Winterlingen

Mord aus verletztem Stolz

31.10.2018

von Michael Würz

Das Landgericht Hechingen hat den Mann, der in Winterlingen seine Frau erschossen hat, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. 

Mord aus verletztem Stolz

© Pascal Tonnemacher/Archiv

Das Landgericht Hechingen.

An sieben Verhandlungstagen hatten zahlreiche Zeugen, Ermittler und Sachverständige vor der großen Strafkammer des Landgerichts ausgesagt. Am Ende stand für die fünf Richter, darunter zwei Schöffen, fest: Der Mann ist wegen Mordes zu verurteilen, in Tateinheit mit dem illegalen Führen der Tatwaffe.

Ein klares Tatmotiv

Für die Richter steht außer Frage: Der Angeklagte kam nicht damit zurecht, dass dessen Frau sich von ihm trennen wollte, sie in eine eigene Wohnung in Tailfingen ziehen wollte. „Sie haben dann einen verhängnisvollen Fehler gemacht“, erklärte der Vorsitzende Richter Dr. Hannes Breucker, der sich am Mittwoch viel Zeit für eine ausführliche Urteilsbegründung nahm. „Sie haben die Waffe Ihres Vaters genommen, das Magazin mit acht Patronen bestückt und die Pistole durchgeladen.“ Das Gericht ist deshalb überzeugt davon, dass der Angeklagte seine Frau von der Trennung abhalten wollte – und zwar „notfalls mit Gewalt“.

Oberhaupt der Familie

Als die Frau ihrem Mann am 1. April dieses Jahres verdeutlicht, dass sie sich „wie eine Dame“ trennen wolle und ihm dann wohl auch noch eine Grimasse zeigt, kommt es zu der fürchterlichen Tat. Der Mann zieht die Pistole, schießt insgesamt fünf Mal auf seine Frau. Mit dem sechsten Schuss verletzt er seine Tochter an der Hand. Eine Verzweiflungstat? Nein, sagt Richter Breucker. „Sie hätten noch zwei Patronen gehabt, um auch ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Das aber haben Sie nicht in Erwägung gezogen.“ Auch hätten, betonte Richter Breucker, die Aufzeichnungen der Notrufe ergeben, dass dem Mann die verhältnismäßig leichtere Verletzung an der Hand seiner Tochter deutlich wichtiger schien als das Leben seiner Frau.

Integration mit Abstrichen

Viele in Winterlingen, darunter Bürgermeister Michael Maier, hatten nach der Tat betont: Der Mann sei gut integriert gewesen, seine kosovarisch-albanischen Wurzeln stünden nicht in Zusammenhang mit der Tat. Diese Einschätzung teilte Richter Breucker in seiner Urteilsbegründung nicht: Zwar habe der Angeklagte ein zeitgemäßes Leben führen wollen, überhaupt glaubt das Gericht, dass der Mann kein durchweg schlechter Mensch gewesen ist. Und dennoch sei sein Handeln geprägt gewesen von patriarchalischen Strukturen und einer autoritären Vaterrolle. „Zwei Herzen schlugen in Ihrer Brust: die liberale Lebensweise und die alte Lebensweise.“

Das Gericht ist überzeugt davon, dass der Mann seine Frau habe züchtigen wollen, sie deshalb in der Vergangenheit geschlagen hatte. Dass sie selbst Geld verdiente, dass sie mit Freundinnen ausging, während der Mann nach einem Unfall auf staatliche Hilfe angewiesen war, das habe der Angeklagte nicht verdaut. In Richter Breuckers Worten: „Ihnen drohte der Autoritätsverlust.“

Die Kinder sind traumatisiert

Die Folge: eine brutale, eine tödliche Tat, unter der auch die gemeinsamen Kinder, die alles mit ansehen mussten, ein Leben lang leiden werden, wie Breucker betonte. Von einem furchtbaren Ereignis sprechen auch die Verteidiger des Verurteilten – die Mordmerkmale allerdings sehen sie nicht gegeben. „Wir wollen noch das schriftliche Urteil abwarten“, sagte Rechtsanwätin Michaela Spandau nach der Urteilsbegründung am Mittwoch. Es sei aber wahrscheinlich, dass die Anwälte des Mannes Revision gegen das Urteil einlegen werden.

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