Neue Vorfälle und hohe Kosten: Hechinger Taubenverein fordert Antworten aus dem Rathaus

Von Michael Würz

Eine Taube in Hechingen verletzt sich schwer an Spikes, der Verein „Stadttauben Hechingen“ kümmert sich um Tier – doch die Kosten machen den Mitgliedern zu schaffen.

Neue Vorfälle und hohe Kosten: Hechinger Taubenverein fordert Antworten aus dem Rathaus

Tauben auf Nahrungssuche in Hechingen.

Wieder ein Vorfall mit einer Taube, wieder Hechingen: Vor einer Woche meldet sich ein Bürger beim Verein „Stadttauben Hechingen“. Er hatte eine schwer verletzte Taube gefunden. Die Diagnose: eine Stichverletzung an Ober- und Unterflügel, ein gebrochener Flügel. Das Tier, ist Vereinschefin Christine Maier sicher, muss sich an sogenannten Spikes verletzt haben – die vielerorts angebrachten Stacheln, die Tauben fernhalten sollen. Gemeinsam mit der Taubenrettung Bisingen bringen sie das Tier in die Tierklinik. 170 Euro stehen nachher auf der Rechnung.

„Spikes sind tierschutzwidrig“

Maier und ihre Mitstreiter finden: Das Taubenproblem, das Hechingen aus ihrer Sicht zweifelsfrei habe, gehöre in die Hände der Stadt. „Spikes sind tierschutzwidrig“, schreibt der Verein auf seiner Facebookseite. „Sie verletzen Tiere unnötig, schaffen jedoch das Problem nicht ab. Tauben sind standorttreu und suchen verzweifelt in der Nähe weitere mögliche Nistplätze, manchmal sogar mitten in den Spikes.“ Dazu richtet der Verein einen Appell an die Hechinger: „Liebe Bürger, bringt keine Spikes an. Helft uns, die Stadt Hechingen zu überzeugen, dass wir dringend betreute Taubenschläge brauchen.“ Denn das, sagt Vereinschefin Maier, sei der einzig Weg, die Populationen im Sinne des Tierschutzes zu reduzieren.

Verein und Stadt uneinig über Größe der Taubenpopulation in Hechingen

Doch genau bei dieser Zahl beginnt der Dissens zwischen Verein und Stadt. Die Tierschützer behaupten, es seien mehr als 2000 Tiere, die vor allem in der Oberstadt Probleme machen, etwa durch Kot. Maier sagt: „Die Menschen sind verzweifelt.“ Im Rathaus aber bezweifelt man die Zahl 2000, zumindest aber stünde ein entsprechendes Gutachten finanziell nicht im Verhältnis, teilte Stadtsprecher Thomas Jauch Ende Januar unserer Zeitung mit. Seinerzeit hatte das Thema große Wellen geschlagen, nachdem in der Gammertinger Straße eine angeschossene Taube gefunden worden war. Dennoch: „Hechingen hat kein Taubenproblem“, sagte Jauch nach dem Vorfall. „Die Position der Stadt zum Thema Tauben ist klar und wurde bereits mehrfach kommuniziert. Sie wird sich nicht ändern.“

Will heißen: Ein Taubenschlag entsprechend dem Augsburger Modell, wie ihn der Verein fordert, würde laut Stadt geschätzt 80.000 Euro kosten. Hinzu käme der Unterhalt der Anlagen. Dafür aber erkenne die Stadt schlicht „kein Ausmaß einer Taubenproblematik, das diese Investition rechtfertigen würde“. Für Maier unverständlich. Auch weil ihr „Hobby“ inzwischen ganz schön ins Geld gehe, Löcher ins private Budget reiße. Die Spenden, die der Verein erhält, würden nicht mal für die Tierarztbesuche reichen, klagt die Vereinschefin. Maier findet: Die Stadt wälze das Problem gewissermaßen auf die Ehrenamtlichen ab. „Wir würden gerne dazu beitragen, dass die Populationen sich verkleinern“, sagt Maier im Gespräch mit dem ZOLLERN-ALB-KURIER Hohenzollern. „Das geht aber nur, wenn man die Eier tauscht.“ Echte gegen unechte. Taubenmanagement heißt das im Fachjargon.

Vor dem Abriss: Maier und ihre Mitstreiter durchkämmen Gebäude in der Oberstadt

In Rottweil, zum Beispiel, habe man sich des Themas längt vorbildlich angenommen, findet die Vereinschefin. Und seither sehe man dort kaum mehr Tauben auf der Straße, sagt Maier. Ganz vorne im Taubenmanagent sieht Maier auch die Stadt Tübingen, die das Problem ebenfalls gelöst habe. Warum sollte das nicht auch in Hechingen gehen? Im Verein verstehen sie das nicht. Sowohl in Rottweil wie in Tübingen haben sie Taubenschläge geschaffen, während sie in Hechingen laut Maier auf immer krassere Fälle stoßen. Ein Haus auf dem Schloßberg etwa. „200 Tauben leben dort.“ Maier und ihre Mitstreiter durchkämmen auch die Gebäude in der Oberstadt, bevor sie derzeit der Abrissbagger platt macht. „Dort siedeln Tauben“, schildert Maier. „Wir tauschen die Eier und legen Attrappen rein.“ Damit die echten Küken nicht dem Abriss zum Opfer fallen.

Verein warnt: Tauben bitte nicht selbst füttern

Die werden vom Stadttauben-Verein übrigens auch gefüttert. Dafür haben sie extra eine Ausnahmegenehmigung, 500 Euro geben sie im Monat für Futter aus. „Es bringt ja nichts, wenn sie verhungern, es kommen sofort die nächsten“, sagt Maier, die aber davor warnt, Tauben selbst zu füttern, mit Brot etwa, wie es gelegentlich von Taubenliebhabern praktiziert werde. Denn das verstärke am Ende das Kot-Problem drastisch, warnt Maier. „Die Leute laden uns inzwischen ein, damit wir Brennpunkte rund um Gebäude in Augenschein nehmen“, sagt sie. Teilweise könnten die Leute gar nicht mehr auf ihre Terrassen. Und auch die Tauben selbst „leben ja im eigenen Dreck“, sagt Maier.

„Viele Bürger sind verzweifelt“

Die Stadt müsse deshalb erkennen, wie „verzweifelt viele Bürger sind“. Maier findet drastische Worte, kritisiert im Übrigen auch, dass vielfach noch immer Hochzeitstauben zum Einsatz kommen. „In Hechingen finden wir immer wieder weiße Tauben.“ Da müsse ein Verbot her, fordert sie. Denn überlebensfähig seien diese Zuchttiere kaum, sind sie erst einmal freigelassen. Und: „Kürzlich erst hat man uns angerufen, weil sich zwei weiße Tauben in einen Hechinger Supermarkt verirrt hatten.“

„Man muss an die Ursachen ran“

Der Verein fordert deshalb von der Hechinger Stadtverwaltung, „sich das Problem anzusehen“. Und Geld nicht für die Vergrämung der Tiere, sondern für professionelles Taubenmanagement auszugeben. „Man muss an die Ursachen ran, nicht an die Symptome“, sagt Maier. Sie glaubt: „Es wäre ganz einfach, wenn man wie andere Städte auch einfach anders investieren würde.“ Die Ehrenamtlichen, sagt Maier, fühlten sich „ansonsten alleine gelassen mit dem Problem“.

Stadt wehrt sich gegen Vorwurf, man beobachte das Thema nicht

Im Rathaus hingegen verwehrt man sich gegen den Vorwurf, man habe das Thema nicht im Auge. „Die Entwicklung wird weiterhin vom Ordnungsamt beobachtet“, sagte Stadtsprecher Thomas Jauch nach dem Vorfall im Januar.