Hechingen

Rassismus-Debatte: Palmer provoziert mit Foto vor dem Hechinger „Mohren“

28.08.2020

von Andrea Spatzal

Rassismus-Debatte: Palmer provoziert mit Foto vor dem Hechinger „Mohren“

© Boris Palmer/Facebook

„Wo bin ich?“, fragt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer provokant. Die richtige Antwort lautet: in Hechingen.

Boris Palmer ist immer für eine Überraschung gut. Jetzt sorgt der Tübinger Oberbürgermeister und Grünen-Politiker mit einem Foto vor dem Hechinger Gasthof „Mohren“ für Online-Furore.

Der Tübinger Oberbürgermeister und Grünen-Politiker Boris Palmer weiß zu polarisieren. Sein neuester Coup ist – mitten in der Rassismus-Debatte – ein Selfie vor dem Hechinger Hotel-Gasthof „Mohren“.

„Wo bin ich?“, fragt Palmer auf Facebook provokant. Hinter dem gut gelaunten Konterfei des Polit-Rebellen weht schwarz-rot-golden die Deutschland-Fahne und ist der der Schriftzug „Hotel Mohren“ deutlich zu lesen. Und Palmer liefert auch postwendend die richtige Antwort auf seine Frage: Das Foto habe er in Hechingen aufgenommen. „Ich lief da vorbei und genau so sieht es dort aus; wenige Meter vom Rathaus“, klärt Boris Palmer auf.

„Entspannt euch“

Der Facebook-Post wäre jedoch kein „echter Palmer“, wenn es sich nur um einen Schnappschuss von einem Urlaubsausflug handeln würde. Der selbst ernannte „Anti-Anti-Rassist“ zielt mit dem Foto nämlich mitten in die gerade heftig geführte Rassismus-Debatte.

Palmer hat auf dem Foto ein breites Grinsen im Gesicht. Offenbar weiß er schon, was ihm jetzt wieder blühen wird: ein Aufschrei der Empörung, ein Shitstorm im World Wide Web. Deshalb nimmt der Talkshow-Dauergast auch die allzu leicht vorhersehbaren Reaktionen gleich vorweg. Palmer stellt auf Facebook klar: Nein, er sei nicht „bei Nazis“, nicht „in der AfD“, nicht „am geistigen Abstieg“ und auch kein „Rassist“. Palmer schreibt und appelliert: „All die Kommentare mit diesem Duktus gehören in die Kategorie ,entspannt euch‘“.

Palmer gegen „übertriebene politische Korrektheit“

In einem Gastbeitrag in der F.A.Z. plädierte Boris Palmer erst kürzlich für „eine unverkrampfte Emanzipation“ im Zusammenhang mit der Rassismus-Debatte. Seiner Meinung nach braucht es „im Kampf für die Gleichberechtigung von Minderheiten keinen Aktionismus und keine übertriebene politische Korrektheit“.

Affäre um „Mohrenköpfle“

Palmer liefert ein Beispiel für das „Reaktionsmuster“, das seiner Meinung nach „viele emanzipatorische Strömungen mittlerweile an den Tag legen“: In seiner „schönen Wirkungsstätte Tübingen“, so schildert es der OB in dem Artikel, habe vor einigen Jahren ein „unverdächtiger Konditor“ eine Schokoladenkreation mit dem Namen „Tübinger Mohrenköpfle“ auf den Markt gebracht. Alle hätte eingesehen, dass die Namensgebung „sicher nicht sensibel im Umgang mit der Kolonialgeschichte“ ist und und „für viele Menschen mit schwarzer Hautfarbe eine verletzende Namensgebung“ darstellt.

„Reaktion für Mehrheit der Gesellschaft unverständlich“

Gute Gründe also, den Schokokuss umzutaufen, was der Konditor bereitwillig getan habe. Mittlerweile heiße die Süßspeise „Chocolino“, führt Palmer weiter aus. So weit so gut, doch nicht genug. Palmer: „Weil ich als Oberbürgermeister nicht offiziell gegen Konditor und Mohrenkopf eingeschritten bin, wurde mir vom „Bundesverband der Schwarzen in Deutschland“ öffentlich vorgeworfen, ich billige Rassismus“. Der umstrittene Grünen-Politiker wertet das als „eine Reaktion, die für die große Mehrheit der Gesellschaft unverständlich und kaum geeignet ist, Unterstützung zu generieren“.

1000 Facebook-Kommentare binnen Stunden

Palmers Facebook-Foto vor dem Hechinger Mohren verfehlt seine Wirkung natürlich nicht. Binnen weniger Stunden kassierte der Urheber 1000 Kommentare, wobei sich die positiven und die negativen ungefähr die Waage halten. Hier einige Beispiele: „Da wird man in der Berliner Parteizentrale mal wieder hyperventilieren“, postet ein Fan in Vorfreude auf die zu erwartende Welle der Empörung. „Bisschen provokant sind se schon. Bin schon auf den Shitstorm gespannt“, schreibt Alex.

„Aber bloß kein Schnitzel essen mit der bösen Soße“, geht Yvonne sogar noch einen Schritt weiter. „Zur Abwechslung mal am Schlossplatz und nicht im Nägelehaus?“, stellt Jo die Gegenfrage – natürlich in Anspielung auf die „Servicewüste“-Debatte, die Palmer vor Jahren mit seiner Beschwerde über das Onstmettinger Nägelehaus ausgelöst hatte. In der Gaststätte hatte man dem prominenten Gast verweigert, sein Apfelschorle im Freien zu trinken, mit der Begründung, die Terrasse sei noch geschlossen.

Hechinger treten für das Traditionsgasthaus ein

Freilich kassiert Palmer für das „Mohren“-Foto wieder reichlich Häme und Kritik: „Das Haus wird jetzt sicher umbenannt in Palmers Clubhotel. Für mich ein weiterer Beleg, wie gerne sich Tübingens OB inzwischen selbst inszeniert, keine Gelegenheit verpassend“, stellt zum Beispiel Roland fest. Vom Absender „WeLikeHechingen“ kommt die Feststellung: „Für uns Hechinger ist der Mohren keine Debatte wert, da er seit Jahrzehnten Programm ist“. Und Facebook-User Andreas fragt: „Wofür muss man das Hotel jetzt in diese sinnlose Debatte werfen? Da können die Besitzer sich jetzt freuen auf die Diskussion.“

Hechinger „Morgen“ steht zum Verkauf

Das Hechinger Gasthaus Mohren steht zum Verkauf. Die Immobilie wird für 1,6 Millionen Euro im Internet angeboten. Das traditionsreiche Gasthaus wechselte in den vergangen Jahren mehrfach die Besitzer. Vor zirka 15 Jahren war es ein Hechinger, der das Gebäude für einen knapp sechsstelligen Betrag erworben und umfassend saniert hat. die Sanierung des Gebäudes investiert.

Der Mohren war stets bei den Hechinger Vereinen und Vereinigungen sehr beliebt und deren Vereinslokal udn regelmäßiger Treffpunkt. Eine der ersten Adressen war der Mohren jedes Jahr während der Fasnet. 2012 kaufte ein Steuerberater das Gebäude als Geldanlage. Doch bald gab es Probleme mit den Pächtern. Die aktuellen Eigentumsverhältnisse sind nicht bekannt. Das Gebäude mit Restaurant, Biergarten, Kellerbar, 16 Fremdenzimmern und Betreiberwohnung wird von einem Immobilienmakler angeboten.

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