Prof. Kremsner aus Heiligenzimmern leitet Corona-Impfstudie: Zulassung im Winter möglich?

Von Bettina Stehle

Gibt es schon bald einen wirksamen Impfstoff gegen das Corona-Virus? Der in Heiligenzimmern wohnhafte Professor Dr. Peter Kremsner, einer der Top-Mediziner Deutschlands in der Tropenmedizin, leitet aktuell eine EU-Impfstudie. Seine bisherigen Erkenntnisse sind sehr vielversprechend. Wenn die vorläufige Zulassung des Impfstoffes im Winter erfolgt, kann mit einer generellen Zulassung Mitte 2021 gerechnet werden.

Prof. Kremsner aus Heiligenzimmern leitet Corona-Impfstudie: Zulassung im Winter möglich?

Professor Dr. med. Peter G. Kremsner an seinem Arbeitsplatz am Institut für Tropenmedizin an der Universität Tübingen.

Seit Januar diesen Jahres hat Professor Kremsner mit dem biopharmatechnischen Unternehmen CureVac aus Tübingen klinische Studien geplant. CureVac hat einen Impfstoff entwickelt auf der Basis des Botenmoleküls mRNA. Dieses regt die Bildung von Virus-Eiweiß an und löst eine Immunreaktion aus, die Menschen vor Viren schützen sollen.

Wir haben über die Impf-Studie ein Interview mit Professor Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin in Tübingen, geführt.

Am vergangenen Donnerstag gab das Paul-Ehrlich-Institut und die Ethikkommission der Uni-Klinik Tübingen grünes Licht für die Impfstudie. Was ist seither geschehen?

Dr. Peter Kremsner: Am Freitag haben wir einer ersten Probandin den Impfstoff verabreicht. Sie wurde 24 Stunden über Monitor und von Ärzten überwacht und die Ergebnisse sind sehr positiv. Die Person hat den Impfstoff gut vertragen, ganz ohne Nebenwirkungen.

Wie geht die Testphase weiter?

Kremsner: Am Montag haben wir drei weitere Probanden getestet und das Ergebnis war ebenfalls sehr gut. Am Dienstag schaute sich in einer Videokonferenz das Sicherheitskomitee aus unabhängigen Experten das Ergebnis an. Wenn sie es für gut erachten, wovon ich ausgehe, werden am Mittwoch vier weitere Personen geimpft. Das geht dann in dieser ersten Phase so weiter bis wir 168 Personen geimpft haben, was in circa drei Wochen abgeschlossen sein wird. Wir haben auch genügend Testpersonen, da sich fast 1000 Menschen auf unseren Aufruf gemeldet hatten.

Was folgt dann in den weiteren Phasen?

Kremsner: Nachdem wir in der ersten Phase ausschließlich gesunde Personen zwischen 18 und 60 Jahren getestet haben, nehmen wir in der zweiten Phase auch Risikogruppen auf, zum Beispiel ältere Personen oder Menschen mit Vorerkrankungen. Die Tests werden dann detaillierter und es wird zum Beispiel die Dosis ausgetestet. Die Phase 3 ist dann die Zulassungsstudie. Wir wollen diese noch in diesem Jahr erreichen. Diese Phase 3 ist eine Placebo-kontrollierte verblindete, randomisierte, multizentrische Studie.

Dies bedeutet, dass eine Gruppe ein Placebo-Produkt erhält und die andere Gruppe den Impfstoff. Es wird dann ausgetestet, wie viele Personen von der jeweiligen Gruppe an Covid-19 erkranken. Voraussichtlich müssen dann Probanden aus Brasilien oder den USA genommen werden, da es – zum Glück – in Deutschland nicht mehr so viele Erkrankte gibt.

Die Ausdehnung auf andere Länder ist auch wichtig, um möglichst viele verschiedene Gruppen zu untersuchen. Somit können wir dann auch die Zulassung für den Impfstoff über die europäische Zulassungsbehörde einreichen und gegebenenfalls auch weltweit die Impfung anbieten.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass ein Impfstoff viel schneller gefunden wird als dies normalerweise für Impfstoffe der Fall ist.

Woran liegt dies?

Kremsner: Das liegt zum einen daran, dass der gesellschaftliche Druck groß ist und somit auch viel Geld für diese Forschung investiert wird. Zum anderen werden Bewilligungsabläufe viel effizienter bewältigt als bei bisherigen Forschungen. Die entsprechenden Kommissionen sind viel schneller in ihrer Begutachtung, arbeiten mit Hochdruck daran und setzen entsprechende Prioritäten.

Wie viele Personen arbeiten in Ihrem Institut an dieser Studie?

Kremsner: 30 Personen sind aktuell mit dieser Untersuchung beschäftigt. Parallel laufen aber auch noch weitere Forschungen, wie zum Beispiel für Therapien gegen Covid-19. Zudem laufen allmählich auch wieder unsere Alltagsarbeiten an.

Das hört sich nach viel Arbeit an. Wie bewältigen Sie dies alles?

Kremsner: Seit Jahresanfang habe ich wieder eine knapp 100-Stunden-Woche. Zur Tagesarbeit kommt aktuell noch viel Medienarbeit hinzu. Es gibt Tage, da habe ich 20 Interview-Anfragen von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Dieser Zeitaufwand ist jedoch nichts Neues für mich.

Nachdem ich schon fast 200 klinische Studien durchgeführt habe, beispielsweise zur Malaria, Grippe oder Tuberkulose, bin ich an diese Extrembelastungen gewöhnt.