Dotternhausen

NUZ setzt alles auf eine Karte: Die Dotternhausener Naturschützer wollen bis zum VGH gehen

28.08.2020

Von Rosalinde Conzelmann

NUZ setzt alles auf eine Karte: Die Dotternhausener Naturschützer wollen bis zum VGH gehen

© Rosalinde Conzelmann

Das NUZ-Vorstandstrio Siegfried Rall (von rechts), Norbert Majer und Bernd Effinger moderierten eine turbulente Sitzung.

Der Verein für Natur- und Umweltschutz Zollernalb (NUZ) hat in einer erweiterten Vorstandssitzung nach einer dreistündigen Debatte, bei der heftig und emotional gestritten wurde, entschieden, die obersten Richter des Landes zu bemühen, um das Urteil gegen Norbert Majer überprüfen zu lassen. Das Vorhaben hängt an einem seidenen Faden, denn der Verein hat nach Eingang der schriftlichen Urteilsbegründung nur vier Wochen Zeit, um die 5000 Euro Klagekosten zusammenzubringen.

Nach der Niederlage vor dem Sigmaringer Verwaltungsgericht (der ZAK berichtete) ging es am Mittwoch darum, eine Entscheidung zu treffen, wie der Verein weitermacht. Ob er das finanzielle Risiko eingeht und gegen das Urteil vorgeht.

Neben dem Vorstandstrio Norbert Majer, Siegfried Rall und Bernd Effinger, der Schriftführerin Brigitte Jetter-Faiss und der Kassenchefin Renate Ritter waren nicht nur weitere Mitglieder gekommen.

Auch Gemeinderäte sind da

Auch die Dotternhausener Gemeinderäte Wolfgang Wochner, Otto Scherer und Georg von Cotta wagten sich an diesem bedeutsamen Abend in die „Höhle des Löwen“, was immer wieder zu einem heftigen Schlagabtausch, aber auch zu versöhnlichen Zwischentönen führte.

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Wir müssen die Bevölkerung hinter uns bringen, sonst ist es weiter ein Kampf gegen Windmühlen. Norbert Majer, NUZ-Vorsitzender

Wir kämpfen wirklich wie die Löwen. Wolfgang Wochner, Gemeinderat

Beide Parteien waren sich in einem Punkt einig: dass die Zementindustrie eine unglaubliche Lobby in der Politik hat und die NUZ sich in der Rolle des Davids sieht, der gegen Goliath kämpft. Gegenseitige Anschuldigungen blieben nicht aus, dabei ging es zuweilen hart zur Sache.

Die NUZ-Vertreter beharrten darauf, dass nicht der Verein, sondern Holcim der Spalter der Gemeinde sei.

Abfallverbrennung bleibt Abfallverbrennung

„Wenn Grenzwerte nicht eingehalten werden, ist das die Sache des Staatsanwalts“, echauffierte sich Hubert Eppler. Majer stimmte dieser Aussage grundsätzlich zu, verwies aber auf die „rechtlichen Schlupflöcher“, die die Zementindustrie nutze. „Dennoch bleibt eine Abfallverbrennung eine Abfallverbrennung“, so Majer. Kritisch merkte Eppler an: „Die Politik deckt die Unternehmen, keiner hilft uns.“

Weiter den Finger in die Wunde legen

Dennoch habe man eine Chance, zeigte sich Georg von Cotta kämpferisch. „Wir müssen weiter den Finger in die Wunde legen und beharrlich bleiben“, nannte er seine Strategie. Die beiden Fernsehbeiträge über das Geschäftsgebaren der Zementindustrie hätten eine breite Öffentlichkeit wachgerüttelt und erreicht.

„Wenn Norbert Majer gewonnen hätte, hätte dies nur für Dotternhausen eine Bedeutung“, meinte er. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) habe eine viel breitere Wirkung und könne auch Einfluss auf Zementwerke im ganzen Land haben.

NUZ setzt alles auf eine Karte: Die Dotternhausener Naturschützer wollen bis zum VGH gehen

© Rosalinde Conzelmann

Bei den Seilbahn-Verhandlungen hat sich die Gemeinde über den Tisch ziehen lassen, sagt NUZ.

Die NUZ, die nach der Unterzeichnung der Verträge ihr Augenmerk weiter kritisch auf die Abfallverbrennung richtet und mit vollem Einsatz gegen die Schadstoffbelastung der Luft durch das Zementwerk und für den Einbau einer sogenannten SCR-Filteranlage kämpft, fühlt sich von der Gemeinde im Stich gelassen. Gegen diesen Vorwurf wehrten sich die anwesenden Gemeinderäte.

Kritik an der Politik

„Ich habe in der Sitzung gesagt, dass das Zementwerk Erpresser sind“, sagte Otto Scherer. Er spielte auf die Ausgleichsflächen an. Das Landratsamt habe der Gemeinde zugesichert, dass diese nur auf dem Plettenberg ausgewiesen würden. Was passierte?

„Das RP hat das Landratsamt zurückgepfiffen und damit unsere Verhandlungsposition extrem geschwächt“, betonte Scherer. Sein Fazit: „Die Politik lässt uns im Stich, wir haben keine Rückendeckung.“

Majer bietet Rücktritt an

Dreh- und Angelpunkt der Debatte war die Frage, ob der Verein die 5000 Euro zusammenbringt, um den VGH einzuschalten. „Wir müssen die Bevölkerung hinter uns bringen, sonst ist es weiter ein Kampf gegen Windmühlen“, erklärte Majer, der das Urteil als frustrierend bezeichnete und sogar so weit ging, seinen Rücktritt anzubieten.

„Denn vielleicht liegt es an meiner Person, dass uns die Rückendeckung von der Bevölkerung fehlt.“ Man verteile Flyer an 80.000 Menschen und erhalte null Resonanz, meinte er enttäuscht.

Zum Rücktritt kam es dann nicht, denn die Anwesenden sehen in der Überprüfung des Urteils durch den VGH eine große Chance. Ebenso sind sie sich sicher, Unterstützer zu finden.

Es geht nicht nur die Menschen im Kreis an

Sei es über eine Crowdfunding-Aktion im Internet, die Georg von Cotta und Hubert Eppler für den Verein umsetzen würden oder die einmalige Zahlung einer Sonderumlage für die rund 150 Mitglieder. „Das wären 30 Euro pro Mitglied“, so von Cotta. Zu diesem Vorschlag sollen die Mitglieder befragt werden.

Was die Online-Spendenaktion betrifft, bei der die Hürde zu spenden sehr niedrig sei, ist von Cotta überzeugt, dass das Thema Abfallverbrennung und Luftverschmutzung in Zementwerken nicht nur die Menschen im Zollernalbkreis interessiert: „Report Mainz ist eine Nummer.“

Während die Bevölkerung offensichtlich wenig Interesse an der NUZ-Arbeit zeigt, kann Majer auf seine Mitglieder zählen. Es gebe sehr viele, die sich jetzt schon großzügig zeigten und bereit seien, weiter zu spenden, berichtete er.

Ebenso erhalte der Verein aus anderen Ländern Zuspruch und Lob für seine gute Arbeit. Nicht ohne Grund heiße es, wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht, wählte Majer diese starken Worte.

Klage gegen Altglasverbrennung auf der Kippe

Auch Siegfried Rall wehrt sich mit einer Klage gegen die Altglasverbrennnung im Holcim-Zementwerk. Dieses Verfahren ist an eine Bedingung geknüpft. „Wenn ich bis 20. September die 4000 Euro über Spenden nicht zusammen habe, ziehe ich die Klage zurück“, kündigte Rall an.

Der gut gemeinte Wunsch von Wolfgang Wochner, dass die NUZ und der Gemeinderat nach der Vertragsunterzeichnung doch die gleichen Ziele verfolgen sollten, mit dem Hinweis, dass es eine Opposition gegen den Gemeinderat gibt, löste nochmals eine kurze, aber heftige Debatte aus.

Wochner sah sich plötzlich in der Verteidigungsrolle. Er versicherte, dass der Gemeinderat sein Bestmögliches in den Verhandlungsgesprächen mit Holcim gegeben habe. „Wir kämpfen wirklich wie die Löwen“, versicherte er. Jetzt habe man geklärte Verhältnisse. „Sonst hätten wir keinen Bürgermeister-Kandidaten gefunden“, fügte er noch an.

Holcim bleibt weiterhin ein Thema

Ein Argument, das die NUZ-Vertreter, die den unterzeichneten Vertrag keinesfalls als Erfolg und nicht einmal als Kompromiss sehen, nicht gelten lassen wollen. Schließlich müsse sich der neue Bürgermeister künftig weiter mit Holcim und den Emissionen auseinandersetzen.

Georg von Cotta beschwichtigte und forderte die NUZ auf, den Gemeinderat zu unterstützen. „Die Nadelstich-Taktik ist unsere einzige Möglichkeit.“ Und jetzt habe man zum ersten Mal den Fuß in der Tür.

Kommentar

Es hat ordentlich gekracht zwischen den NUZ-Mitgliedern und den Gemeinderäten. Aber manchmal braucht es ein reinigendes Gewitter, um danach wieder in frischer Luft durchzuatmen. Die Verträge sind unterschrieben und damit Vergangenheit. Also abhaken und nach vorne blicken. Die NUZ-Mitglieder wollen sich zu Recht nicht den Schuh anziehen, dass sie der Spalter der Gemeinde sind. Schließlich haben sie den Protest gegen den Plettenbergabbau und die Emissionsdebatte angestoßen. Der Gemeinderat wiederum will nicht der Buhmann sein, weil er aufgrund der vorhergehenden Verträge kaum Spielraum bei den Verhandlungen hatte. Wenn David diesen Kampf gegen Goliath gewinnen möchte, müssen sich beide Seiten zusammenraufen und sich nicht an alten Geschichten aufhalten. Beide wollen nämlich das Gleiche, das war deutlich rauszuhören am Mittwoch im Wortgewitter.

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