Meßstetter Bürgermeister: Auf die Schwierigkeiten vor Ort wird selten Rücksicht genommen

Von Gudrun Stoll

In den Rathäusern brodelt’s allerorten. Alle Lasten werden von oben auf die Kommunen abgewälzt. Der Meßstetter Bürgermeister Frank Schroft macht seinem Ärger Luft.

Meßstetter Bürgermeister: Auf die Schwierigkeiten vor Ort wird selten Rücksicht genommen

Nur wenige Tage konnten sich die Meßstetter im Herbst an ihrem nagelneuen Freizeitpark erfreuen, dann kam der Lockdown. Bürgermeister Frank Schroft hofft, dass die Stadt am Montag den Bauzaun auf dem Blumersberg entfernen und auch das Wildgehege wieder freigeben kann.

Die Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentenkonferenz vom Donnerstag und die damit verbundene Öffnungsstrategie stoße zunehmend auch in den Kommunen auf Kritik, schildert der Meßstetter Rathauschef das Meinungsbild, das er mit vielen Kollegen und Kolleginnen teile.

Konkret gefragt: Wie beurteilt Frank Schroft die Öffnungsstrategie von Bund und Ländern vom Donnerstag dieser Woche?

Menschen sind pandemiemüde

„Schon seit längerer Zeit macht sich aus meiner Sicht eine gewisse Pandemiemüdigkeit bei der Bevölkerung breit und auch die Unzufriedenheit der Menschen über die anhaltenden Einschränkungen nimmt verständlicherweise zu“, sagt er. Dies liege vor allem in der Angst um den Arbeitsplatz, um den Erhalt des Gewerbes und der Furcht vor erheblichen wirtschaftlichen Verlusten begründet. Gleichzeitig nehme die Bereitschaft massiv ab, sich an die notwendigen Maßnahmen zu halten. „Ich begrüße die beschlossene Öffnungsstrategie in fünf Schritten daher sehr“, fügt Schroft an.

Öffnungsstrategie kann nur ein Anfang sein

Damit bekommen Einzelhandel und Gewerbetreibende sowie die Bevölkerung eine hoffnungsfroh stimmende Perspektive, die zum Durchhalten ermutige. Sicherlich, sagt der Rathauschef, könne das nur ein Anfang sein. Er könne sich durchaus weitere Bereiche vorstellen, bei denen eine frühere Öffnung sinnvoll und auch vertretbar wäre.

Sperrband von Freizeitanlagen muss weg

Der Bürgermeister der 10720 Einwohner zählenden Stadt auf dem Großen Heuberg konkretisiert, an welche Bereiche er dabei denkt: „Neben der zügigen Öffnung von Einzelhandel, Gewerbe und Gastronomie denke ich auch an die vielfältigen Freizeitanlagen in den Städten und Gemeinden. Diese müssen aufgrund der aktuellen Coronaverordnung des Landes – mit Ausnahme der Spielplätze – derzeit geschlossen bleiben. Die Menschen sehnen sich allerdings nach Abwechslung und Beschäftigung außerhalb der eigenen vier Wände.“

Familien stehen unter Druck

Erschwerend komme hinzu, dass viele Familien unter enormem Druck stehen. Schroft: „Die häusliche Gewalt nimmt erschreckend zu und vor allem Kinder leiden unter der derzeitigen Situation, dies zum Teil mit nicht abschätzbaren psychischen Folgen.“ Wenn Einrichtungen in geschlossenen Räumen ab Montag geöffnet werden dürfen, wäre es für ihn völlig unverständlich, derartige Freiluftanlagen von der Öffnung auszunehmen.

Vernunft und Geduld bewahren

Konkret benennt Frank Schroft das großräumige Freizeitgelände auf dem Blumersberg und das Meßstetter Wildgehege. Beide stehen im Lockdown. Doch wie beurteilt der Kommunalpolitiker die Gefahr, dass bei zu schnellen Lockerungen eine dritte Welle bevorsteht? Virologen, Intensivmediziner und Epidemiologen warnen ja seit Längerem vor einer dritten Welle – auch angesichts der stark steigenden Infektionen durch die Mutanten des Virus.

Er könne nur alle Bürgerinnen und Bürger ebenso herzlich wie eindringlich bitten, sich auch weiterhin an die Schutzmaßnahmen zu halten, mahnt Frank Schroft Vernunft und Geduld an. Denn es helfe niemandem, wenn wir auf den „letzten Metern“ leichtsinnig werden. Schroft wörtlich: „Eine dritte Welle mit einem weiteren Lockdown hätte verheerende wirtschaftliche, gesundheitliche und soziale Folgen.“

Kommunen erneut in Verantwortung

Welche Herausforderungen sieht er auf die Kommunen als Nächstes zukommen? „Wir Kommunen stehen derzeit unter enormem Druck“, lautet die Antwort. Die nächste große Herausforderung werde sein, die sogenannten Bürgertests auf kommunaler Ebene erfolgreich zu etablieren. Alle „asymptomatischen“ Bürgerinnen und Bürger haben ab Montag mindestens einmal pro Woche Anspruch auf einen kostenlosen PoC-Antigen-Schnelltest einschließlich einer Bescheinigung über das Testergebnis.

Testung wird Herausforderung

Doch das große Aber lautet: „Ärzte und Apotheken können diese Masse an möglichen Testungen alleine nicht bewältigen. Die Kommunen sind deshalb angehalten, die entsprechende Testinfrastruktur aufzubauen, zur Verfügung zu stellen und mit qualifiziertem und zuverlässigem Personal zu betreiben.“ Das sei eine riesige Herausforderung – gerade auch für kleinere Städte und Gemeinden.

Bei praktischer Umsetzung alleine gelassen

„Mich ärgert, dass die kommunalen Belange dabei ausgeblendet werden und auf die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung vor Ort selten Rücksicht genommen wird“, erläutert der Meßstetter Rathauschef das Dilemma und fügt an: „Aber wir sind eben das letzte Glied im Verwaltungsaufbau und stehen zu guter Letzt immer in der Verantwortung. Positiv daran ist nur, dass Bund und Länder offensichtlich wissen, wie gut und verlässlich ihre kommunalen Verwaltungen arbeiten.“

Mit DRK in engem Austausch

Wie werden Bürgermeister und Verwaltung diese Maßnahmen in Meßstetten umsetzen? Frank Schroft: „Über eine maßgeschneiderte Teststrategie machen wir uns derzeit intensiv Gedanken. Einerseits könnten mithilfe des DRK und unter ärztlicher Anleitung ausgebildete Kräfte dezentrale Testungen in Schulen oder Kindertagesstätten durchführen. Damit könnten wir die Testansprüche aller Beschäftigten der Schulen und Kitas sowie der Schüler noch stärker als bisher und direkt vor Ort abdecken.“

Er halte es auch für sinnvoll, an ausgewählten Tagen in der Turn- und Festhalle sowie auf dem samstäglichen Wochenmarkt regelmäßige Testungen anzubieten. „Mit dem DRK sind wir dazu in engem Austausch“, verweist er auf einen guten Draht.

Vierklang macht optimistisch

Trotz aller Probleme und dem Ärger über das aus dem Ruder gelaufene Krisenmanagement in Berlin und auch Stuttgart: Sieht Schroft Licht am Ende des Tunnels? Eigentlich ja, kann man die Antwort kurz auf einen Nenner bringen. Die ausführliche Version lautet: „Die Ankündigung, dass voraussichtlich ab April eine Vielzahl an Impfstoffen zur Verfügung steht und damit auch wesentlich mehr Impfungen möglich sind, stimmt mich optimistisch. Darüber hinaus lässt mich der von der Bundesregierung verfolgte Vierklang aus Impfen, Testen, Kontaktnachvollziehung und Öffnungen zuversichtlich auf die nächsten Wochen und Monate blicken.“

Werde mich selbstverständlich impfen lassen

Ein letzter Aspekt bewegt im Gespräch mit dem Rathauschef, dessen Bürger das Kreisimpfzentrum direkt vor der Türe haben und ebenso lange auf einen Termin warten müssen wie alle anderen Zollernälbler.

Wird sich Frank Schroft (Jahrgang 1986) impfen lassen? Selbstverständlich, sagt er. „Allerdings erst dann, wenn ich dazu berechtigt bin. Ein Bürgermeister sollte gerade während der Pandemie Vorbild sein und die noch zweifelnden und zögernden Bürgerinnen und Bürger dadurch motivieren, sich auch impfen zu lassen.“