Zollernalbkreis

Norbert Lins im ZAK-Gespräch: Die EU wird gestärkt aus ihrer Krise hervorkommen

29.04.2019

Von Klaus Irion

Norbert Lins im ZAK-Gespräch: Die EU wird gestärkt aus ihrer Krise hervorkommen

© Pascal Tonnemacher

Der hiesige CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins und die Zweitkandidatin Heide Pick waren im Rahmen ihrer Wahlkampftour zu Besuch in der Redaktion des ZOLLERN-ALB-KURIER.

Brexit, Nationalstaatsdenken, unkalkulierbare Machthaber: Die Europäische Union ist vier Wochen vor der Europawahl quasi unter Dauerbeschuss. Schwarz sehen ist aber nicht die Sache des CDU-Abgeordneten Norbert Lins. Das wurde beim Besuch in der Redaktion des ZOLLERN-ALB-KURIER deutlich.

Norbert Lins ist voll im Wahlkampfmodus. „Fünf bis sieben Termine pro Tag sind es schon“, sagt der CDU-Abgeordnete für Südwürttemberg. Sein Wahlkreis umfasst die acht Landkreise des Regierungsbezirks Tübingen. Und die sollen alle im ungefähr gleichen Ausmaß bedient werden.

Jede Wahl ist eine neue Herausforderung

Am Montag war der Zollernalbkreis an der Reihe. Relativ entspannt präsentierte sich der Kandidat, der im Juni aller Voraussicht nach seine zweite Amtsperiode in Straßburg und Brüssel antreten wird. „Es sieht gut aus, aber natürlich ist auch für mich jede Wahl eine neue Herausforderung“, sagt der 41-jährige Pfullendorfer.

AfD-Bodentruppen wollen den Dexit

Und der diesjährige Wahlkampf lasse sich auch kaum mit seinem ersten vor fünf Jahren vergleichen. Die Versuche von Rechts- und Linkspopulisten, die EU zu zerstören, seien nicht nur im Parlament, sondern nun eben auch auf der Straße zu spüren. „Nehmen wir die Bodentruppen der AfD, die wollen den Dexit.“ Das dieser Wunsch der deutschen EU-Gegner auch gelingen wird, glaubt Lins aber nicht.

Europawahl darf nicht zur Nebenwahl verkommen

„Ich bin von je her Optimist und weiß, dass die Europäische Union auch in den vergangenen Jahrzehnten aus Krisen immer gestärkt hervorgegangen ist.“ Es sei aber wichtig, dass die Europawahl endlich von ihrem Image einer „Nebenwahl“ wegkomme.

Fotostrecke
/
Zu Besuch beim ZAK: Norbert Lins und Heide Pick.

© Pascal Tonnemacher

Norbert Lins glaubt an eine gestärkte EU – nach der Krise.

© Pascal Tonnemacher

Im Gespräch mit den Wahlkämpfern: ZAK-Redaktionsleiter Klaus Irion (rechts).

© Pascal Tonnemacher

Dass dem so ist, glaubt der CDU-Abgeordnete in den ersten Wahlkampfwochen bereits gespürt zu haben. Er macht es nicht nur an den Themen fest, die die Menschen umtreiben, sondern auch an der Zahl der Teilnehmer bei seinen Veranstaltungen. „Die hat im Vergleich zu vor fünf Jahren, aber auch zu der Amtszeit meiner Vorgänger tatsächlich zugenommen.“

Die EU ist friedensstiftend

Die EU polarisiert, Norbert Lins argumentiert. Er betont die seit 70 Jahren friedenstiftende Vereinigung europäischer Staaten. Er verweist auf die wirtschaftlichen Erfolge, die auch in unsere Region ausstrahlen. „Glauben Sie nicht, dass das Überschreiten der Zwei-Milliarden-Euro-Grenze im Exportbereich des Zollernalbkreises ohne die Europäische Union möglich gewesen wäre.“

Furcht vor Vertragsverletzungen

Lins legt im Gespräch aber auch die Finger in offene Wunden. Er wisse, dass viele Menschen nicht verstünden, warum Deutschland viele EU-Richtlinien immer besonders penibel auslegen. „Im Hintergrund steht häufig die Furcht der nationalen Politik vor einem Vertragsverletzungsverfahren, das im Zweifelsfall mit Strafzahlungen enden kann.“ Lins warnt jedoch auch davor, EU-weit immer eine absolute Deckungsgleichheit herstellen zu wollen. So seien beispielsweise im Agrarbereich die klimatischen und topografischen Gegebenheiten häufig völlig unterschiedlich.

Keine Bürger erster und zweiter Klasse

Doch bei aller Gegensätzlichkeit, ist für den CDU-Politiker oberste Prämisse: „Es darf innerhalb der EU keine Bürger erster Klasse und zweiter Klasse geben.“ Das bedeute, dass auch die wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsstaaten Stück für Stück die gleichen Lebensbedingungen erhalten. „Natürlich unter Einhaltung der EU-weit geltenden Kriterien, denn eine zu schnelle Angleichung, sei es bei der Währungsunion oder beim Schengen-Abkommen, könnte uns allen auf die Füße fallen.“ Der Vergleich mit Griechenland liegt Nahe, bleibt aber letztlich unausgesprochen.

Nicht das Europa alter Männer

Lins’ Blick geht ohnehin selten zurück. Gleiches gilt für Heide Pick, die als Zweitkandidatin ihren ersten persönlichen Wahlkampf erlebt. „Eine spannende Sache ist das“, sagt die Jungingerin, die sich wünscht, dass noch viel mehr Frauen wagen, in der Politik mitzumischen. Frauen hätten im Alltag eine Verantwortung, die man im politischen Bereich noch viel mehr unterstützen müsse. „Wir sind doch nicht das Europa der alten Männer.“ Ihr Parteikollege nimmt es mit Humor, zumal er sich mit seinen 41 Jahren noch nicht angesprochen fühlt.

Das Lächermachen stärkt die Extremen

Apropos Humor: „Ich bin alles andere als humorfeindlich und kann auch herzhaft lachen, wenn auf dem Nockerberg oder in anderen Satireformaten die Politik zur Brust genommen wird.“ Was ihn gleichwohl jedoch, wenn versucht wird, den Parlamentsbetrieb ins Lächerliche zu ziehen. Stichwort: EU-Abgeordneter Martin Sonneborn und dessen Partei „Die Partei“. Dessen Auftritte im EU-Parlament führten nach Lins‘ Auffassung eher zu noch mehr EU-Verdruß und stärke letztlich nur die extremen Ränder der politischen Lager.

Fraktionen in der Schieflage

Dabei sei doch heute wichtiger denn je, dass die Parteien der EU-Befürworter gestärkt würden. Womit er neben seiner eigenen EVP-Fraktion auch die großen EU-Parlamentsblöcke der Sozialdemokraten, der Grünen und der Liberalen meint. Eigentlich ein verlässliches, stabiles Konstrukt, „aber auch eines in gewisser Schieflage“. Denn Norbert Lins versteht nicht, warum sich alle Welt auf das Tun eines Viktor Orbán stürzt – „wobei ich die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens natürlich mitgetragen habe“ –, wenn doch auch innerhalb der eben genannten weiteren Blöcke ebenfalls einige radikale Kräfte in verschiedenen Ländern Europas am Werk seien. Nähme man allein das Abstimmungsverhalten im Parlament als Maßstab, dann wäre laut des CDU-Abgeordneten die EVP die homogenste Fraktion im Europaparlament.

Höchstmaß an Klugheit und Achtsamkeit

Heide Pick setzt derweil auf den gesunden Menschenverstand. „Wir haben in Straßburg und Brüssel ein Höchstmaß an Klugheit und Achtsamkeit.“ Doch beides müsse im politischen Alltag noch viel mehr spürbar sein. Für sie wäre das eine der Antworten auf die grassierende EU-Skepsis.

Diesen Artikel teilen: