Balingen

„Querdenker“ verteilen auf dem Balinger Wochenmarkt Flugblätter

31.10.2020

Von Michael Würz

„Querdenker“ verteilen auf dem Balinger Wochenmarkt Flugblätter

© Rosalinde Conzelmann

Das Treiben der Maßnahmen-Gegner auf dem Balinger Wochenmarkt hat auch die Polizei angelockt (rechts).

Kopfschütteln, Unverständnis, „Spinner“-Vorwürfe: Auf besonders viel Zuspruch stießen die Gegner der Corona-Maßnahmen am Samstagmorgen nicht. Die Initiative „Querdenken 7433 Balingen-Zollernalb“ hatte die Aktion auf dem Wochenmarkt zuvor auf Telegram angekündigt – in der örtlichen Querdenker-Gruppe, die der Kreisrat Andreas Hauser im Zuge seines Partei-Austritts aus der „Linken“ kürzlich vorangetrieben hatte. Sie, und offenbar eine weitere Gruppe, protestierten gegen die Corona-Maßnahmen.

Beamte der Polizei kontrollierten die Aktion und prüften unter anderem, ob sich die Gegner der Corona-Maßnahmen an die Maskenpflicht hielten. Das taten sie, Hauser hatte seine Mitstreiter in der Telegram-Gruppe zuvor dazu aufgerufen: „Nun sind wir ja gegen Masken, andererseits würde das Nicht-Tragen von Masken recht schnell zu Ärger führen“, mahnte er. „Was ich in der Anfangsphase unserer Aktion nicht als hilfreich erachten würde.“ Mit Maske, glaubt Hauser, komme man eher an die Leute ran.

„Querdenker“ verteilen auf dem Balinger Wochenmarkt Flugblätter

© Rosalinde Conzelmann

Gut eingepackt: Auftritt von Aktivisten auf dem Balinger Wochenmarkt. Laut „Querdenkern“ hatte es sich bei ihnen jedoch um eine zweite, nicht abgesprochene Aktion gehandelt.

Wie bei ähnlichen Aktionen im gesamten Bundesgebiet marschierten Aktivisten in auffälliger Schutzkleidung über den Balinger Wochenmarkt. Die örtlichen „Querdenker“ hatten auch eine Aktion in Albstadt geplant. Sie weisen indes darauf hin, dass es sich bei den Protestierenden in Schutzanzügen nicht um die „Querdenker“, sondern um eine zweite Aktion von „Keine Panik“ gehandelt habe – „leider nicht abgesprochen“, wie einer in der lokalen Querdenker-Gruppe schreibt.

Flugblätter auf dem Wochenmarkt und im Briefkasten

Die Gegner der Corona-Maßnahmen verteilten Flugblätter, die von dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt Bodo Schiffmann unterzeichnet sind, der in Sinsheim eine Schwindelambulanz betreibt. Derlei Flugblätter hatten sie in den vergangenen Tagen auch in der Gegend ausgetragen – manch ein ZAK-Leser, der sie in seinem Briefkasten vorfand, zeigte sich darüber empört. Denn: Fachleute halten die Inhalte der Flugblätter über das Coronavirus für hanebüchen und gefährlich, viele Behauptungen der „Querdenker“, von „Schluss jetzt“ oder „Eltern stehen auf“ halten ihnen zufolge seriösen, wissenschaftlichen Überprüfungen schlicht nicht stand.

„Querdenker“ verteilen auf dem Balinger Wochenmarkt Flugblätter

© Rosalinde Conzelmann

Der selbsternannte Corona-Ordnungsdienst.

Die Staatsanwaltschaft hatte vor wenigen Tagen Schiffmanns Praxis durchsuchen lassen. Er steht im Verdacht, Masken-Atteste an Patienten ausgestellt zu haben, die er gar nicht untersucht hatte. Schiffmann gilt als Sprachrohr der bundesweiten „Querdenker“-Bewegung. Er tourt derzeit mit einem Reisebus durch Deutschland, wollte eigentlich auch in Balingen Halt machen. Doch daraus wurde, wie berichtet, nichts. Die „Querdenker“ hatten die Frist zur Anmeldung der Kundgebung nicht eingehalten.

Früher bei „Die Linke“, jetzt „Querdenker“

Den Startschuss für die Querdenker-Bewegung im Zollernalbkreis gewissermaßen hatte Andreas Hauser gegeben, der im ZOLLERN-ALB-KURIER bereits vor Monaten das Handeln der „Linken“ in der Coronakrise angeprangert hatte, deren Mitglied er da noch war. Anfang Oktober trat das Kreistagsmitglied „mit freundlichem Querdenker-Gruß“ aus, sein Mandat im Kreistag will er gleichwohl nicht aufgeben.

Zugleich hatte er im Netz die Initiative „Querdenker 7433 Balingen-Zollernalb“ prominent beworben. Die Kommunikation und Aufbauarbeit der Initiative findet bei Telegram statt – dem bevorzugten Kanal von Gegnern der Corona-Maßnahmen und Corona-Leugnern.

Proteste der „Querdenken“-Bewegung finden seit April in ganz Deutschland statt. Sie prangern unter anderem die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus – wie die Maskenpflicht – an, zweifeln an offiziellen Zahlen und kritisieren die aus ihrer Sicht falsche Berichterstattung der Medien über die Pandemie, die sie für weniger gefährlich halten als etwa führende Wissenschaftler.

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