen das letzte Spiel bestritten haben, bedeutet das konkret, dass sie lediglich vom 23. bis zum 27. Dezember pausieren können und am 28. Dezember schon wieder in den Trainingsbetrieb einsteigen müssen. Dies am Rande der Alb, die im Winter eher mit Schnee und Eis rechnen muss als andere Regionen der Staffel, die weiterhin Teams aus Hessen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz beheimatet.

TSG kritisiert Entscheidung weiterhin

Doch nicht nur die Witterung macht den Kreisstädtern Sorge. „Die Infektionslage bleibt bedenklich, die behördlichen Verordnungen sind auf Kontaktreduzierung ausgelegt – entsprechend hatten wir nicht mehr erwartet, in diesem Jahr nochmals zu spielen. Und wir befürworten diese Entscheidung auch weiterhin nicht“, so Lindenmair weiter.

Die TSG ist einer von neun Vereinen, welche sich angeführt vom Steinbacher Mäzen Roland Kring in einem offenen Brief gegen die Fortsetzung während des Teil-Lockdowns aussprachen und dabei unter anderem auf die gesellschaftliche Verantwortung zur Kontaktminimierung verwiesen – ein Manöver, das verpuffte.

Mutmaßlich, weil die andere Seite einflussreicher war. Jener Großteil der Profiklubs also, der um jeden Preis weitermachen will und dies ebenso öffentlichkeitswirksam klarstellte. Angeführt wird diese Fraktion von den Kickers Offenbach, die scharf im Ton auf eine Saisonfortsetzung drängten, der Ligaführung mit rechtlichen Schritten drohten, zunächst eine Abfuhr der Verantwortlichen und nun schlussendlich doch bekommen haben, was sie forderten.

Balingen mit Testspiel am Kaiserstuhl

Seit dem Wochenende befinden sich die Balinger nun wieder im Mannschaftstraining, das seit Ende Oktober ausgesetzt war. Für diesen Samstag, voraussichtlich um 14 Uhr, hat die TSG mit dem Ligarivalen Bahlinger SC ein kurzfristiges Testspiel vereinbart, das am Kaiserstuhl natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden soll. Während sich Braun und seine Fußballer also bereit machen für den Re-Start und der TSG-Coach mit Ausnahme vom langzeitverletzten Tom Schiffel momentan auf alle Spieler zurückgreifen kann, schlägt die Entscheidung der geschäftsführenden Regionalliga Südwest GbR auch weiterhin hohe Wellen und polarisiert mehr denn je.

Widerstand formiert sich, in den vergangenen Tagen öffentlich formuliert vom Bahlinger Vorstand Dieter Bühler und von Willi Kempf, der dem FC Astoria Walldorf vorsteht. Beide verliehen ihrem Unverständnis Ausdruck – über wirtschaftlich bedenkliche Geisterspiele, trotz der Corona-Gefahr und dem lauernden Wintereinbruch.

BSC: „Die Folgen müssen wir an der Basis tragen“

Einerseits fordere die Politik, die Kontakte aufs Mindeste zu reduzieren. Andererseits mache sie in der 4. Liga „den Weg frei, damit Amateurspieler kurz vor Weihnachten durch halb Deutschland fahren müssen“, schrieb Bühler. Er frage sich, ob diese, seiner Meinung nach widersprüchlichen Entscheidungen „für die Akzeptanz der Coronaregeln förderlich“ seien, so der Bahlinger. „Der Fußball bleibt in seiner Blase hängen. Die Folgen müssen wir an der Basis tragen.“

Bühler verwies erneut auf die Erklärung, die neun Südwest-Klubs, darunter auch die TSG Balingen, unter Federführung von Steinbachs Mäzen Roland Kring unterzeichnet hatten, in der diese unter anderem eine Aussetzung des Spielbetriebs bis Ende Januar und eine Saisonverlängerung bis in den Juli gefordert hatte – erstens, um einer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen und eben auch, um Geisterspiele und entsprechende wirtschaftliche Verluste bestmöglich zu verhindern.

„Auf diese gemeinsame Stellungnahme gab es nie eine umfängliche Antwort durch die Regionalliga Südwest GbR. Sie wurde nicht einmal zur Diskussion gestellt“, ärgerte sich Bühler. „Die wirtschaftlichen Folgen für uns Vereine spielen bei der Entscheidung, dass ohne Zuschauer weitergespielt wird, überhaupt keine Rolle. Sie werden mit keinem Satz erwähnt.“

Auch Walldorfs Präsident nicht begeistert

Auch aus Stadtallendorf, Mainz und Alzenau, das nun als bayerischer Verein in Hessen trainieren und spielen muss, kam am Dienstagabend Kritik. Willi Kempf aus Walldorf nun bezeichnete die Saisonfortsetzung als „unverständlich und verantwortungslos“. Er ärgerte sich, dass die Spieler nun mit Privatautos einzeln zu Spielen reisen und Vereine dafür und für Vorab-Corona-Tests aufkommen sollen, die wegen fehlender Zuschauereinnahmen ohnehin angeschlagen sind. Kempf zieht offenbar auch rechtliche Schritte in Erwägung: „Hier werde ich prüfen lassen, inwieweit das Verursacherprinzip gilt. Gesundheit geht immer vor und ist das höchste Gut für uns Menschen. Dass man nun leichtfertig und verantwortungslos damit umgehen soll, übersteigt meine Vorstellungskraft und den Glauben in die Politik.“ Hinter dem FC Astoria steht mit SAP-Mitgründer Dietmar Hopp ein potenter Geldgeber.

Steinbach bereitet Klage vor

Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass die Causa Saisonfortsetzung noch eine juristische Wendung bekommen könnte. Wie Matthias Georg, Geschäftsführer des TSV Steinbach Haiger, dem Fachmagazin Kicker bestätigte, prüft der mittelhessische Profiklub derzeit juristische Schritte gegen die kürzlich beschlossene Saisonfortsetzung ab dem 11. Dezember. Wogegen die Steinbacher klagen, wurde nicht bekannt. Inoffiziellen Kanälen zufolge halten sie die Änderung des Spielplans durch die geschäftsführende Regionalliga Südwest GbR für unrechtmäßig. Die TSG Balingen spricht sich gegen die Saisonfortsetzung aus, würde sich laut Manager Jan Lindenmair allerdings nicht an einer Klage beteiligen.

Update, 3. Dezember gegen 9.30 Uhr: Der Artikel wurde am Donnerstag um den letzten Absatz aktualisiert.

Diesen Artikel teilen: