Albstadt

Narren um Christi Willen: Mit der Narrenkappe durch die Welt und sich verlachen lassen

21.02.2020

von Johannes Klomfaß

Narren um Christi Willen: Mit der Narrenkappe durch die Welt und sich verlachen lassen

© Holger Much

Die einen lieben Fasnet und Fasching in allen Ausprägungen, die anderen sind eher kritisch eingestellt. Die FAT bieten ein Alternativprogramm.

Wer Fasnet nicht mag, kann sich auf Apostel Paulus berufen. Und seine Kinder zu den auch von der Süddeutschen Gemeinschaft Albstadt organisierten Alternativ-Tagen schicken: FAT steht für Faschings-Alternativ-Tage. Sechs Abende, an denen in der Meßstetter Halle Jugendliche von 13 an aufwärts feiern.

Fasnet folgt auf Weihnachten, Neujahr und Dreikönig als fünfte Jahreszeit. Wer Fasnet nicht mag, macht halt Urlaub. Die Fasnetsferien heißen im protestantischen Norden, wo es keine Fasnet gibt, Skiferien. Mittlerweile allerdings ziehen sich die Fasnetsfesttage über Wochen hinweg. Jedes Wochenende Hexensabbat, Rucki-Zucki, und wer an der Bar Bionade bestellt, wird ausgelacht.

Es gibt eine evangelische Gegenbewegung, die kommt seit 15 Jahren fett daher: FAT steht für Faschings-Alternativ-Tage. Sechs Abende, an denen in der Meßstetter Halle Jugendliche von 13 an aufwärts feiern. Ohne Eintritt, ohne Alkohol. Ohne Stress und Ärger. Und ohne Verkleidung.

Veranstaltung soll keine Spaßbremse sein

Die Veranstalter, Profis in der christlichen Jugendarbeit und in der Süddeutschen Gemeinschaft Albstadt organisiert, legen Wert drauf: Die Veranstaltung ist alles andere als eine Spaßbremse und zieht jährlich bis zu 1500 Jugendliche an.

Warum aber machen die das? Warum eine christlich motivierte Jugendveranstaltung als Alternative zur Fasnet?

„Ich kenne nichts Vergleichbares“

Dorothea Fiedler organisiert die FAT mit; sie war in Ebingen dabei als vor 20 Jahren in kleinen Gruppen, in Jugendkreisen, zur Fasnetszeit eigene Partys veranstaltet wurden. Mittlerweile sei die Reihe eine Besonderheit. „Ich kenne nichts Vergleichbares.“ Die Veranstaltung ziehe Jugendliche aus der gesamten Region. „Die Jugendlichen werden in Bühnentechnik, Licht, Deko angeleitet, einige haben so ihren späteren Beruf gefunden.“

Jugendliche sind auf Identitätssuche

Dorothea Fiedler erklärt ihre Motivation pädagogisch: „Jugendliche sind auf Identitätssuche, häufig herrscht Gruppenzwang, manche lassen sich mitziehen zur Sauferei und anderen Dingen, die sie vielleicht gar nicht wollen.“ Dem schließt sich Manuel Braunmiller, 29, an.

Die FAT sind Gelegenheit, mit dem Lob Gottes in Kontakt zu kommen

Er ist seit bald zwei Jahren Jugendpastor in Albstadt und als Hauptamtlicher der Süddeutschen Gemeinschaft mit zuständig für die Alternativ-Tage. „Es gibt gute Mächte und böse Mächte. Jugendliche sind verführbar. Die FAT sind Gelegenheit, mit dem Lob Gottes in Kontakt zu kommen und eine coole Gelegenheit, Gleichaltrige zu treffen. Und die Eltern brauchen keine Angst zu haben.“

Fasnet als heidnischer Brauch, mit Larven und schaurigem Geheul die bösen Wintergeister austreiben – eine Steilvorlage für jeden Theologen, oder?

Als evangelische Christen haben wir nie Fasching gefeiert

Ostdorfs evangelischer Pfarrer Johannes Hruby enthält sich einer Bewertung: „Ich hatte von Jugend auf keinen Bezug zur Fasnet. Als evangelische Christen haben wir nie Fasching gefeiert. Deshalb ist mir dieses Treiben in der Öffentlichkeit, das oft mit großem Alkoholgenuss einhergeht fremd.“ Die Kirchengemeinde biete keine Fasnetsveranstaltungen an. „Büttenreden im Fernsehen, die die Politik aufs Korn nehmen, finde ich unterhaltsam.“

Charakterstärkung und Wertermittlung sind wichtig

Winterlingens evangelischer Pfarrer Ernst Nestele, 56, ist Vater von vier Kindern im Alter von 15 bis 24, alle haben sie in den vergangenen Jahren an den Fasnets-Alternativ-Tagen mitgemacht. „Wir brauchen ein funktionierendes soziales Netz mit einer gewissen Schutzfunktion, zur Stärkung des Charakters und der Wertevermittlung“, sagt er.

Der gesellschaftlichen Beliebigkeitskultur entgegentreten

Die FAT basierten auf einem „von Jugendschutzbelangen getragenen, alles andere als spaßfeindlichem Konzept“, organisiert mit rund 40 aktiven Jugendlichen. „Wir wollen der gesellschaftlichen Beliebigkeitskultur mit klarem Profil entgegentreten.“ Die Fasnets-Alternativ-Tage seien ein positiv-optimistisches Gegenmodell zu einer „sozialdekadenten Party“, wie sie die Fasnet bisweilen sei.

Gegen falsche Auslegung

Nestele wuchs in Weil im Schönbuch auf. „Ich habe Fasching im Kindergarten miterlebt, das war für mich als Kind etwas Neues. Aber es stand keine Kultur dahinter.“ Wenn er heute, als Erwachsener, Vorbehalte gegen die Fasnet erläutern und theologisch begründen soll, ist ihm klar, dass er sich auf heikles Terrain begibt. „Ich möchte die Volksbräuche nicht überhöhen. Ich wende mich gegen einen unsäglichen Missbrauch von Gnade, die falsche Auslegung, das Missverständnis von Gnade, ohne dabei die katholische Auffassung zu kritisieren.“ Die Abmachung, wonach man vom Schmotzigen Donnerstag an getrost über die Stränge schlagen könne, weil: Am Aschermittwoch ist alles vergeben, vergessen, vorbei!, gefalle ihm nicht.

Wir sind Narren um Christi Willen

Diese, theologisch gesprochen, „billige Gnade“, von der schon Dietrich Bonhoeffer polemisch gesprochen habe, stehe der teuren, echten Gnade entgegen. Was Pfarrrer Nestele hingegen gefällt: „Die Idee des Narren, im Sinne von Paulus: ‚Wir sind Narren um Christi Willen‘.“ Im ersten Korintherbrief 4,10 hat Paulus die negative Bewertung des Narren als eines Gottesleugners ins Gegenteil um: Der Christ soll auf Erden wandeln, als trüge er eine Narrenkappe, und sich dabei von den auf Weltliches ausgerichteten normalen Menschen verlachen und verspotten lassen.

Mit Witz und Humor die Wahrheit sagen

Ernst Nestele: „Das kann ich mittragen: Mit Witz und Humor die Wahrheit sagen. Manchmal kann man nicht gar nicht anders als sich närrisch auszudrücken.“

Soviel zum Überbau. Zur Fasnetszeit, sagt er, habe er häufig Jugendliche heimgefahren, die so betrunken waren, dass sie nicht mehr heimgefunden hätten. „Das wollte ich meinen Kindern ersparen.“ Für ihn als Pfarrer sei die Fasnetszeit die ruhigste im Jahr.

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