Albstadt

Medienbericht verunsichert Albstädter: „Kranke werden nicht mal einfach abgeführt“

29.04.2020

Von Michael Würz

Medienbericht verunsichert Albstädter: „Kranke werden nicht mal einfach abgeführt“

© Rike/pixelio.de

Festnahme wegen Krankheitssymptomen? Eine wenig fachkundige, vor allem aber verkürzte Darstellung, sagt die Polizei.

Ein Einsatz von Polizei und Rotem Kreuz hat am Mittwochnachmittag in Ebingen Aufsehen erregt. Was dahinter steckte.

Am Mittwoch wurde das Rote Kreuz in die Lautlinger Straße in Ebingen gerufen. Grund: Ein psychisch labiler Mann hatte Informationen unserer Zeitung zufolge in seiner Unterkunft an Krankheitssymptomen gelitten. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Mann sich das Coronavirus eingefangen hatte, wurde das DRK gerufen. Als die Helfer eintrafen, war der Mann jedoch nicht mehr anzutreffen. Deshalb riefen die Rotkreuzler die Polizei zur Unterstützung.

Eine Gewahrsamnahme, keine Festnahme

Polizeibeamte nahmen den Mann schließlich in Gewahrsam. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Reutlingen wurde er dann zum Coronatest in die Klinik gefahren – „ohne Probleme“. Eigentlich wäre der Fall damit aus Sicht von Polizei und Rotem Kreuz erledigt gewesen. Aus Sicht der Einsatzkräfte: ein Routineeinsatz, wenngleich einer, der am Ort des Geschehens für Aufsehen gesorgt hat.

Einsatz schlägt große Wellen

Große Wellen allerdings schlug der Einsatz kurze Zeit später, als eine andere Zeitung online über den Fall berichtete, unter der Überschrift: Polizei nimmt potenziellen Corona-Patienten fest. Diese Darstellung sei schlicht falsch, kritisierte der Polizeiführer vom Dienst des Polizeipräsidiums Reutlingen am Mittwochabend. Denn: Man müsse korrekterweise zwischen einer Festnahme unterscheiden, bei der es sich um eine strafprozessuale Maßnahme handele – und einer Gewahrsamnahme, wie sie Polizeibeamte etwa im Falle psychisch Kranker anwendet. Mitunter auch zum Selbstschutz.

Artikel lässt Leser im Unklaren

Losgelöst von der Wortklauberei: Die Darstellung sei auch deshalb zweifelhaft, hieß es am Abend in Polizeikreisen, weil der Artikel den Hintergrund der Maßnahme, die Labilität des Patienten, nicht eingeordnet habe. Auch Dietmar Dieter, Sprecher des Roten Kreuzes im Zollernalbkreis, verwahrt sich nachdrücklich gegen den Eindruck, Menschen mit Krankheitssymptomen würden gegen ihren Willen einfach abgeführt. Allein, in Albstadt machte die einigermaßen verkürzt dargestellte Geschichte da längst die Runde – wütend kommentiert im Netz.

User im Netz empören sich über Polizei

„Muss ich als Pollen-Allergiker jetzt aufpassen, in der Öffentlichkeit keinen Nies- und Hustenanfall zu bekommen, damit ich nicht verhaftet werde?“, fragte ein User in einer Albstädter Facebookgruppe. Eine Frau ist sicher: „Die wollen uns eben kaputtmachen! Schritt für Schritt.“ Und manch anderer im Netz findet den Polizeieinsatz einfach nur „unglaublich“.

„Ich würde meine Uniform an den Nagel hängen“

Im Gespräch mit unserer Zeitung äußerten Einsatzkräfte die Sorge: „Da werden die Leute völlig verunsichert.“ Die Angst, wegen Krankheitssymptomen „festgenommen“ zu werden: unter normalen Umständen unbegründet. Ein Polizist aus der Region: „Dann würde ich meine Uniform an den Nagel hängen.“

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