Geislingen

Paukenschlag für die Erlaheimer: Gaby Armbruster gibt auf und schließt den Dorfladen

05.03.2021

Von Rosalinde Conzelmann

Paukenschlag für die Erlaheimer: Gaby Armbruster gibt auf und schließt den Dorfladen

© Rosalinde Conzelmann

Mit viel Liebe bereitet Gaby Armbruster die Frischetheke zu. Für das Foto hat sie kurz den Mund-Nasen-Schutz abgenommen.

Es ist ein Posting, das zu Herzen geht. Mit den Worten „Gekämpft, gehofft und doch verloren“ kündigt Gaby Armbruster in den Sozialen Medien an, dass sie den Erlaheimer Dorfladen bis Monatsende schließen wird. Die Nachricht macht wie ein Lauffeuer die Runde. Die Kunden reagieren traurig, entsetzt, aber auch verständnisvoll. Die Stadt bedauert, dass „Helenes Herzstück“ schließen wird, die vormalige, langjährige Betreiberin Helene Ott erwischt die Nachricht eiskalt.

Es ist Freitagmorgen um 9 Uhr. Vor „Helenes Herzstück“ verbreiten bunte Primeln und gelbe Narzissen Frühlingsstimmung. Im Laden duftet es lecker nach frischgebackenem Brot. Gaby Armbruster hat die Frischetheke schon bestückt. Sie ist wie immer um 4.30 Uhr aus den Federn, um alles vorzubereiten.

Die Kundin ist traurig

Eine Kundin kommt herein. Sie weiß schon, dass am Monatsende Schluss ist. Ihre Reaktion: „Ich bin traurig.“ Selbstkritisch sagt sie: „Ich hätte mehr einkaufen sollen, ich habe Gaby zu wenig unterstützt.“ Sie würde gerne helfen, weiß aber nicht wie.

„Ich hoffe nur das Beste für dich, Gaby“, verabschiedet sie sich mit diesen Worten.

Das sind Worte, die Gaby Armbruster gut tun. Drei Jahre lang hat sie den Dorfladen geführt. Mit ganz viel Herzblut und vollem Einsatz. „Das war mein Leben“, sagt sie. Aber warum hört sie nun so kurzfristig auf? Warum schmeißt sie hin? Was ist passiert?

Mehrere Gründe für die Schließung

Es sind mehrere Gründe, die die 53-Jährige zu diesem Entschluss bewogen haben. Die Pandemie hat dabei eine große Rolle gespielt. Denn viele ihrer treuen Kunden sind in Kurzarbeit, im Homeoffice, andere, vor allem die Älteren, kommen gar nicht mehr, weil sie das Haus kaum noch verlassen und sich von der Familie versorgen lassen. Und als im Sommer die Keinbachbrücke saniert wurde, blieb aufgrund der Sperrungen auch die Laufkundschaft mehrere Monate weg.

Paukenschlag für die Erlaheimer: Gaby Armbruster gibt auf und schließt den Dorfladen

© Rosalinde Conzelmann

Gaby Armbruster erfüllte jeden Kundenwunsch. Natürlich auch nach Frühlingsblühern.

Das alles hat Gaby Armbruster, die vor zwei Jahren ihren Ehemann nach einer schweren Krankheit verloren hat, überstanden. Jetzt aber hat sie die Notbremse gezogen, nachdem sich die nächste Baustelle ankündigt. In Gruol wird demnächst die Ortsdurchfahrt aufgerissen, um die Kanäle zu erneuern. „Wieder eine Großbaustelle mit Vollsperrung, die mehrere Monate dauern wird“, sagt sie. Wieder Umsatzverluste und Bangen.

Sie will nichts zuschießen

„Ich bringe kein Geld, das war meine Maxime, als ich das Lädle übernommen habe“, sagt sie. Jetzt ist sie an dem Punkt angekommen, an dem sie zuschießen müsste. Und das ist für sie keine Option. Es sind vor allem die „Vesperleute“, die wegbleiben, sagt sie. Auch die kleinen Grüppchen, die mehrfach in der Woche zum Kaffeetrinken gekommen sind, fehlen.

Die Ladenbetreiberin, die davor in der Altenpflege gearbeitet hat, hat lange gerungen mit sich, dann aber einen Schlussstrich gezogen. „Ich habe in den vergangenen Monaten für 300 Euro Gewinn gearbeitet“, sagt sie. Dennoch hat sie ihre Arbeit geliebt und weiß jetzt schon, dass ihr das Lädle fehlen wird. Aber ihre Entscheidung steht felsenfest: „Da gibt es nichts mehr zu überlegen.“

Es ist noch alles offen

Diesen Monat noch wird sie für ihre Kunden ganz da sein. Was danach kommt, weiß die 53-Jährige noch nicht. „Ich lasse alles auf mich zukommen“, sagt sie und wirkt erschöpft. Angst vor der Zukunft hat sie keine: „Ich habe keine Schulden und kann beruhigt aufhören.“

/

Es war immer mein Grundsatz, dass ich kein Geld bringen werde. Gaby Armbruster, Ladenbetreiberin.

Gaby hat drei Jahre lang rund um die Uhr für einen Mindestlohn gearbeitet. Helene Ott, ehemalige, langjährige Ladenbetreiberin

Natürlich würde sie sich wünschen, dass es weitergeht und sich ein Nachfolger für „Helenes Herzstück“ finden wird. „Eine Bürgerinitiative oder eine Genossenschaft wäre eine Möglichkeit“, sagt sie. Dann wäre auch die viele Arbeit auf mehreren Schultern verteilt. Gaby Armbruster hatte in der Regel eine Sieben-Tage-Woche, war nach dem Tod ihres Mannes überwiegend auf sich selbst gestellt. Das zehrt an den Kräften.

Ein Schock für Helene Ott

Für Helene Ott war war der 3. März kein guter Tag. Sie wurde mehrfach auf das Posting ihrer Mieterin und Nachfolgerin angesprochen und versicherte den Fragestellern, dass diese Nachricht nicht stimmen kann. Der Laden werde wegen der Baustelle nur drei Monate schließen, „und dann macht die Gaby wieder auf“. Dass dies nicht so ist, erfuhr sie dann wenig später persönlich von Gaby Armbruster. „Ich bin runter in den Laden, um sie direkt zu fragen.“ Die Antwort habe sie eiskalt erwischt, sagt Helene Ott, die den Dorfladen von ihren Schwiegereltern übernommen und über 50 Jahre betrieben hat.

Auch sie habe gute und schlechte Zeiten in ihrer langen Selbstständigkeit erlebt, erinnert sich Ott, die Armbrusters Entscheidung zwar verstehen kann, aber dennoch damit hadert. „Gaby hat drei Jahre lang rund um die Uhr gearbeitet; ich hatte wenigstens meine Familie, die mich unterstützt hat“, meint die 74-Jährige, die sich keine bessere Nachfolgerin hätte wünschen können: „Es war alles perfekt und der Laden immer picco bello.“ Es sei einfach unmöglich, mit den Großen Schritt zu halten.

Paukenschlag für die Erlaheimer: Gaby Armbruster gibt auf und schließt den Dorfladen

© Rosalinde Conzelmann

„Helenes Herzstück" ist seit drei Jahren eine Herzenssache von Gaby Armbruster.

Bis Ende März wird Helene Ott weiter täglich im Dorfladen einkaufen. „Wir lachen weiter miteinander, obwohl uns nicht dazu zumute ist“, beschreibt Ott ihre Gefühle.

Sie würde sich natürlich wünschen, dass die Erlaheimer weiter einen Tante-Emma-Laden haben, sieht aber eher schwarz und befürchtet, dass die 90-jährige Tradition 2021 zu Ende gehen wird.

Ortsvorsteher ist auch überrascht

Ein Szenario, das sich Ortsvorsteher Ewald Walter nicht vorstellen möchte. „Wir werden natürlich versuchen, dass es weitergeht“, sagt er. Wohlwissend, dass es schwierig werden wird. Auch für ihn kam die Entscheidung Armbrusters völlig überraschend. „Denn Helenes Herzstück wurde als Treffpunkt angekommen.“ Gaby Armbruster habe einen sehr guten Job gemacht: „Viele Erlaheimer haben bei ihr eingekauft.“

Stadt bedauert Schließung

Geislingens Bürgermeister Oliver Schmid hat von Gaby Armbruster persönlich erfahren, dass sie das Lädle schließen wird. Die Stadt wollte mit Gutscheinen helfen, was Armbruster aber ablehnte. „Wir bedauern sehr, dass die Schließung kommt“, sagt Schmid. Die Entwicklung zeige, dass der Wunsch nach einem Geschäft im Ort da ist, die Frequenz aber dann doch zu gering, um als Betreiber davon leben zu können.

Eine Folge der Krise

Wie sehr Gaby Armbrusters Arbeit geschätzt wird, macht Schmid auch daran fest, dass der Bauleiter, der für die Gruoler Baustelle zuständig ist, sich an ihn gewandt hat, um nachzufragen, ob er nicht irgendetwas für das Erlaheimer Lädle tun könne. Für Schmid ist die Geschäftsaufgabe auch „eine Folge aus der langen Krise“. Die Stadt habe natürlich ein starkes Interesse, dass es weitergeht – durchaus auch als genossenschaftliches Modell.

Diesen Artikel teilen: