Balingen

Mit dem Glauben gegen das Chaos: Die Kirchen im Dekanat öffnen ihre Türen wieder

06.05.2020

Von Nicole Leukhardt

Mit dem Glauben gegen das Chaos: Die Kirchen im Dekanat öffnen ihre Türen wieder

© Nicole Leukhardt

Dekan Beatus Widmann und Pfarrerin Sara Stäbler sind froh, die Zutrittsverbotsschilder wieder von den Kirchentüren nehmen zu dürfen.

„Das Chaos gehört zum Gedanken der Schöpfung dazu“, sagt Balingens Dekan Beatus Widmann. Dass die Gottesdienste wieder aufgenommen werden dürfen, erfüllt den Theologen sichtbar mit Freude und Optimismus. Wie er die vergangenen Wochen erlebt hat, schildert er in einem Gespräch.

„Wenn man sich Gott vorstellt, denkt man ihn sich wie einen Puppenspieler, der auf seiner Wolke sitzt und die Fäden in der Hand hält“, sagt Dekan Beatus Widmann. Doch dass eben jener Gott die Coronakrise hat kommen und – hoffentlich – bald auch wieder gehen lassen, das sieht der Theologe nicht so. „Die Schöpfung war schon immer vom Chaos bedroht, es ist die Aufgabe von uns Christen, zusammenzuhalten, uns zu trösten und gemeinsam dieses Chaos zurückzudrängen“, formuliert er.

Und das, so findet er, gelinge der Gesellschaft insgesamt recht gut. „Die Solidarität und die Hilfsbereitschaft ist groß“, sagt er. Dass die Kirchen geschlossen werden mussten, Gottesdienste einfach ersatzlos gestrichen wurden, das schmerzt ihn rückblickend noch immer. „Schweren Herzens“, so steht es auf dem Schild, das Widmann an den Kirchentüren anbringen musste, habe man sich zu diesem Schritt entschlossen, ja, entschließen müssen. „Wir haben das von Anfang an aus Nächstenliebe und Rücksicht getan“, sagt er.

„Für uns Christen war das schlimm“

Ein Schritt, den ihm viele Gläubige jedoch zunächst übel nahmen. „Wir sind gefragt worden, wie es um unser Gottvertrauen bestellt sei“, erzählt er, „wo wir denn in der Krise sind, warum wir uns so zurückziehen.“ Begegnungen, die Widmann getroffen haben. „Für uns Christen war das schlimm“, erinnert er sich. Dass Menschen in Alten- und Pflegeheimen, in Krankenhäusern allein sterben mussten, weil auch für Seelsorger das Besuchsverbot galt – auch dies ein Aspekt, den Widmann nicht mit seinem eigentlichen Auftrag vereinbaren konnte.

Und dann kam Ostern. Genauso formuliert es der Dekan. „Wir haben Ostern nicht gemacht, es ist Ostern geworden“, sagt er. Denn während die Kirchen in vielen ihrer Felder zum Innehalten gezwungen waren, seien an anderer Stelle neue Dinge entstanden. „Die Krise hat uns kreativ werden lassen“, zieht er rückblickend ein gar nicht so unglückliches Fazit. Denn während die Gotteshäuser leer bleiben mussten, ist zum Beispiel ein Podcast entstanden. „Es war ein digitaler Schub sondersgleichen.“

„Wir sind bunt geworden“

Wer mochte, konnte sich Orgelchoräle, das Kirchengeläut oder einen geistlichen Impuls per Podcast anhören. „Für Menschen ohne Zugang zum Internet haben wir eine Telefonschalte eingerichtet“, sagt Widmann. „Wir sind bunt geworden.“ Auch durch das Wort zum Tag, das der ZOLLERN-ALB-KURIER gemeinsam mit den Pfarrern im Dekanat veröffentlicht, habe man einen „wunderbaren Weg gefunden, wieder präsent zu sein“.

Die Erleichterung ist groß

Dennoch, nach acht Wochen kirchlichem Lockdown sei die Erleichterung in seinem Kirchenbezirk über die Lockerung in Sachen Gottesdienst groß. „Wir bleiben zwar eingeschränkt, aber wir dürfen die Kirchen wieder benutzen“, freut er sich. Dass jeder Gottesdienstbesucher seinen Namen und seine Anschrift hinterlassen muss, um im Fall einer Infektion gefunden werden zu können, nehmen die Pfarrer ebenso hin, wie die Maskenpflicht und die großen Lücken, die in den Kirchenbänken bleiben müssen. „Für jede Kirche gibt es eine bestimmte Anzahl an Plätzen“, erklärt Widmann. Er hofft, dass er niemanden wieder wegschicken muss. „Dass wir nicht gemeinsam singen dürfen, ist natürlich schade, aber verständlich“, sagt der Dekan.

Während die meisten Kirchen an den kommenden Sonntagen wieder den Gottesdienstbetrieb aufnehmen, werden die Christen in Bitz, Burladingen, Endingen, Erzingen-Schömberg, Täbingen, Weilstetten und Ostdorf-Geislingen noch eine Weile ohne Präsenzgottesdienst auskommen müssen.

Noch kein Termin für die Konfirmationen

Ein großes Lob schließlich spricht der Dekan der Landeskirche aus. Die Kommunikation habe gut funktioniert, die „Taskforce Corona“ habe schnell reagiert. „Manchmal war aber einfach Geduld gefragt“, sagt er. Auch bei den Eltern der Konfirmanden, denen er noch immer keinen verlässlichen Termin nennen kann. „Eine unserer größten Wunden“, wie der Dekan einräumt. „Aber wir fahren wir erstmal auf Sicht.“

Fest steht indes, dass der Himmelfahrtsgottesdienst am 21. Mai im Hof der Sprachheilschule in der Liegnitzer Straße gefeiert wird. Natürlich mit Abstand, aber immerhin. „Es wird noch eine Weile anders bleiben“, vermutet Widmann. Aber das Chaos, da lässt der Theologe keinen Zweifel, hat in seinem Kirchenbezirk längst den Kürzeren gezogen.

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