Reutlingen

Reform der Polizeireform: „Die Zollernalb wird profitieren“

24.10.2019

Von Michael Würz

Reform der Polizeireform: „Die Zollernalb wird profitieren“

© Michael Würz

Der Albstädter Ralf Keppler, leitender Kriminaldirektor im Polizeipräsidium Reutlingen, steht einer Hörfunkreporterin Rede und Antwort.

Ab Januar 2020 ist die Polizei im Zollernalbkreis dem Polizeipräsidium Reutlingen angegliedert. Ihr Versprechen an die Bürger: eine schnellere Unfallaufnahme, eine leistungsstärkere Kripo.

„Wir haben hier in Reutlingen eines der modernsten Führungs- und Lagezentren der Republik“, sagt Polizeipräsident Professor Alexander Pick am Mittwochmorgen vor Journalisten. Hier, im Polizeipräsidium Reutlingen, wird ab 1. Januar 2020 rauskommen, wer im Zollernalbkreis den Notruf 110 wählt. Die Vorhut, gewissermaßen: Medienvertreter, die gestern zahlreich zur Pressekonferenz erschienen sind.

Denn wie bereits 2014 wird sich die Struktur der Polizei in der Region gravierend ändern. Die Zollernalb soll dabei besser wegkommen als bei der vergangenen Reform – das ist Polizeichef Pick an diesem Morgen besonders wichtig, das möchte er den Journalisten mit auf den Weg geben.

Was wird sich konkret ändern?

Schwere Unfälle werden künftig wieder von den Polizeirevieren vor Ort aufgenommen, nicht mehr von der Verkehrspolizei aus Zimmern ob Rottweil. „Die Verkehrsunfallaufnahme war 2014 ein großes Thema“, sagt der leitende Polizeidirektor Andreas Stolz. Im ländlichen Raum allerdings habe die Spezialisierung Probleme mit sich gebracht: „Feuerwehren, Rettungsdienst und Beteiligte mussten häufig lange auf die Ermittler warten. Straßen waren außerdem nach Unfällen länger gesperrt.“

Die bisherige Direktive an die Polizeireviere, bei besonders schweren Verkehrsunfällen ihre Kollegen aus Zimmern ob Rottweil hinzuzuziehen – sie habe sich als wenig praxistauglich herausgestellt, lässt auch Polizeipräsident Pick die Journalisten wissen. Denn, so erklären die Verantwortlichen: „Dass ein Unfall besonders schwer ist, bedeutet nicht automatisch, dass er auch besonders komplex zu rekonstruieren ist.“

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Verantwortliche des Polizeipräsidiums Reutlingen stellen sich den Fragen der Presse.

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Journalisten im Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Reutlingen.

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Verantwortliche des Polizeipräsidiums Reutlingen stellen sich den Fragen der Presse.

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Polizeipräsident Prof. Alexander Pick im Gespräch mit einer Journalistin.

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Spezialisten des Verkehrsdienstes für besonders komplizierte Unfälle werde es dennoch weiterhin geben – in Esslingen, Tübingen und einer Außenstelle in Balingen, die von 6 bis 22 Uhr besetzt sein wird. Letztere soll von 12 auf 15 Stellen erhöht werden. Diese Experten können, müssen aber nicht von den Beamten der Reviere hinzugerufen werden. Für die meisten Unfälle, auch schwere, sehe man die Generalisten in den Polizeirevieren ausreichend ausgebildet. Die Spezialisten wolle man dafür künftig verstärkt für besondere Aufgaben in der Verkehrsüberwachung einsetzen. Stolz nennt etwa zivile Videofahrzeuge, die Kontrolle des Schwerlastverkehrs oder Geschwindigkeitskontrollen mit speziellen Messgeräten.

Was sich bei der Kripo ändert

Unterdessen steht auch die Kriminalpolizei vor größeren Veränderungen – deren Dienststellen in der Region vielfach personell unterbesetzt sind. Pick ist sicher: „Die Zollernalb wird hier von Personalzuwachs profitieren.“ Gleichwohl macht Pick keinen Hehl daraus, dass man sich noch immer in einer „Talsohle“ befinde, vor allem aufgrund der Pensionierungswelle bei der Polizei.

Reform der Polizeireform: „Die Zollernalb wird profitieren“

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Polizeipräsident Prof. Alexander Pick.

Lieber aber spricht Pick vor der großen Journalistenrunde ohnehin von den Vorzügen, die die Verantwortlichen bereits ausgemacht haben: Fest stehe demnach bereits, dass eine neue siebenköpfige Rauschgiftermittlungsgruppe ihren Dienst in Balingen aufnehmen wird. Vier Beamte der Kripo und drei Beamte aus Revieren sollen der Drogenszene auf der Zollernalb den Kampf ansagen. Außerdem werde das Kriminalkommissariat in Balingen von heute 15 auf künftig 19 Stellen vergrößert.

Pick beteuert: Auch wenn sich neu geschaffene Stellen noch nicht sofort besetzen lassen, werden die Ermittler im Zollernalbkreis von der neuen Struktur profitieren: „Wir können aus einem großen Gesamtpersonalkörper schöpfen.“ Denn zum Polizeipräsidium Reutlingen gehören auch weiterhin die urbaneren – und kriminelleren – Landkreise Tübingen, Reutlingen und Esslingen. Pick betont: „Personaldefizite im Zollernalbkreis können wir mit Hilfe der größeren Polizeidienststellen leichter kompensieren.“ Umgezogen sei zudem bereits der Kriminaldauerdienst (KDD), der bislang in Nürtingen stationiert war. Dessen Ermittler rücken künftig von Reutlingen zu Einsätzen auf die Zollernalb aus.

Reform der Polizeireform: „Die Zollernalb wird profitieren“

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Auch nach außen hin hat die Polizei einen kleinen, aber markanten Relaunch vollzogen: Polizeipräsident Alexander Pick präsentierte am Mittwoch in Reutlingen das neue sogenannte Verbandsabzeichen, auf dem die Balinger Berge Platz gefunden haben – symbolisiert in Form dreier Albtraufkanten, die das Signet neben dem Turm der Achalm prominent zieren. Umstellen müssen sich die Polizeibeamten auf der Zollernalb ab Januar beim Griff zu ihren Funkgeräten: Ihre Kollegen hören nämlich künftig auf den Namen „Achalm“.

„Wir haben im Präsidiumsbereich insgesamt eine Versüdlichung“, sagt Pick. Staatsschutz, Spurensicherung und Spezialisten für Wirtschafts- und Internetkriminalität wolle man verstärkt in Tübingen ansiedeln. Auch das: eine offenkundige Handreichung in Richtung Zollernalbkreis. Zudem werde die Polizeihundeführerstaffel am Standort Tübingen von 14 auf 16 Beamte verstärkt, um die hiesigen Kräfte unterstützen zu können. In einer Art Strategiepapier, das zahlreiche Punkte umfasst, heißt es wörtlich: „Beim Polizeipräsidium Reutlingen sind wir uns unserer Verantwortung gegenüber dem Zollernabkreis bewusst. Allein mit einer reinen Übernahme und Verstärkung der lokal im Zollernalbkreis ansässigen Organisationseinheiten der Kriminalpolizei ist es nicht getan.“ Pick ist stolz darauf, dass die Neustrukturierung sozialverträglich über die Bühne gegangen sei. „Es hat geklappt. Alles hat sehr, sehr gut funktioniert.“

Kommentar: Die richtige Richtung

Gewiss: Wer die „Reform der Polizeireform“ kritisieren möchte, findet reichlich Futter – es genügt bereits ein flüchtiger Blick auf die einigermaßen verheerende Kostenseite des Projekts. Etwas eigennütziger, durch die Brille des Zollernälblers betrachtet, sieht die Sache aber nicht gar so schlecht aus. Vorbei die Zeiten, in denen Kritik an offenkundigen Missständen tabu war – Polizeipräsident Pick formuliert die Strukturprobleme der vergangenen Jahre nunmehr höchstselbst vor den versammelten Medienvertretern.

Das macht den Mann glaubwürdig, wenn er betont, dass es ihm ernst ist mit der Polizei im Zollernalbkreis. Die Beamten in den Dienststellen werden gleichwohl – und zu Recht – mit Argusaugen beobachten, ob die versprochenen Stellen tatsächlich besetzt werden. Dass Pick daran gelegen ist, die Integration der Zollernalb ins Polizeipräsidium Reutlingen erfolgreich abzuschließen und aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen – daran lässt der Polizeichef keine ernsthaften Zweifel. mwü

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