Nach Aufmarsch von „Reichsbürgern“ auf Burg Hohenzollern: Kaisertreuer erhält Strafbefehl

Von Hardy Kromer

Ein 57-jähriger Mann aus Hessen, der den Aufmarsch von rund 100 „Reichsbürgern“ auf Burg Hohenzollern anlässlich des 45. Geburtstages von Georg Friedrich Prinz von Preußen organisiert haben soll, hat jetzt einen Strafbefehl erhalten.

Nach Aufmarsch von „Reichsbürgern“ auf Burg Hohenzollern: Kaisertreuer erhält Strafbefehl

Eine „Reichsbürger“-Kundgebung vor den Toren von Burg Hohenzollern gab es am 10. Juni, dem 45. Geburtstag von Georg Friedrich Prinz von Preußen.

Es war ein Aufmarsch, der landesweit Schlagzeilen schrieb: Am 10. Juni pilgerten um die 100 aus ganz Deutschland angereiste „Reichsbürger“ den Zollerberg hinauf, um Georg Friedrich Prinz von Preußen zu dessen 45. Geburtstag zu huldigen, Kaiserreichsfahnen zu schwenken und Geburtstagsständchen sowie vaterländische Lieder zu singen.

Wohlgemerkt vor den verschlossenen Burgtoren und in Abwesenheit des Hausherren, der in den Augen der Demokratiefeinde als Kaiser-Erbe das legitime deutsche Staatsoberhaupt darstellt.

Geldstrafe für Organisator

Jetzt hat der Aufmarsch der Kaisertreuen strafrechtliche Konsequenzen für einen Hauptbeteiligten. Ein 57-jähriger Mann aus Hessen, der den Aufmarsch organisiert haben soll, hat jetzt vom Amtsgericht Hechingen einen Strafbefehl über eine Geldstrafe erhalten. Das bestätigte Amtsgerichtsdirektorin Irene Schilling gegenüber unserer Zeitung.

Das Delikt, das dem Mann aus der „Reichsbürger“-Szene vorgeworfen wird, ist die Abhaltung verbotener oder nicht angemeldeter Versammlungen oder Aufzüge gemäß § 26, Abs. 2 und 14, des Versammlungsgesetzes.

Aufmarsch war nicht angemeldet

Der Hesse soll es versäumt haben, den Aufmarsch bei den Behörden anzumelden. Gewusst hatten Landratsamt, Polizei und Verfassungsschutz gleichwohl davon. Ein Großaufgebot an Einsatzkräften hatte die Kaisertreuen aus ganz Deutschland begleitet.

Abzuwarten bleibt, ob der 57-Jährige den Strafbefehl akzeptiert oder ob es zu einem Prozess am Amtsgericht Hechingen kommt.

Nachspiel bereits im Landtag

Ein politisches Nachspiel hatte das vom 45er-Jubilar unerbetene Geburtstagskränzchen schon im Sommer im Stuttgarter Landtag. Ermöglicht haben das die beiden FDP-Abgeordneten Rudi Fischer (aus dem Wahlkreis Hechingen/Münsingen) und Julia Goll (Waiblingen), die in einer „Kleinen Anfrage“ von der Landesregierung wissen wollten, was die Sicherheitsbehörden des Landes über die Versammlung und deren Organisatoren wissen und wie sie das Geschehen bewerten.

Insbesondere verfolgten die beiden Liberalen die Spur, wonach der Organisator ein bundesweit bekannter „Reichsbürger“ sei, der auch den „Sturm auf das Reichstagsgebäude“ am 29. August 2020 mitorganisiert haben soll.

Wenig Konkretes von der Landesregierung

Darüber liefert die Antwort von Julian Würtenberger, Staatssekretär im Stuttgarter Innenministerium, nur wenig Konkretes. Er schreibt: „Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg hat eine Privatperson, die in der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene gut vernetzt ist, in den Wochen vor der Versammlung über soziale Medien zur Teilnahme aufgerufen.“

Zur Frage, ob es derselbe Organisator wie in Berlin war, lägen den Sicherheitsbehörden „keine Erkenntnisse vor“. Allerdings: Der mutmaßliche Initiator des Burgbesuches habe seinen Wohnsitz nicht in Baden-Württemberg. Sondern – wie man jetzt weiß – in Hessen.

Wie das Innenministerium den Aufmarsch bewertet

Zitierenswert ist die Bewertung des Geschehens durch das Innenministerium: „Die Versammlung (...) vor der Burg Hohenzollern ist aus Sicht der Sicherheitsbehörden (...) mit der Ideologie der Reichsbürgerszene zu erklären. Die Burg symbolisiert dabei das historische Vorbild des Deutschen Kaiserreiches. Dieses wiederum stellt für weite Teile der Reichsbürgerszene die letzte gültige und einzig legitime Staatsform dar, da sie die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat anerkennt. Die ,Reichsbürger‘ gehen vielmehr davon aus, dass Georg Friedrich Prinz von Preußen, als Oberhaupt des Hauses Hohenzollern und Nachfahre des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., das aktuelle deutsche Staatsoberhaupt sei. Offenkundig haben sich Teile der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene deshalb dazu entschlossen, ihm am 10. Juni 2021 persönlich vor Ort zu seinem 45. Geburtstag zu gratulieren. Aus Sicht der Szeneangehörigen sollte ihm gegenüber damit unter anderem Solidarität bekundet werden.“

Mobilisierungspotenzial der Szene

Und weiter: „Die Versammlung zeigte, dass die Reichsbürgerszene ein nicht unerhebliches Mobilisierungspotenzial freisetzen kann. Vereinzelt reagierten die Personen ablehnend oder teilweise aggressiv auf die polizeilichen Maßnahmen. Insgesamt verlief die Versammlung aus polizeilicher Sicht jedoch störungsfrei.

Die Zusammenkunft fügt sich in einen festzustellenden Wandel der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene ein. Nachdem sich das wahrnehmbare Wirken in den Anfängen des Phänomens in Baden-Württemberg hauptsächlich auf den Versand von Schreiben an öffentliche Stellen beschränkte, wird zwischenzeitlich offen für Zusammenkünfte mobilisiert und die Ideologie öffentlichkeitswirksam gelebt. Es werden Bestrebungen deutlich, sich virtuell und auch realweltlich weiter vernetzen zu wollen.“