Mit interaktiver Karte: Wer sind die Namensgeber für die Straßen in Balingen?

Von Benno Haile

Vom Anna-Seghers-Weg über die Jakob-Beutter-Straße bis zum Zeißweg: In Balingen und seinen Teilorten sind zahlreiche Straßen nach bekannten Persönlichkeiten benannt. Einige haben sogar eine direkte Verbindung zur Stadt oder zum Zollernalbkreis. Wir stellen sie hier vor.

Mit interaktiver Karte: Wer sind die Namensgeber für die Straßen in Balingen?

Einige Straßen in Balingen wurden nach bekannten Balinger Persönlichkeiten benannt.

Hinweis: Mit einem Mausklick auf die Straße werden Ihnen Informationen zum jeweiligen Namensgeber angezeigt. Wenn Sie auf das Symbol links oben klicken, öffnet sich die Legende. Blau markierte Straßen sind nach Persönlichkeiten mit Lokalbezug benannt, rote Straßen nach überregionalen Persönlichkeiten. Die gelben Straßen tragen Vornamen, die keiner einzelnen Person zugeordnet werden können.

Balinger Namen für Balinger Straßen

Der Dramatiker Nicodemus Frischlin, nach dem in Erzingen die Frischlinstraße benannt ist, ist der älteste namentlich klar zuzuordnende Balinger, der einer Straße seinen Namen leiht. Der gebürtige Erzinger (* 22. September 1547; † 29. November 1590) galt als begnadeter Poet, war jedoch auch als streitbarer Querdenker, Verfechter des Protestantismus und Kritiker der sozialen Verhältnisse bekannt, was ihm so manche Probleme einbrachte.

Zeitweise wurde er mit einem Veröffentlichungsverbot und Hausarrest belegt, weshalb er ins ausländische Exil ging. Nachdem er 1590 eine Streitschrift gegen den württembergischen Hof verfasst hatte, wurde er auf der Burg Hohenurach eingesperrt.

Fluchtversuch endet tödlich

Er starb bei einem Fluchtversuch, als das Bettlaken, das er als Seil verwendete, riss und er sich beim Sturz unter anderem das Genick brach. Frischlins früherer Förderer und späterer Erzfeind Martin Crusius sagte nach dessen Tod: „Frischlinus lieget hier, vom Falle bös verstaucht; er war ein guter Kopf, doch hat er ihn missbraucht.“

Geschichtlich noch weiter zurück als die Frischlinstraße reicht nur die Herkunft des Namens der Bubenhofenstraße. Diese ist nach einem Adelsgeschlecht, das bereits etwa 1250 im Bubenhofener Tal zwischen Rosenfeld und Binsdorf beheimatet war. Die Blütezeit erlebten die Herren von Bubenhofen im 15. Jahrhundert.

Ihren Herrensitz richteten sie in Geislingen ein – die damalige Burg der Bubenhofens wurde zum heutigen Wasserschloss ausgebaut. Schulden führten im 16. Jahrhundert zum Niedergang des Geschlechts.

Drei berühmte Ostdorfer

Verglichen mit Frischlin und den Bubenhofens reicht der Ursprung des Bürgermeister-Beck-Rings in Ostdorf nur eine Zeigerumdrehung in die jüngste Vergangenheit zurück. Die Straße des Neubaugebiets, das Mitte der 1990er-Jahre erschlossen wurde, wurde nach dem langjährigen Bürgermeister und Ortsvorsteher Otto Beck (* 30. Juli 1921; † 5. September 1993) benannt.

Der gebürtige Ostdorfer war fast 40 Jahre lang das Oberhaupt seines Heimatorts. 1948 wurde er zum Bürgermeister der damals noch eigenständigen Gemeinde gewählt, nach der Eingemeindung nach Balingen 1971 war er fortan Ortsvorsteher. Dieses Amt führte er bis 1986 aus.

Heutiger Ortsvorsteher dankbar für Becks Verdienste

„Otto Beck hat viele wichtige kommunalpolitische Entscheidungen getroffen“, erzählt der heutige Ortsvorsteher Helmut Haug. Unter Beck siedelte sich erstmals auch Gewerbe im bisher rein landwirtschaftlich geprägten Ort an. Zudem erschloss er neue Wohngebiete.

„Im Nachhinein ist sein größter Verdienst, dass Ostdorf heute kein Hochhaus hat“, so Haug. Diese seien nämlich in den 70er-Jahren sehr in Mode gewesen. Auch für Ostdorf lagen schon Pläne bereit: „Aber Beck hat sich vehement dagegen gewehrt“, erklärt Haug. Ein Hochhaus passe nicht in einen kleinen Ort wie Ostdorf, findet Haug. „Das war sehr vorausschauend von Otto Beck.“

Otto Beck ist nicht der einzige Ostdorfer, nach dem in Ostdorf Straßen benannt wurden. Auch die Martin-Haug-Straße und die Martin-Göhring-Straße sind nach bekannten Söhnen der Gemeinde benannt. „Martin Haug ist wohl der berühmteste Ostdorfer“, sagt Ortsvorsteher Helmut Haug.

Ein Kenner des Orients

Martin Haug (* 30. Januar 1827; † 3. Juni 1876) war Orientalist, er studierte und lehrte also die Sprachen und die Kultur des Orients. Er reiste bereits im 19. Jahrhundert nach Indien und erlangte umfassende Kenntnisse der heiligen Schriften der Parsen und Hindu.

Ihm zu Ehren erschien anlässlich seines 100. Geburtstags 1927 eine Festschrift. Zudem wurde die Entengasse, wie die Straße, in der sein Geburtshaus stand, früher hieß, nach ihm benannt.

Die Martin-Göhring-Straße hieß früher Blumenstraße

Martin Göhring (* 21. November 1903; † 8. März 1968) war ein Historiker der neueren Geschichte. Er stammte aus einfachsten Verhältnissen: „Er gehörte zu einer Bauernfamilie. Die Eltern konnten gar nicht verstehen, dass er studieren ging“, erklärt Ortsvorsteher Haug.

Göhring promovierte über „Die Feudalität in Frankreich vor und in der französischen Revolution“, war als Professor der politischen Auslandskunde und Westeuropa-Geschichte sowie als Lehrbeauftragter für neuere französische Geschichte tätig.

Früher hieß die Martin-Göhring-Straße noch Blumenstraße. Als diese im Zuge der Eingemeindung Ostdorfs nach Balingen umbenannt werden musste, weil es in Balingen bereits eine Blumenstraße gab, wurde sie nach dem berühmten Sohn der Gemeinde, dessen Geburtshaus in der Blumenstraße stand, umgetauft.

Namenspaten in der Kernstadt

Der prominenteste Straßenname in der Balinger Kernstadt dürfte wohl die Wilhelm-Kraut-Straße sein. Wilhelm Kraut senior (* 9. Mai 1875; † 26. September 1957) war Inhaber der 1886 von Andreas Bizer gegründeten Waagenfabrik.

Er und sein Sohn Wilhelm Kraut junior (* 17. März 1906; † 13. Juli 1992) bauten das Unternehmen Bizerba zum Weltmarktführer aus. Sowohl Vater, als auch Sohn sind Ehrenbürger der Stadt Balingen und wurden mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik ausgezeichnet.

Über die Namensgeber der Hermann-Berg-Straße und der Filserstraße ist dagegen recht wenig bekannt. Dem Balinger Stadtarchiv liegen auf ZAK-Anfrage keine ausführlichen Informationen vor.

Bekannt ist, dass die Filserstraße nach Josef Filser († 31. Juli 1918) benannt ist, der Oberamtmann und Regierungsrat war. Zudem ist er der Vater der Malerin Maria Caspar-Filser. Die Hermann-Berg-Straße wurde nach dem ehemaligen Stadtbaumeister Hermann Berg benannt.

Politiker der Stadtgeschichte

Gleich zwei Straßen in der Kernstadt sind nach ehemaligen Bürgermeistern benannt: Die Hermann-Rommel-Straße und die Robert-Wahl-Straße.

Hermann Friedrich Rommel (* 30. September 1885; † 12. November 1946) war von 1919 bis 1936 Bürgermeister von Balingen. Rommels Hauptwerk ist die Sichelschule. Der Bau der Schule in Zeiten der Inflation war ein finanzieller und organisatorischer Balanceakt und offenbarte Rommels besondere Fähigkeiten als Stadtoberhaupt.

Die Machtübernahme der Nazis machte ihm zum Ende seiner Amtszeit das Leben schwer. 1936 wurde er in den Ruhestand versetzt. Als er nach Kriegsende gebeten wurde, wieder als Bürgermeister zu kandidieren, lehnte er ab.

Landrat und Bürgermeister in Personalunion

Erster Balinger Bürgermeister der Nachkriegszeit wurde dann Robert Wahl (* 22. August 1882; † 5. Dezember 1955). Das Amt übte er bis zum 2. September 1946 aus. Parallel war er zeitweise in Personalunion Landrat des damaligen Landkreises Balingen. Dieses Amt hatte er bis zum 14. Juli 1948 inne.

Wahl lehnte die Nationalsozialisten entschieden ab, was dazu führte, dass er in den ersten Kriegsjahren aus politischen Gründen zeitweise inhaftiert wurde. Am 20. April 1945, kurz vor der Einnahme der Stadt durch französische Truppen, setzten Bomben einige Balinger Gebäude in Brand.

Die Sichelschule drohte ein Opfer der Flammen zu werden. Nur durch das beherzte Eingreifen Robert Wahls und der Belegschaft seiner Maschinenfabrik für Kühlanlagen wurde dies verhindert.

Urgestein der Balinger SPD

Ein weiterer Politiker, dem eine Straße gewidmet wurde, ist Jakob Beutter (* 10. Juli 1887; † 17. Januar 1972). Der überzeugte Sozialdemokrat und Gegner des NS-Regimes war 1909 in die SPD eingetreten und 1921 erstmals in den Gemeinderat gewählt worden. Dem gehörte er – mit Ausnahme der Zeit der Nazi-Herrschaft – bis 1965 an.

Nachdem er als politisch Andersdenkender zwischen 1933 und 1945 aus der SPD austreten und sein Gemeinderatsmandat ablegen musste, erhielt er bei der ersten Gemeinderatswahl nach dem Krieg, im September 1946, wie gewohnt die höchste Stimmenzahl. Zudem war er bis 1965 ständiges Mitglied des Kreistags und des Kreisrats (bis 1959) sowie ab 1950 stellvertretender Bürgermeister.

Erst mit 78 Jahren zog er sich von seinen öffentlichen Ämtern zurück. Zu seinem 70. Geburtstag wurden ihm die Ehrenbürgerwürde der Stadt Balingen und das Bundesverdienstkreuz verliehen. Zum 80. bekam er den Ehrenring der Stadt.

Namensgeber aus Kunst und Musik

Nach Künstlern sind die Simon-Schweitzer-Straße und die Eckenfelderstraße benannt. Simon Schweitzer, der zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert lebte, war Bildhauer und fertigte mehrere Kruzifixe und Epitaphe (das sind Grabinschriften oder Grabdenkmale) in Kirchen in der Umgebung.

In der Balinger Stadtkirche ist unter anderem ein Epitaph von 1595 für Bürgermeister Caspar Murschel zu sehen. Schweizers ältestes nachweisbares Werk ist ein Epitaph für Hans Christoph Scheer von Schwarzenberg an der Pfarrkirche in Hausen am Tann.

Wer sich in Balingen das Ja-Wort gegeben hat, hat dies höchstwahrscheinlich vor einem Gemälde von Friedrich Eckenfelder (* 6. März 1861; † 11. Mai 1938) getan. Denn im „Eckenfelderzimmer“ im Balinger Rathaus, das als Trauzimmer genutzt wird, hängt eine von Eckenfelder gemalte Albkulisse.

Eckenfelder, dessen Vater aus Balingen stammt und der große Teile seine Lebens hier verbrachte, war als Tiermaler bekannt. Vor allem seine „Pflügenden Pferde“ waren ein bekanntes und beliebtes Motiv. Seinen Lebensabend verbrachte Eckenfelder als Balinger Heimatmaler. Seine Werke sind unter anderem in der „Friedrich-Eckenfelder-Galerie“ in der Zehntscheuer zu sehen.

Vater des Balinger Musiklebens

Auch die Musik findet in der Namensgebung der Hermann-Rehm-Straße ihre Würdigung. Hermann Rehm (* 25. Januar 1896; † 31. Dezember 1959) war Kirchenmusikdirektor und Organist in Balingen. Er wurde öfters als „Vater des Balinger Musiklebens“ betitelt.

1923 übernahm er die Chorleitung der evangelischen Kantorei in Balingen. Er gründete das Balinger Kammerorchester und wurde 1945 zum Kirchenmusikdirektor ernannt. Zudem war er Konrektor der Sichelschule. 1953 übergab er die Chorleitung der Kantorei an seinen Sohn Gerhard Rehm. 1958 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Band.

Einzige Namensgeberin

Die einzige Balingerin, nach der in eine Straße benannt wurde, ist Maria Friederike Rösler (* 6. September 1819; † 28. September 1880). In ihrem Testament verfügte sie, dass der von ihr gegründete Stiftung zur Erziehung und Ausbildung von Konfirmanden 140.000 Goldmark zugute kommen sollen.

Aus dieser Stiftung ging die Rösler’sche Frauenarbeitsschule hervor, die 1898 in einem eigens erbauten Gebäude eröffnet wurde. Bis 1971 blieb diese Frauenarbeitsschule bestehen. An Maria Friedericke Rösler erinnert heute noch ein Denkmal auf dem Balinger Friedhof.

Straßennamen in den Ortsteilen

Auch in Frommern, Heselwangen und Engstlatt wurden Straßen nach lokalen Persönlichkeiten benannt. Der gebürtige Frommerner Heinrich Lang und der in Dürrwangen geborene Gottlieb Rau finden sich auf Frommerner Straßenschildern wieder.

Heinrich Lang ( * 14. November 1826; † 13. Januar 1876) war als Theologe, Reformer und Schriftsteller weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt. Als Volksredner und energischer Verfechter der Republik musste er das Königreich Württemberg verlassen und floh in die Schweiz.

Der Revolutionär Gottlieb Rau (* 15. Januar 1816; † 2. Oktober 1854) forderte den Sturz der Monarchie und die Einführung der Republik. 1848 plante er einen bewaffneten Marsch nach Cannstatt zur Volksversammlung, um die Einführung der Republik zu erzwingen. Auf dem Weg dorthin löste sich der Zug von rund 1000 Männern jedoch auf.

Rau wurde verhaftet und zu 13 Jahren Haft verurteilt. Nach zwei Jahren wurde er allerdings begnadigt. Er reiste nach Amerika aus und eröffnete ein Hotel in New York, das für viele Deutsche die erste Anlaufstelle in der Neuen Welt wurde.

Heselwangens letzter Bürgermeister

In Heselwangen erinnert die Bürgermeister-Jetter-Straße an Balthas Jetter. Er war von 1919 bis 1934 Heselwangens letzter Bürgermeister, bevor der Ort nach Balingen eingemeindet wurde.

Über Caspar Nagel, nach dem die Engstlatter Caspar-Nagel-Straße benannt ist, ist laut Ortsvorsteher Klaus Jetter nur wenig bekannt. Der Engstlatter war ein Bauer und Freiheitskämpfer, der sich in den Bauernkriegen um 1525 ganz besonders für die einfachen Leute und deren Rechte eingesetzt und gekämpft hat. Zudem hat er tatkräftig daran mitgewirkt, die österreichische Regierung, die seinerzeit in Württemberg herrschte, zu stürzen.

Albstädter als Namensgeber

Neben den Balinger Persönlichkeiten wurden auch zahlreiche Straßen nach regionalen und überregionalen Persönlichkeiten benannt. Zwar sind Kurt Georg Kiesinger und Philipp Matthäus Hahn keine Balinger, aber sie haben dennoch einen Bezug zum Zollernalbkreis.

Kiesinger (* 6. April 1904; † 9. März 1988), der in Ebingen geboren wurde, war Deutschlands dritter Bundeskanzler. Er regierte von 1966 bis 1969 und war der erste Kanzler einer Großen Koalition.

Auch das gewerbliche Schulzentrum trägt Hahns Namen

Der „Erfinder-Pfarrer“ Philipp Matthäus Hahn (* 25. November 1739; † 2. Mai 1790) hält in Balingen gleich als doppelter Namensgeber her. Denn nicht nur eine Straße, sondern auch das Gewerbliche Schulzentrum sind nach ihm benannt. 1764 wurde Hahn Pfarrer in Onstmettingen.

In Onstmettingen entstanden Hahns erste Neigungswaagen, Weltmaschinen und die nach ihm benannte Öhrsonnenuhr. Hahn gilt als Begründer der Feinmechanikindustrie im Zollernalbkreis. Anlässlich seines 250. Geburtstags wurde 1989 das ihm gewidmete Philipp-Matthäus-Hahn-Museum eröffnet.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels ist uns ein Fehler unterlaufen: Pfarrer und Widerstandskämpfer Otto Emil Mörike ist nicht Namensgeber der Straße, sondern der bekannte Dichter Eduard Mörike. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Von Albrecht bis Wilhelm – Vornamen als Straßennamen

Nicht immer ist die eindeutige Zuordnung des Straßennamens zu seinem Namensgeber möglich. Am einfachsten ist es noch, wenn die Straße mit Vor- und Nachnamen versehen ist. Doch auch hier kann es Schwierigkeiten geben, sollte es prominente Namensvettern geben. Wikipedia führt alleine fünf verschiedene Personen auf, die Hermann Berg heißen – den Balinger Stadtbaumeister, nach der die Straße benannt ist, allerdings nicht.

Noch schwieriger wird es, wenn beim Straßennamen nur der Nachname verwendet wird. Während die Sache bei der Mozartstraße oder dem Pestalozziweg noch recht klar ist, ist es etwa bei der Cottastraße aufgrund der Vielzahl der bekannten Namensträger deutlich komplizierter zuzuordnen, nach welchem Cotta die Straße benannt ist.

Außerdem gibt es in Balingen und den Ortsteilen noch rund 20 Straßen, die lediglich Vornamen tragen. An denen kann sich dann jeder freuen, der denselben Namen trägt. Wer „seine“ Straße suchen möchte: Im Balinger Stadtplan kommen folgende Vornamen vor: Albrecht, Alexander, Charlotte, Eugen, Friedrich, Fritz, Georg, Heinrich, Heinz, Jakob, Johannes, Karl, Katharine, Ludwig, Martin, Olga, Pauline, Rudolf, Ulrich, Wera und Wilhelm.

Hitlers Wegbereiter, Unterstützer und Gleichgesinnte

Einige der Namensgeber für Straßen in Balingen standen den Nationalsozialisten nahe.

Noch bevor die Nazis an die Macht kamen, machte der Komponist Hans Pfitzner mit offen antisemitischen Schriften auf sich aufmerksam. Er beteiligte sich an Wahlaufrufen für Adolf Hitler und war wichtige Person in der Kulturpolitik der Nationalsozialisten. Von führenden NS-Funktionären wurde er als „deutschester der zeitgenössischen deutschen Komponisten“ bezeichnet.

Hitler nahm ihn in die Liste der Gottbegnadeten auf. Auch nach dem Fall des Regimes wiederholte Pfitzner seine antisemitischen Aussagen. In Balingen ist eine Straße nach ihm benannt. Andernorts wurden Pfitznerstraßen bereits umbenannt, oder deren Umbenennung angestrebt.

Hindenburg ebnete Hitler den Weg

Um Hindenburgstraßen gibt es landauf, landab immer wieder Diskussionen. Der umstrittene Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte Adolf Hitler den Weg ins Amt geebnet und ihn 1933 zum Reichskanzler ernannt. In Balingen trägt unter anderem das neue Jugendhaus seinen Namen in der Adresse.

Auch die Lyrikerin Ina Seidel, nach der der Ina-Seidel-Weg benannt ist, stand den Nationalsozialisten nahe und identifizierte sich mit deren Ideologie. Sie gehörte zu 88 Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Hitler unterschrieben. Nach dem Krieg distanzierte sie sich von ihrer früheren Haltung.

Entnazifizierung: Entlastete und Mitläufer

Die beiden Flugzeugkonstrukteure Claude Dornier und Ernst Heinkel, die ihre Namen zwei benachbarten Straßen auf dem Balinger Binsenbol leihen, spielten alleine schon von Berufswegen eine Rolle im Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg.

Beide wurden – teils auf Drängen – sowohl NSDAP-Mitglied als auch Wehrwirtschaftsführer. Nach dem Krieg mussten sie sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen, bei dem Dornier als Mitläufer und Heinkel als Entlasteter eingestuft wurden.

Kurt Georg Kiesinger, der von 1966 bis 1969 Bundeskanzler war und dessen Namen eine Straße in Frommern trägt, wurde wegen seiner früheren Karriere im NS-Regime und seiner Parteizugehörigkeit zur NSDAP wiederholt öffentlich kritisiert. In einem Entnazifizierungsverfahren wurde er zunächst als Mitläufer eingestuft und dann vollständig entlastet.

Kommentar: Die dunkle Vergangenheit aufarbeiten

Hätten Sie gewusst, dass die Ebertstraße in Balingen früher Adolf-Hitler-Straße hieß? Dass eine Straße heute noch diesen Namen tragen würde, wäre unvorstellbar. Bei anderen noch heute gültigen Straßennamen und deren Namensgebern ist die Sache nicht so einfach. Wer war überzeugter Nationalsozialist oder Antisemit, wer nur Mitläufer? Und überhaupt: Kann man an historische Persönlichkeiten die heutigen moralischen Maßstäbe anstellen?

Vor diesen Fragen steht man in Balingen nicht allein. Vielerorts wird über die Umbenennung von Straßen, die etwa den Namen von Paul von Hindenburg, Ina Seidel oder Hans Pfitzner tragen, diskutiert. Einige Städte sind schon tätig geworden und haben die kritischen Straßennamen ersetzt.

Wird der alte Straßenname jedoch lediglich durch einen unverfänglichen eingetauscht, hat das etwas von „unter den Teppich kehren“. Im Sinne der Erinnerungskultur kann das ja auch nicht die beste Lösung sein. Eine Möglichkeit wäre es, das Straßenschild um einen Hinweis zur nationalistischen oder antisemitischen Biografie des Namensgebers zu ergänzen, sollte der Straßenname beibehalten werden – oder bei einer Umbenennung eine Hinweistafel anzubringen, die den Grund der Umbenennung erklärt. In einigen Städten wird das so praktiziert – in Balingen bisher nicht. Doch auch hier täte eine Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte gut – auch wenn sie schwierig ist.