Hechingen

Prozess um Messerangriff in Thanheim: Junger Mann war nicht Herr seines Handelns

07.05.2019

von Matthias Badura

Prozess um Messerangriff in Thanheim: Junger Mann war nicht Herr seines Handelns

© Matthias Badura

Ein 24-Jähriger muss sich vor dem Landgericht Hechingen verantworten. Er soll im Januar auf seine Mutter und ihren Partner mit dem Messer losgegangen sein.

Der eigenen Mutter ein Küchenmesser in den Hals gerammt, dass die Klinge abbrach, dann mit einem anderen auf den Stiefvater losgegangen und auch ihn so verletzt, dass er massiv blutete – der Leitende Oberstaatsanwalt Jens Gruhl wirft einem 24-Jährigen, gegen den seit Dienstag am Landgericht Hechingen verhandelt wird, schwere Körperverletzung, versuchten Mord und versuchten Totschlag vor.

Allerdings geht der Staatsanwalt schon von vornherein davon aus, dass der Angeklagte nicht schuldfähig ist. Nach Gruhls bisheriger Überzeugung war der junge Mann aus Thanheim zur Tatzeit nicht Herr seines Handelns, könnte dann auch strafrechtlich dafür nicht nicht verantwortlich gemacht werden.

Den Anlass für das blutige Geschehen bildete wohl kein Zerwürfnis oder Streit, es ging nicht um Liebe, Ehre oder Geld, vielmehr leidet der 24-Jährige offenbar an einer erheblichen psychischen Störung. Deshalb wurde er auch nach seiner Verhaftung am 5. Januar und einer elftägigen Untersuchungshaft nicht im Gefängnis einbehalten, sondern in eine geschlossene psychiatrische Anstalt überstellt, wo er sich bis heute befindet.

Wahnvorstellung führt zu Tat

Wie es der Staatsanwalt sieht, stand der Angeklagte in der Zeit um den 4. Januar unter dem Wahn, seine Mutter und ihr Partner hätten vor, ihn zu ermorden. Dem wollte er zuvorkommen, indem er seinerseits sie tötet. So griff er in der ersten Morgenstunde des 5. Januar zu einem Messer, attackierte seine schlafende Mutter und dann ihren Lebensgefährten, als der seiner schreienden Frau zu Hilfe eilte. Mit Rücksicht auf seine Erkrankung ersparte man es dem Angeklagten, die blutige Tat und seine Motive vor Publikum schildern zu müssen.

Über diesen Teil der Verhandlung am Dienstag wurde die Nichtöffentlichkeit verhängt. Auch was der psychiatrische Gutachter im weiteren Verlauf des Prozesses zu sagen hat, wird hinter den Türen des Landgerichtssaales 168 verschlossen bleiben. Zugelassen war das Publikum am Dienstag wieder, als der 24-Jährige seinen Lebenslauf schilderte. Hier gab es keine Auffälligkeiten, der freundlich, fast schüchtern wirkende junge Mann wuchs eigener Erzählung zufolge mit einer Schwester auf, ging in den Kindergarten, in die Schule und besuchte später das Gymnasium.

Informatikstudium in Tübingen

Bis Januar diesen Jahres studierte er Informatik in Tübingen, hatte aber wohl für sich beschlossen, ins Lehramt zu wechseln, nachdem er am Nachhilfeunterricht, den er gab, immer mehr Gefallen fand. „Ich mache lieber was mit Menschen als mich um die Probleme von Computern zu kümmern“, meinte er. Wann und wie sich eine seelische Krankheit äußerte, wurde, wie gesagt, vor der Öffentlichkeit nicht ausgebreitet. Vermuten könnte man aufgrund von Andeutungen des Gerichtes, dass zum Tatzeitpunkt auch Drogen oder Medikamente eine Rolle spielten. Sicher ist das aber nicht.

Mit Alkohol, das kam zur Sprache, hatte der 24-Jährige – zumindest nach eigenem Dafürhalten – keine Probleme. Er habe zwar bei Studentenpartys mitgefeiert, sonst aber eher mäßig getrunken. Gehört wurde am Dienstag zudem der Polizeibeamte, der am 5. Januar als erster mit einer Kollegin am Tatort eintraf.

Der blutende Hausherr habe auf der Haustreppe gestanden und ihm mitgeteilt, der Angriff sei vorüber und der Sohn inzwischen geflohen. Darauf machten sich der Beamte und ein größeres Aufgebot seiner Kollegen mit Spürhunden auf die Suche, während andere bei den Opfern blieben und den Tatort untersuchten. Auch ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera an Bord wurde aus Stuttgart angefordert, musste allerdings aufgrund der Wetterlage wieder abdrehen. Nachdem er erst nicht zu finden war, griff die Polizei den Gesuchten einige Stunden später in der Nähe seines Elternhauses doch noch auf und verhaftete ihn.

Fortsetzung am Donnerstag

Fortgeführt wird der Prozess unter dem Vorsitz von Dr. Hannes Breucker am Donnerstag um 14 Uhr im Saal 168 des Hechinger Landgerichtes. Auf der Liste der Zeugen stehen auch die beiden Opfer, die der Verhandlung am Dienstag schon beiwohnten: die Mutter und ihr Partner.

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