Albstadt

Nicht jede Bestsellerliste taugt literarisch für die Ewigkeit

22.11.2019

Von Katja Weiger-Schick

Nicht jede Bestsellerliste taugt literarisch für die Ewigkeit

© Katja Weiger

Was für ein Ritt durch die Welt der Literatur: Denis Scheck war im Rahmen der Literaturtage in der Ebinger Festhalle zu Gast. Dort hat er in 90 Minuten 40 Bücher vorgestellt. Am Ende des Abends gab es nicht nur die grüne Albstadt-Tasse, sondern auch viel Applaus.

Weltliteratur oder Nachschub fürs „Doofi-Regal“? Denis Scheck hat im Rahmen der Literaturtage in einem wahren Höllentempo 40 Bücher vorgestellt.

Da sitzt er also an seinem Tisch in der Ebinger Festhalle, der klein gewachsene Mann in seinem feinen Anzug. Er trägt nicht nur eine sehr speziell gemusterte Krawatte, sondern auch zwei verschiedenfarbigen Socken.

Verschiedenfarbige Socken

Dieser Umstand sei mitnichten achtlose Schludrigkeit, sondern durchaus bewusst erzielt, zumal die feinen Fußkleider von einer sündteuren italienischen Firma stammten. Das stellt Denis Scheck gleich klar, und seine Augen blitzen vergnügt hinter der kreisrunden Brille. Dann hätten gute Hausfrauen etwas zu reden.

Markige Sprüche geben den Ton an

Solche markigen Sprüche, wohlformuliert und geschliffen gesprochen, geben den Ton an, das merken die 130 Besucher in der ausverkauften Festhalle sofort.

Nicht jede Bestsellerliste taugt literarisch für die Ewigkeit

© Katja Weiger

Zahlreiche Besucher kamen zu Denis Scheck in die Festhalle.

Literaturfreunde kommen durchaus auf ihre Kosten, denn dieser eloquente und höchst gebildete Hauptakteur des Abends ist per se ein Ereignis, auch wenn er hinter den hohen Bücherstapeln auf seinem Tisch fast zu verschwinden droht.

Denis Scheck will nicht geliebt werden

Warum seine scharfe Zunge allenthalben so gefürchtet ist, wird schnell deutlich. Denis Scheck kommt nicht, weil er geliebt werden möchte. Er spricht aus, was er denkt, auch wenn’s weh tut. Sein Redetempo ist rasant, exorbitant geradezu. Sein Wissensschatz zugegebenermaßen auch.

Lieblinge werden gehätschelt

Anders verhält es sich mitunter mit der Diplomatie. Was der gebürtige Stuttgarter sagt, geht immer mitten ins Herz – vor allem wohl in das der Schriftsteller, die er sich vorknöpft. Die einen liebt er heiß und innig, er lobt und tätschelt sie verbal, dass es eine innige Freude ist. Die anderen schätzt er deutlich weniger – und das tut er auch genauso unverhohlen kund.

Manche landen im „Doofi-Regal“

Man möchte Mitleid haben mit diesen bedauernswerten Vertretern der schreibenden Zunft. Scheck belegt sie mit „Kosenamen“, die Eltern pubertierenden Kindern strikt verbieten würden. Deren Bücher werden feinsäuberlich zerpflückt und landen im schlimmsten Fall sogar in Schecks „Doofi-Regal“ für die ganz schlimmen Fälle.

Harter Tobak für Literaturfreunde

Harter Tobak also. Trotzdem oder gerade deshalb (?) schalten Literaturfreunde die Scheck-Sendungen „Lesenswert“ oder „Druckfrisch“ so gern ein. Und sind wir einmal ehrlich: Ohne die Lebensbeichte von „Schwesta Ewa“, die einen nicht zitierfähigen Titel trägt, kann man als lesender Mensch durchaus überleben.

Nicht lesen ist wie nicht die Zähne putzen

Da hat Denis Scheck schon ein bisschen recht. Grundsätzlich hat der bekannte Literaturkritiker ein immenses Problem mit Menschen, die gar nicht lesen: „Das ist doch so, als würde man sich die Zähne nicht putzen.“ Und insgeheim, das gibt er in der Festhalle lächelnd zu, träume er davon, den nächsten Kafka zu entdecken: „Vielleicht auch auf der Schwäbischen Alb.“

„Schecks Kanon“ steht auf der Spiegel-Bestsellerliste

Vor einer literarischen Hitparade warnt er ausdrücklich – und das ist die Spiegel-Bestsellerliste. Aktuell hat er mit dieser ein konkretes Problem: Der 55-Jährige ist selbst dort verewigt – und zwar mit seinem neuesten Buch „Schecks Kanon“. Das bringt den gebürtigen Stuttgarter zum Schmunzeln. Genauso wie der Aspekt, dass es in Deutschland jedes Jahr 700 (!) Literaturpreise gebe: „Neulich waren sie so in Not, da mussten sie sogar mir einen geben.“

Insgesamt 40 Bücher stellt Scheck vor

In gut anderthalb Stunden stellt Denis Scheck auf diese Art und Weise sowie höchst unterhaltsam sage und schreibe 40 Bücher aus dem In- und Ausland vor, darunter Sasa Stanisics „Herkunft“, „Rot“ von Anne Carson – „ Eine Literaturnobelpreis-Trägerin von morgen!“ oder „Der Große Garten“ von Lola Randl. Der Literaturkritiker erzählt kleine Anekdoten, zitiert, liest, ordnet ein.

Den Menschen Handke mag der Stuttgarter nicht

Den unlängst mit dem Literaturnobelpreis geadelten Peter Handke schätzt er als Mensch nicht, da startet er umgehend einen Rundumschlag. Der Österreicher habe sich in der Jugoslawien-Diskussion „vergaloppiert“ und sei arrogant. Kurzum: „Dieser Typ geht mir auf den Keks.“

Den Literaten Handke schätzt er sehr

Anders verhalte es sich jedoch mit dem Literaten Peter Handke: „Er ist ein großer Künstler.“ Die Weltliteratur, so Denis Schecks etwas ernüchtertes Fazit, sei eben „von Monstern wie Sie und ich“ geschrieben. Es sei ein Kinderglaube anzunehmen, nur reine Seelen würden gute Kunst schaffen.

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