Nach 4000-Euro-Bußgeld: Kollegen üben Solidarität mit Hechinger „Corona-Arzt“

Von Sabine Hegele

Der Hechinger Allgemeinarzt Dr. Bernd Stekeler muss 4000 Euro bezahlen, weil er trotz Corona-Verdacht zwei Pflegeheime betrat. Seine Ärztekollegen zeigen sich solidarisch und irritiert. Manche von ihnen wollen die Heime bis auf Weiteres meiden.

Nach 4000-Euro-Bußgeld: Kollegen üben Solidarität mit Hechinger „Corona-Arzt“

Dr. Bernd Stekeler räumt einen Fehler ein, betont aber: „Ich will nicht als Krimineller dastehen.“

Den Hechinger Allgemeinarzt Dr. Bernd Stekeler hat das Virus voll erwischt. Erst war er Hechingens erster bestätiger Corona-Fall. Und jetzt, da er wieder genesen und negativ getestet ist, schreibt er überregional Schlagzeilen als leichtsinniger „Corona-Arzt“, der vor zwei Wochen zwei Pflegeheime betrat, während er auf sein Testergebnis wartete.

Von der Bild-Zeitung geoutet

Als solchen outete ihn am Dienstag die „Bild“-Zeitung großformatig, und er selbst posierte dazu für den Fotografen mit weißem Kittel und Mundschutzmaske in seiner Praxis. Stekeler ist der Mann, der von der Stadt Hechingen ein 4000-Euro-Bußgeld aufgebrummt bekam, weil er in zwei Fällen gegen die Corona-Verordnung des Landes verstoßen hat.

Der Sender RTL wollte den Hechinger Arzt am Dienstagabend im Fernsehen haben. Diesen Auftritt hat Stekeler nach gründlicher Abwägung dann aber doch abgesagt.

Stekeler: „Ich habe einen Fehler gemacht“

Gegenüber unserer Zeitung räumte der 70-Jährige ein, „einen Fehler gemacht“ zu haben, als er am Mittwoch, 18. März, das Hechinger Alten- und Pflegeheim St. Elisabeth und das Bisinger „Haus im Park“ aufsuchte, obwohl das Ergebnis seines Corona-Tests, den er zwei Tage davor ins Labor geschickt hatte, noch nicht vorlag.

Besuche mit Folgen: Am Freitag, 20. März, lasen die Leiter der Heime in der Zeitung, dass Stekeler just am Mittwochabend ein positives Test­ergebnis bekommen hatte. Höchst alarmiert schickten sie die Mitarbeiter, die Kontakt zu dem Besucher hatten, in Quarantäne.

Pflegekräfte fallen deshalb aus

„Wir müssen in dieser schwierigen Situation deshalb auf zwei erfahrene Pflegekräfte verzichten“, erklärte die Einrichtungsleiterin des Bisinger Heimes. Konsequenterweise wurden die beiden Vorfälle beim Balinger Gesundheitsamt angezeigt, und die Stadt Hechingen als zuständige Ordnungsbehörde reagierte mit dem Bußgeldbescheid nach dem strengen Katalog des Sozialministeriums.

Der Vorwurf: Dr. Stekeler habe zwei Mal gegen die Corona-Verordnung verstoßen, indem er „trotz erhöhten Infektionsrisikos“ Pflegeeinrichtungen betrat. Erschwerend: Er habe die Heime aus beruflichen Gründen als Arzt betreten und – obwohl er Grippesymptome gespürt habe – weder Schutzkleidung noch Mundschutz getragen.

„Nur Asthma und einen produktiven Husten verspürt“

„Ich bedaure sehr, dass es dazu gekommen ist“, schrieb Dr. Stekeler, als er von der Stadt angehört wurde, versuchte sich aber zu rechtfertigen: „Ich musste keinerlei Verdacht hegen, an Coronaviren erkrankt zu sein.“

Er habe lediglich Asthma und einen „produktiven Husten“ verspürt. An Asthma leide er schon lange, den Husten habe er „auf die Erkältungswelle geschoben“. Vom positiven Corona-Bescheid sei er „völlig überrascht“ gewesen.

Kein Patientenkontakt in den Heimen

Vor diesem Hintergrund und auch weil er in den Heimen „überhaupt keinen Patientenkontakt“ gehabt habe, findet Stekeler die Höhe des Bußgeldes „unverhältnismäßig“. Ihm sei zu jenem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen, dass er „explizit die Genehmigung der Heimleitung gebraucht hätte“, um die Einrichtung betreten zu dürfen.

Sein Fazit: Er fühlt sich zu Unrecht zur „Höchststrafe“ verurteilt und meint: „Da hapert es auch an Wertschätzung den Ärzten gegenüber.“ Wie sollten er und seine Kollegen künftig überhaupt noch wissen, ob und wann sie ein Heim betreten dürfen, wenn sie am Ende Gefahr liefen, „als Kriminelle dazustehen“?

Schutzkleidung fehlt weiterhin

In diesem Punkt (und bei der Ankündigung, gegen die Höhe des Bußgeldes Widerspruch einzulegen) kann Bernd Stekeler mit der Solidarität und der Unterstützung seiner Kollegen vom Ärztenetz Zollern e.V. (ÄnZo) rechnen.

„Mehrere Allgemeinmediziner sehen sich aufgrund der Ereignisse nicht mehr in der Lage, die Pflegeheime zu besuchen“, zeigen Dr. Rita Ziebach und Dr. Jürgen Lehmann in einer Stellungnahme für das Ärztenetz erste Konsequenzen aus der Affäre auf.

Und sie nehmen den Fall zum Anlass, mit Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, dass die versprochene Versorgung der Ärzte mit Schutzkleidung immer noch fehlt.

Gleichwohl droht Stekeler weiteres Ungemach: Auch die Landesärztekammer wird sich mit dem Fall zu befassen haben, wie unserer Zeitung bestätigt wurde.

Die Stellungnahme des Ärztenetzes Zollern e. V.

Zu Bernd Stekeler persönlich: „Als unser Freund und geschätzter Kollege stehen wir zu ihm, in guten wie in schlechten Zeiten. Wir sind glücklich, dass er die Krankheit überlebt hat. Wie er sind viele Hausärzte im Zollernalbkreis über 60 Jahre und nicht frei von weiteren Risikofaktoren für einen schweren Covid-Krankheitsverlauf.“

Zur Stimmung in der Ärzteschaft: „Das Ärztenetz ist überwältigend solidarisch und infolge der derzeitigen Ereignisse irritiert, was die eigenen Verhaltensweisen betrifft: Kann man überhaupt noch guten Gewissens in seiner Praxis Patienten sehen, Hausbesuche machen etc.? Denn aufgrund der Patientenkontakte kann jeder von uns damit rechnen, irgendwann das Virus zu beherbergen, unter Umständen bevor man das weiß. Und nach wie vor fehlt die versprochene Versorgung mit Schutzkleidung. Natürlich bleiben die Mitarbeiterinnen und wir bei grippalen Symptomen und/oder positivem Test zuhause.

Zur Höhe des Bußgeldes: „Vor dem Gesetz sind alle gleich. Wir sind sicher, dass Dr. Stekeler nicht vorsätzlich jemandem schaden wollte, schließlich ist er ein guter Arzt und Mensch. Deshalb ist das Strafmaß gefühlt sehr hoch. Aber das Ärztenetz wird ihn hier unterstützen.“

Zu Konsequenzen für die Arbeit der Ärzte: „Jeder von uns bemüht sich, auch in dieser Krise den Patienten zu helfen, ihnen beizustehen und keinen Schaden zuzufügen, unserem ärztlichen Auftrag gerecht zu werden. Derzeit sind auch wir in einem Ausnahmezustand, es gibt vieles Neue zu wissen, zu berücksichtigen, besonnen zu bleiben. Unabdingbar wird es sein, zeitnah Schutzkleidung zu erhalten, sonst müssen auch wir wie einige Bayern die Praxen schließen, weil die Richtlinien nicht mehr eingehalten werden können. Die meisten von uns sind weiterhin der Meinung, dass die sich uns anvertrauenden Patienten bei uns besser betreut sind als in anonymen Strukturen und dass die „normalen“ Krankheiten, Impfungen etc. nicht vernachlässigt werden dürfen.“

Zu Besuchen in Pflegeheimen: „Mehrere Allgemeinmediziner sehen sich aufgrund der Ereignisse nicht mehr in der Lage, die Pflegeheime zu besuchen.“

Verfasst wurde die ÄnZo-Stellungnahme von den Ärzten Dr. Rita

Ziebach und Dr. Jürgen

Lehmann.