Nur knapp an der Katastrophe vorbei: So gefährlich war der Großbrand in Stetten
10.11.2023
Die Feuerwehr hat beim Großbrand in Stetten am späten Donnerstagabend eine Kettenreaktion verhindert. Mehrere umliegende Gebäude, etwa der Standort des Hechinger THW-Ortsverbands, aber auch ein Autohaus, waren in Gefahr. Im Gespräch mit dem ZOLLERN-ALB-KURIER sagte Feuerwehrkommandant Frank Brecht am Freitagnachmittag: „Das war richtig gefährlich.“
Der Alarm erreicht die Feuerwehr am Donnerstagabend um 22.18 Uhr. Gleich mehrere Anrufer melden einen Großbrand in Stetten: Ein holzverarbeitender Betrieb, der Brickets herstellt, steht lichterloh in Flammen. Die massive Rauchsäule, die ganz in der Nähe des Baxter-Werks in den Nachthimmel steigt, ist kilometerweit zu sehen – auch für Hechingens Feuerwehrkommandanten Frank Brecht. Der springt in sein Auto und fordert angesichts dessen, was er schon von Stein aus sieht, sofort Verstärkung bei der Leitstelle an.
Eine Glutwand im Gewerbegebiet
Minuten später rücken sie alle an: Sämtliche Abteilungen der Hechinger Feuerwehr, und auch aus Balingen, Rangendingen und Haigerloch kommt Unterstützung. Mit 120 Einsatzkräften kämpfen sie gegen das Feuer an, dem sie mehr oder weniger machtlos gegenüber stehen: Die Lagerhalle des Betriebs ist voll mit Holz und Sägemehl. Gefundenes Fressen für die Flammen, die wie eine Glutwand emporschießen und das ganze Gewerbegebiet in hellen Feuerschein versetzen.
Löscharbeiten auch noch am Freitagnachmittag
Wie brisant die Lage war, berichtet Einsatzleiter Brecht unserer Zeitung am Freitagnachmittag. Am Brandort sind sie zu diesem Zeitpunkt, mehr als 12 Stunden nach Brandausbruch, noch immer mit Löscharbeiten beschäftigt. „Wir haben einen Bagger im Einsatz, um das Holz auseinanderzuziehen und an die Glutnester zu kommen“, schildert Brecht. Routinearbeit für die Feuerwehr, ganz im Gegensatz zu der Lage, die sich in der Nacht geboten hatte. „Durch den Wind gab es enormen Funkenflug“, sagt Brecht. Wobei er präzisiert: „Ganze Holzklumpen waren das.“ Dazu kommt anfangs die enorme Hitzestrahlung. Den Einsatzkräften ist in der Nacht schnell klar: Die brennende Halle, eine Stahlkonstruktion, wird nicht zu retten sein.
Nebenbei verhindert die Feuerwehr noch einen Waldbrand
Doch auch mehrere Gebäude in der Nachbarschaft sind zu diesem Zeitpunkt noch in akuter Gefahr. „Die Funken sind in Richtung der umliegenden Dächer geflogen“, sagt Brecht. Ja, wirklich richtig gefährlich sei das gewesen. Priorität für die Einsatzkräfte hat deshalb in der Nacht dann auch, die umliegenden Gebäude zu schützen: den Standort des Hechinger THW-Ortsverbands, die Halle der Schaustellerfamilie Ruoff, das Autohaus Fink und das Fließengeschäft Neher. Sie alle könnten zu diesem Zeitpunkt potenziell Feuer fangen, sind die Einsatzkräfte sicher. Doch die Mission glückt: „Die Feuerwehr konnte ein Übergreifen auf angrenzende Gebäude verhindern“, meldet ein Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen noch in der Nacht. Und nicht nur das: Den Einsatzkräften gelingt es ganz nebenbei auch noch, einen Waldbrand zu verhindern. „Die Glut flog bereits in Richtung der Tannen eines kleinen Waldstücks in der Nähe“, sagt Feuerwehrkommandant Brecht.

© Ralf Biesinger
Von der Lagerhalle ist am Freitag nur noch das Gerippe übrig. Ruß auf Fenstern des Baxter-Werks in der Holger-Craaford-Straße (rechts hinten) zeigt, wie heftig das Feuer in der Nacht gewütet hatte.
Nachdem sie die gröbste Gefahr gebannt haben, profitieren die 120 Helfer der Feuerwehr, die 11 Kräfte des Roten Kreuzes und mehrere Beamte der Polizei davon, dass der Großbrand ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft des THW ausgebrochen ist, das mit 20 Helfern nun gewissermaßen Nachbarschaftshilfe leistet: Sie versorgen die Einsatzkräfte, bieten Unterschlupf, leuchten den Brandort aus, kümmern sich um die Absperrung.
„Dieser Einsatz war noch größer als der beim Bentley-Brand im Mai“
„Dieser Einsatz“, sagt Feuerwehrchef Frank Brecht am Freitagnachmittag unserer Zeitung, „war noch größer als der beim Bentley-Brand im Mai“. Bis in den frühen Abend hinein sind sie am Freitag mit Löscharbeiten beschäftigt, während Ermittler der Kriminalpolizei sich am beschlagnahmten Brandort längst auf Spurensuche begeben haben. Über ihre Erkenntnisse liegen bislang keine Informationen vor. Fest steht aber: Auch die Beamten der Polizei sehen sich den ganzen Freitag über einer schwierigen und durchaus gefährlichen Aufgabe gegenüber. Einsatzleiter Frank Brecht sagt: „Das Gerippe der Lagerhalle ist einsturzgefährdet.“ Der Feuerwehrchef geht davon aus, dass die Reste der Halle abgerissen werden müssen – alles andere erscheint ob des Anblicks, der sich in Stettens Gewerbegebiet zwischen Baxter und THW nun bietet, auch kaum vorstellbar.
Ein einsatzreiches Jahr für die Hechinger Feuerwehr
Einsatzleiter Brecht spricht am Freitag von einem „sehr intensiven Einsatz, sowohl von der Anzahl der Einsatzkräfte her wie auch vom Brand selbst“. Der sich wohlgemerkt einreiht in eine ganze Reihe von Großeinsätzen, die die Hechinger Feuerwehr in diesem Jahr bereits zu bewältigen hatte. Erinnert sei nicht nur an den Brand des Bentley-Neubaus im Mai, sondern beispielsweise auch an die drei tödlichen Verkehrsunfälle auf der B 32 zwischen Hechingen und Schlatt.
Immerhin: Verletzt wurde bei dem Brand in Stetten in der Nacht zum Freitag niemand, bestätigen am Freitag Polizei und Feuerwehr unisono. Die Polizei schätzt den Sachschaden, der bei dem Großbrand der Lagerhalle entstanden ist, auf mehrere hunderttausend Euro. Zum Raub der Flammen wurde im Übrigen auch ein Lastwagen, der vor der Halle abgestellt war.
Ermittler des Kriminalkommissariats in Balingen suchen weitere Zeugen. Die Polizei bittet alle, die den Ermittlern bislang noch nicht bekannt sind, sich telefonisch beim Revier in Hechingen zu melden: 07471 98800.
Update, Samstag, 11. November, 14 Uhr: Am späten Freitagabend musste die Feuerwehr laut Polizei erneut an den Brandort ausrücken. Die Einsatzkräfte entdeckten und löschten drei Schwelbrände, die nach derzeitigem Ermittlungsstrand durch den starken Wind entfacht worden seien, so die Polizei.
