Zollernalbkreis

Raus, aber ohne Übermut: Bergwacht mahnt zur Vorsicht auf dem Schlitten

13.01.2021

Von Michael Würz

Raus, aber ohne Übermut: Bergwacht mahnt zur Vorsicht auf dem Schlitten

© Jonathan Engele

Dem Schneemobil (vorne) hatte in den vergangenen Tagen mancher Ausflügler seine Rettung zu verdanken.

Rodler, die sich überschätzen, Wanderer mit falschem Schuhwerk: Die DRK-Bergwacht Zollernalb ist im Dauereinsatz.

Edwin Blessing, Chef der DRK-Bergwacht Zollernalb, ist kein Mann des erhobenen Zeigefingers. „Die Leute sollen raus“, sagt er. „Niemand will gerne eingesperrt sein.“ Dass die Albstädter Traufgänge an manchen Tagen regelrecht von Ausflüglern aus dem Tübinger, Reutlinger, Esslinger oder Stuttgarter Raum belagert sind – für Blessing durchaus nachvollziehbar. „Wenn jemand in der Stadt wohnt, mit Kindern, und dann der erste Schnee fällt, dann will man einfach raus aufs Land.“ Und an sich, findet Blessing, wäre das auch völlig in Ordnung – jedenfalls, so lange die Leute Abstand halten.

Übermut ist gefährlich

Ein kleines Problem gibt es da aber dann doch: Weil es coronabedingt keinen Skibetrieb gibt, greifen viele zum Schlitten. „Und da“, sagt Blessing, „muss man sich schon klar machen, dass man unter Umständen jahrelang nicht mehr draufgesessen hat und vielleicht gar nicht mehr so beweglich ist.“ Denn ansonsten endet die rasante Fahrt schnell an einem Baum – wie zuletzt am Sonntag unterhalb des Lochens. Aber auch Wanderer seien gut beraten, insbesondere auf gutes Schuhwerk zu achten, mahnt Blessing. Seine einfache Regel, die man sich hinter die Ohren schreiben möge: „Es ist halt Winter.“ Traufgang-Wanderer in sommerlichen Turnschuhen sieht Blessing dieser Tage deshalb gar nicht gerne – denn die Wege sind glatt, und die Abhänge am Albtrauf steil. Häufig sei es der Leichtsinn, der Übermut, der dazu führe, dass die Bergretter ran müssen, konstatiert Blessing.

Einsätze unter Coronabedingungen

Und dies unter erschwerten Corona-Bedingungen: „Bereits im März haben wir unsere Einsatztaktik geändert“, erklärt Blessing. Die Maske – für die Retter ist sie obligatorisch, dazu Brille und Schutzhandschuhe. „Wir haben außerdem eine Plastikschutzhülle dabei.“ Damit, so Blessing, könnten sie eine Art mobile Isolierstation errichten, bestünde bei einem Patienten akuter Coronaverdacht. „Und wir müssen natürlich außerdem die Desinfektion organisieren.“

Weniger Skiunfälle, mehr Rodelunfälle

Auch dürften die zahlreichen Einsätze der Bergwacht nicht im Sinne der Väter und Mütter der Corona-Verordnung sein: Denn neben der Kontaktvermeidung hatten sie sich vom eingestellten Liftbetrieb auch eine Entlastung für die Klinken – also weniger Einlieferungen verunfallter Patienten – versprochen. Tatsächlich dürften sich die Einsatzzahlen aber kaum von denen in den Vorjahren unterscheiden, wenn nicht sogar steigen, schätzt Blessing. Um die 30 Mal rücken sie üblicherweise pro Jahr aus, allein seit Weihnachten zählt die DRK-Bergwacht Zollernalb mehr als zehn Einsätze. Darunter: verunglückte Rodler, Wanderer, Langläufer – und ein Fotograf, der für ein Foto „von der schönsten Region der Welt“, wie die Bergwacht in ihrem Bericht schreibt, auf einen Baum geklettert war – der dem Mann nicht standhielt.

Einheimische sollten am Wochenende nicht an die Hotspots

„Was wir auf jeden Fall wahrnehmen, ist die gehäufte Anzahl von Rodelunfällen“, sagt Blessing. Aber auch bereits im Sommer habe die Pandemie Auswirkungen auf die Einsätze der Bergretter gehabt: Als viele das Fahrrad für sich entdeckten, habe die Bergwacht immer wieder verunglückte Radler retten müssen, vermehrt auch E-Biker.

Einheimischen rät Blessing: „Wir Albstädter müssen ja am Wochenende nicht auch an die Hotspots gehen, wo es die auswärtigen Besucher hinzieht.“ Vielmehr sollten Einheimische ihren Heimvorteil – und an stark frequentierten Tagen weniger bekannte Wege – nutzen, findet Blessing. So oder so: Wenn doch etwas passiert, stehen die Retter der Bergwacht parat. Mit ihrem Schneemobil, dem „Skidoo“, bringen sie dann häufig Notärzte zu Verunglückten an schwer erreichbaren Stellen und transportieren die Patienten ab, übergeben sie an Rettungswagen oder Hubschrauber.

Hubschrauber mit Winden haben lange Anflugstrecken

Letztere hätten teils lange Strecken zu fliegen, immer dann, wenn eine Maschine mit einer Winde benötigt würde, sagt Blessing. Insofern verwundert es nicht, dass die Bergwacht die Bemühungen von Landrat Günther-Martin Pauli, Kreisbrandmeister Stefan Hermann und dem DRK-Vorsitzenden Heiko Lebherz unterstützt – sie kämpfen bekanntermaßen für einen eigenen Rettungshubschrauber in der Region (wir berichteten ausführlich). „Ich sehe aber natürlich auch, dass das ein wirklich großes Projekt und teuer ist“, betont Blessing.

Die neue Wache kommt

Bereits sicher ist hingegen, dass die DRK-Bergwacht im Zollernalbkreis eine eigene Wache bekommt – auf Langenwand. Denn die derzeitigen Bedingungen sind für die ehrenamtlichen Retter alles andere als optimal: Sie sind Mieter einer Halle in Tailfingen, die sie sich unter anderem mit einem Malerbetrieb teilen. „Dort können wir nicht mal unsere Seile richtig trocknen, Helfer müssen sie nach Einsätzen mit nach Hause nehmen, um sie zu trocknen“, klagt Blessing. Auch eine Heizung fehle, genauso wie das Einsatzfahrzeug nicht ordentlich gereinigt werden könne. In der künftigen Wache seien dann am Wochenende sogar Präsenzdienste möglich. „Ein Team und ein Fahrzeug wird immer vor Ort sein“, blickt Blessing voraus.

TV-Helden locken Outdoorfans ins Ehrenamt

Die Bergretter Nein, sagt Edwin Blessing, so wie in der ZDF-Erfolgsserie gehe es bei der echten Bergwacht natürlich nicht zu. „Bei uns gibt es das ganze emotionale Drama drumherum nicht.“ Das sei in etwa so, als frage man einen Polizisten, wie realistisch ein „Tatort“ sei. Allerdings stellt Blessing auch fest: Dem Image schaden die TV-Helden keinesfalls. Sage und schreibe 21 auszubildende Anwärterinnen und Anwärter zählt die DRK-Bergwacht Zollernalb im Moment. Sie sind zwischen 16 und Anfang 30, die meisten Outdoorfans, aber auch Feuerwehrleute und Rot-Kreuz-Mitglieder steigen bei der Bergwacht ein.

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