Pionierarbeit für den Kreis: Hans-Ulrich Schmedtlevin im großen Interview

Von Erhard Goller

Hans-Ulrich Schmedtlevin, Gründungsmitglied der RSG Zollern-Alb, engagiert sich seit vielen Jahren für den Radsport. Der Tailfinger hat nicht nur einige Weltcup- und WM-Protagonisten animiert, sondern war auch daran beteiligt, dass das „Bullentäle“ zum Radsport-Mekka wurde.

Pionierarbeit für den Kreis: Hans-Ulrich Schmedtlevin im großen Interview

Hans-Ulrich Schmedtlevin begann 1965 selbst mit dem Radsport.

Dass es in Albstadt seit 2013 einen Cross-Country-Weltcup gibt und 2020 die WM dort hätte stattfinden sollen, dafür haben vor Ort Menschen schon lange vorher die Grundlagen gelegt. Einer, der mit viel Engagement die Entwicklung im Kreis mit vorangetrieben hat, ist Hans-Ulrich Schmedtlevin.

Herr Schmedtlevin, in der Albstädter Radsport-Geschichte spielen Sie eine wichtige Rolle, nicht zuletzt auch als Initiator der Gründung der RSG Zollern-Alb. Aber wie hat denn ihre eigene Radsport-Geschichte begonnen?

Hans-Ulrich Schmedtlevin: 1965 bin ich mein erstes Rennen gefahren. Das war in einer Zeit, in der in Deutschland der Radsport eigentlich am Boden war. Es ging alles um Auto- und Motorradfahren.

Wie alt waren Sie da?

15 Jahre. Aber mein Vater hat mich schon als Zwölfjährigen beim RSV Tailfingen angemeldet und mich immer mal wieder mitgenommen zu Rad-Ausfahrten. Das hat mir aber keinen Spaß gemacht. Der heutige Ehrenvorsitzende des RSV, Rudi Mann, hat dann mal zu mir gesagt: „Du, da ist ein Anfänger-Rennen in Geislingen, das ist der Kreis-Entscheid.“ So bin ich dazugekommen.

Das klingt nicht so, als ob Sie darauf so richtig auf ein Rennen vorbereitet waren?

Ich war schon immer unterwegs mit dem Fahrrad. Richtig trainiert haben wir natürlich nicht. Der Rudi ist immer mal wieder mit mir gefahren, aber ich war eigentlich noch im Schwimmsport tätig. Wie alle Buben in dem Alter hat man bis zur B-Jugend Fußball gespielt, beim FC Tailfingen.

Sie waren also Schwimmer und Fußballspieler. Was für eine Position haben Sie denn gespielt?

Ach, in der Jugend hast du eigentlich alles gespielt. Da kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern. So richtig talentiert war ich wahrscheinlich nicht. Sonst hätte der Trainer nicht ab und zu gesagt: „Wärst doch du bein Schwimmen geblieben.“ (lacht) Aber letztes Jahr habe ich eine Riesenurkunde und ein Fass Bier bekommen, weil ich schon so lange beim FC bin (lacht).

Hat sich also doch noch gelohnt. Doch zurück zum Radsport. Sie sind also das Anfänger-Rennen gefahren?

Ja. Es gab Kreis-Ebene, dann Bezirks-Ebene, dann Landesverbands-Ebene. Das war seinerzeit in Cannstatt. Im nächsten Jahr hatte ich dann eine Lizenz und bin da auch auf die ein Jahr älteren Jürgen Colombo und Hans Lutz getroffen (beide später Bahnrad-Olympiasieger im Vierer, Anm. d. Red.). Die waren natürlich überlegen. Wir haben hier auf der Alb langsam ein paar Fahrer dazubekommen. Als man gesehen hat, da fährt einer immer zum Training, haben sich welche angeschlossen. Wir waren dann vier oder fünf. Aber als dann die Phase mit Berufsausbildung und Bundeswehr kam, war’s wieder weg. 74, 75 habe ich dann mit Leuten wie Siggi Krüger angefangen, eine Mannschaft aufzubauen.

Als Sie damals als Anfänger eingestiegen sind, wie muss man sich das vorstellen?

In der Klasse, in der ich da gefahren bin, waren das nur vielleicht fünf, sechs Jungs. Man konnte erst mit 15 anfangen, Schülerklassen gab es nicht. Ich war froh, wenn ich ein Blumensträußle erwischt habe. Ich bin in der Anfänger-Klasse bis zur Landes-Ebene gekommen. Bundesentscheid wäre in Hildesheim gewesen, aber da konnte man damals nicht hin. 1996 habe ich dann eine Lizenz gelöst.

Was war denn für Sie Ihr persönlich größter Erfolg?

Dass ich ein paar Mal in der württembergischen Auswahl fahren durfte, bei Rundfahrten. Wir waren mal bei der Schleswig-Holstein-Rundfahrt oder bei der Tour de Liège in Belgien. Und die Berliner Etappenfahrt.

Das war dann aber schon bei den Amateuren?

Ja, als ich wieder angefangen hatte. Da habe ich die Jungen dazu geholt. Bis 1982 bin ich gefahren. In der Zeit waren die Rundfahrten. Sofern es beruflich gegangen ist. Das war immer ein Spagat, wenn du ein paar Tage freimachen musstest. Wenn Sie nach Ergebnissen fragen, der Erfolg war, dass ich das mitmachen durfte.

Was für eine Art Fahrer waren Sie?

Sprinten konnte ich überhaupt nicht. Ich konnte einen Sprint anfahren, für den Siggi zum Beispiel und später für Walter Hoffmann. Aber dass ich derjenige war, der vorne gefahren ist, das gab es nicht. Dafür hatte ich nicht die körperlichen Voraussetzungen. Ich hatte unter 60 Kilo. Ich bin lieber am Berg gefahren und ein 160-Kilometer-Rennen war mir lieber als ein 80-Kilometer-Kriterium.

Sie waren Straßenfahrer, aber irgendwann ging es auch ins Gelände.

Ich war Straßenfahrer, aber ich habe nach Albstadt auch den Cross-Sport gebracht. Das habe ich in jungen Jahren angefangen. Durch Reden sind immer mehr dazugekommen. So ist auch Stephan Salscheider als kleiner Bub dazugekommen. Den habe ich eines Tages 1977 nach Saulgau zu einem Anfänger-Rennen mitgenommen. Ein Jahr später hat er dann schon mittrainiert, als Schüler, als es die Kategorie im Cross noch gar nicht gab. Wir haben im „Bullentäle“ trainiert. Das haben wir 1977 rausgesucht für ein Cross-Rennen. Bahn bin ich auch ab und zu gefahren, aber das hat mich nicht so begeistert.

Aber der Cross-Sport. Was hat sie daran fasziniert?

Draußen in der Natur zu sein und die Technik. Das sage ich auch heute noch, die Technik ist das Wichtigste. Die kommt fast vor der Kondition. Das hat mich fasziniert. Vielmals hat man zu mir gesagt: „Guckt mal, der kleine Depp, der läuft im Winter mit dem Fahrrad auf dem Buckel durch den Schnee durch.“ (lacht) Heute macht das jeder.

Haben Sie gleichzeitig auch eine Trainerfunktion ausgeübt?

Ja, auch für den Verband. Man hat damals Fördergruppen eingerichtet. Das hat Uli Bock (heutiger Leiter der Landessportschule in Tailfingen) als junger Kerl gemacht und wir hatten in Albstadt auch eine Gruppe. Als Karl Link kurz mal Verbandstrainer war, hat er Stützpunkte eingerichtet, Schwarzwald und Zollernalb. Da ist zum Beispiel ein Uli Rottler (fünffacher deutscher Meister) als junger Kerl auch hergekommen.

Welche Fahrer gingen denn aus dieser Arbeit hervor?

Da waren Cross-Nationalfahrer wie Stefan Rinderknecht, Joachim Schreijäg oder Stefan Maggiolini (WM-16. 1992 und DM-Dritter 1991) und andere. Später habe ich die Peter-Schlecht-Schnupperserie ins Leben gerufen. Daraus sind auch Nationalfahrerinnen hervorgegangen. Zum Beispiel Ronja Eibl. Ihr Vater hat sie zu einem Rennen mitgenommen und ich habe sie am Abend angerufen. Weil die Mutter am Gymnasium in Ebingen Lehrerin ist, kam sie zur RSG. So kam Ronja. Oder Alessa-Catriona Pröpster aus Jungingen, die im vergangenen Jahr auf der Bahn Junioren-Weltmeisterin geworden ist. Sie ist auch durch die Schnupperserie dazugekommen. Das war Straße und Mountainbike. Leider haben im Mountainbike-Bereich außer der RSG und dem SC Onstmettingen im Kreis nicht mehr viele Vereine was gemacht.

An der Gründung der RSG Zollern-Alb, die heute ein wichtiger Faktor beim MTB-Weltcups und der WM in Albstadt ist, waren Sie auch beteiligt.

Ich habe damals zur Gründung eingeladen, ja. Der Straßenrennsport ist durch die Erfolge von Didi Thurau (Vize-Weltmeister und Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France) 1977 groß rausgekommen, da hat man versucht, auch auf der Zollernalb was draus zu machen. Wir haben Straße, Cross, Bahn- und Freizeitsport betrieben. 1996 kam dann Mountainbike dazu. Da haben wir die Abteilung gegründet, obwohl wir bei der ersten Austragung des Albstadt Bike-Marathon 1995 schon dabei waren. Stephan Salscheider ist dann vorgeprescht und hat gesagt, wir machen das auch in der RSG.

Sie waren außerdem auch als Sprecher bei Radrennen tätig. Wie kam es denn dazu?

Das war eine einfache Sache. Nachdem ich aufgehört hatte, selber zu fahren, war ich mit den Jungen bei einem Rennen in Bodelshausen. Da ist der Sprecher ausgefallen und man hat mich gefragt, ob ich das nicht machen könnte. So fing das an. Ich habe das aber immer ehrenamtlich gemacht. Die Hauptberuflichen haben das nicht so gerne gesehen.

Wenn Sie heute auf das schauen, was beim Weltcup im Bullentäle über die Bühne geht. Ist das für Sie auch mit Herzblut verbunden – trotz Ihrer anfänglichen Skepsis gegenüber dem Mountainbike-Sport?

Na klar, eine ganz klasse Sache.