Max Osswald mit Debütroman in Ebingen: Schonungslos laut, provokativ und am Puls der Zeit

Von Ulrike Zimmermann

Der 29-jährige Münchner Max Osswald war am Freitagabend mit der „schwäb‘schen Eisebahne“ nach Ebingen gekommen, um im Rahmen der Literaturtage Albstadt sein Erstlingswerk vorzustellen.

Max Osswald mit Debütroman in Ebingen: Schonungslos laut, provokativ und am Puls der Zeit

Max Osswald präsentiert sein erstes Buch nicht als Vorleser, sondern eher als Comedian.

Wer neugierig zu der Pre-Opening-Veranstaltung der Literaturtage Albstadt, bei der der ZOLLERN-ALB-KURIER Medienpartner ist, zu später Stunde ins „Gleis 4“ nach Ebingen kam und eine gemütliche Autorenlesung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Max Osswald ist kein begnadeter Leser, er ist ein Comedian. Die Bühne ist sein Metier. Und so deutet schon der Titel seines Romans „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ auf einen Abend voller Überraschungen und nicht alltäglicher Unterhaltung hin.

5140 Überarbeitungen

Max Osswald freut sich „mega“ über das große, „kluge und attraktive“ Publikum und lässt seinen Roman erst einmal links liegen. Stattdessen plaudert er locker über sich selbst und über die Entstehungsgeschichte des Romans. Ganze anderthalb Jahre habe er am ersten Teil gearbeitet, aber nur anderthalb Monate für den zweiten Teil gebraucht. 5140 Überarbeitungen standen unter dem Strich, bis das Manuskript endlich druckreif war.

Das ganze Leben erscheint sinnlos

Und dann beginnt Max Osswald zu lesen. Es geht es auf den Friedhof, wo die Geschichte ihren Lauf nimmt: Wie sieht es in der Seele eines frustrierten jungen Menschen aus, der nichts mehr von einem Leben erwartet, das ihm ohne soziales Netzwerk wie ein Gefängnis erscheint und der dem Leistungsdruck der Gesellschaft nicht mehr standhält? Er schreit nach Hilfe oder versucht sogar, sein Leben zu beenden.

So wie der 29-jährige Protagonist Ben Schneider. Sein bester Kumpel hat sich vor sechs Jahren aus dem Fenster vom Hochhaus gestürzt. Ben wählt einen anderen, spektakuläreren Weg: In 50 Tagen soll ein Auftragskiller seinem gelangweilten und ereignislosen Leben ein Ende setzen. Spätestens jetzt weiß jeder im Raum, warum die Veranstaltung zu so später Stunde angesetzt war. Fast schockierend wirkt die vulgäre Sprache mit vielen Kraftausdrücken, aber sie widerspiegelt perfekt die Stimmungslage des Protagonisten.

50 Tage bis zum Finale

Revolutionär ist das Thema nicht, trotzdem breitet sich eine spürbare Spannung im Lokal aus. Was macht man, wenn man nur noch 50 Tage zu leben hat? Diese Frage bleibt zunächst unbeantwortet. Wenn man einen Roman für zwölf Euro kaufen kann, aber 15 Euro für eine Abendveranstaltung darüber auf den Tisch legt, kann man schließlich mehr als ein Vorlesen erwarten. So sieht das jedenfalls Max Osswald und läuft zu Hochform auf. Er springt von Pointe zu Pointe – nicht immer erntet er den erwarteten Applaus – und lädt das Publikum zu Ratespielen über sein Buch ein.

Die Gäste lassen sich anstecken und machen bereitwillig mit. Als Dank wirft Osswald Süßigkeiten zu den Gewinnern, nicht ohne zu erwähnen, dass diese von der Stadt Albstadt gesponsert seien. Hinterher wusste jeder, dass in dem Roman mit 336 Seiten das Wort „scheiße“ 93 Mal auftaucht - eine Prozentquote von 27,6 Prozent – aber immer noch nicht viel über den weiteren Verlauf der Handlung. Nur so viel, dass Ben an den ersten von 50 Tagen sein Leben beginnt „auszumisten“, Dinge tut, die er sonst nie getan hätte und sich treiben lässt. Schließlich wird er sogar „Teil des Mülltonnenkommandos“.

Ausgang bleibt im Dunkeln

In zweieinhalb Stunden fiel kein Wort über den Ausgang des Romans, aber der ist ohnehin vorhersehbar. Wenn seine Lektorin meint, dass dieses Erstlingswerk „den Nerv einer ganzen Generation trifft“, stellt sich die Frage, welche Generation damit gemeint sein könnte. Über die müsste man sich dann tatsächlich Sorgen machen. Aber vielleicht erkennt Ben Schneider ja doch noch, dass das Leben nicht nur „scheiße“ ist. Wer das wissen will, muss den Roman lesen. Nicht „scheiße“ war auf jeden Fall die handgemachte Musik der drei Albstädter Jan Reiser, Wolfgang Lederer und Jannik Bitzer.